Abzug der sowjetischen Truppen aus der ČSFR 23 Jahre Okkupation

02. September 2014, 10:35 Uhr

Gekommen waren die sowjetischen Truppen 1968, um den "Prager Frühling" niederzuschießen. Geblieben sind sie 23 Jahre – erst 1991 verließ der letzte sowjetische Soldat die Tschechoslowakei. 

"Als mein Flugzeug beim Rückflug Prag überquerte, habe ich aus dem Fenster den kleinen rosa Punkt auf der Moldau gesehen", erinnert sich der deutsche Militärhistoriker Oliver Bange. Der rosa Punkt war ein rosarot angestrichener sowjetischer Panzer, der auf einem Floß in der Moldau schwamm. Der "Pink Panzer", das Symbol für den Abzug der sowjetischen Truppen aus der Tschechoslowakei, war im Juni 2011 aus dem gleichen Grund in Prag wie Oliver Bange. Mit einer "Woche der Freiheit" erinnerten die Tschechen damals an den 20. Jahrestag des Abzugs des letzten sowjetischen Soldaten im Juni 1991 aus ihrem Land und an die Auflösung des Warschauer Paktes kurz darauf. Die Hauptakteure von damals trafen in dieser Woche noch einmal aufeinander. "Für Václav Havel war dieses Treffen eine Herzensangelegenheit", erklärt Oliver Bange, der als Spezialist für die Geschichte des Warschauer Paktes auch zur Konferenz geladen war. "Für die Menschen in der ČSSR waren die Ereignisse von 1968 ein nachhaltiger Schock. Für sie war tief im Bewusstsein verankert, dass die Russen Besatzer waren."

Gekommen, um den "Prager Frühling" niederzuschlagen

1968 waren die sowjetischen Einheiten ins Land gekommen, um die tschechoslowakischen Bestrebungen nach einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" gewaltsam niederzuschlagen. Offiziell sollten die Truppen des "Großen Bruders" nur übergangsweise im Land bleiben. Daraus wurden 23 Jahre, in denen die Menschen in der ČSSR täglich daran erinnert wurden, wie ihre Hoffnungen auf Freiheit vernichtet worden waren. Die Sowjetunion hatte nur auf eine Gelegenheit gewartet, ihre militärische Präsenz direkt am Eisernen Vorhang zu verstärken. Sie stationierte die sogenannte "Zentralgruppe der Sowjetarmee" in der ČSSR; das Hauptquartier befand sich in der mittelböhmischen Stadt Milovice, rund 50 Kilometer von Prag entfernt. Rund 80.000 Militärs und etwa 40.000 Zivilangestellte und Angehörige waren insgesamt in der Tschechoslowakei stationiert. In den 23 Jahren blieben sich die "Brüder" jedoch fremd. Eine der ersten Forderungen der "Samtenen Revolution" im Herbst 1989 war dann auch, dass die Russen endlich nach Hause gehen sollten.

Der Abzug wird eingeleitet

Schon in November 1989 übergab das Bürgerforum mit Václav Havel an der Spitze einen Brief an die sowjetische Botschaft. Michael Kocáb, ein Vertrauter Havels, erinnert sich in einem Interview mit "Radio Prag": "In dem Brief baten wir Gorbatschow darum, Verhandlungen über einen Abzug zu beginnen und den Vertrag über den zeitweiligen Aufenthalt offiziell zu annullieren. Das war der Durchbruch. Innerhalb von einer Woche oder zehn Tagen kam die Antwort, dass Gorbatschow die Verhandlungen unterstützt."

Am 26. Februar 1990 unterschrieben die beiden Außenminister Jiří Dienstbier und Eduard Schewardnadse den Vertrag über den Abzug der sowjetischen Streitmächte. Dabei standen sie vor zwei zentralen Problemen: Die Sowjetunion wusste nicht, wo sie die zurückkehrenden Soldaten unterbringen sollte - die Hälfte der Soldatenfamilien hatte kein Zuhause in der Sowjetunion. In der ČSSR hatte die Armee jedoch Tausende Wohnungen gebaut. Für diese wollte sie nun Geld.

Keine Einigung

Ein weiteres Problem waren die enormen Umweltschäden. Viele Truppenstandorte würden erst nach aufwendiger ökologischer Sanierung wieder nutzbar sein. "Vor allem die Situation auf den Flugplätzen war grauenhaft", beschreibt Historiker Oliver Bange die Lage. "Die Kerosin-Zuleitungen haben alle geleckt und die Fässer, in denen das Kerosin aufbewahrt wurde, hatten mit der Zeit Löcher bekommen."

Zu einer Einigung kam es in beiden Fragen nicht: Weder bezahlten die Tschechen für die von der UdSSR errichteten Wohnungen, noch die Russen für die Sanierung der einstigen Kasernen. Jede Seite musste ihre Probleme selbst lösen. Der tschechische Staat schätzte die Kosten für die Beseitigung der Schäden auf sechs Milliarden Kronen, das sind umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro.

Der rosarote Panzer

Am 21. Juni 1991 verließen die letzten sowjetischen Soldaten die ČSSR. Drei Monate zuvor, am 27. April 1991, hatte der Kunststudent David Černý mit ein paar Helfern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Panzer mit rosa Farbe übertüncht. Der Panzer stand seit 1945 als Denkmal für die Befreiung Prags durch die Sowjetarmee auf dem Kinsky-Platz in der Hauptstadt. Für die Prager war das Monument seit 1968 allerdings eher eine stetige Erinnerung an die ungeliebten Besatzer.

Die russische Regierung missbilligte die Umfärbung ihres Sieger-Gefährts. David Černý wurde verhaftet, kam aber nach Protesten in der Bevölkerung schnell wieder frei. Der rosarote Koloss wurde ins Militärmuseum in Lešany 40 Kilometer südlich von Prag gebracht. 2011 kehrte der "Pink Panzer" noch einmal in die Hauptstadt zurück - als Symbol der Befreiung und des erfolgreichen Widerstandes der kleinen Tschechoslowakei gegen den großen "Bruder" schwamm er auf der Moldau.