Andrej Babiš geht. Und kommt wieder... ?

24. Mai 2017, 10:27 Uhr

Der Unternehmer Andrej Babiš schied Anfang Mai 2017 als Finanzminister aus dem Kabinett aus. Sein Nachfolger wird Ivan Pillny. Babiš aber werden gute Chancen nachgesagt, bei den kommenden Parlamentswahlen zu gewinnen.

Tschechiens Politstar und Milliardär Andrej Babiš schied letzte Woche als Finanzminister aus dem Prager Kabinett aus. Sein Nachfolger wird Partei-Kollege Ivan Pilny – das bestätigte am 24. Mai 2017 Tschechiens Präsident Milos Zeman. Damit endet vorerst die Auseinandersetzung zwischen Babiš und Premier Sobotka, bei der vorübergehend der Sturz der Regierung und eine Verfassungskrise drohten – und das weniger als sechs Monate vor den regulären Parlamentswahlen. Sobotka wirft Babiš unter anderem Steuerhinterziehung, Subventionsmissbrauch und die Beeinflussung der von ihm kontrollierten Medien vor. Babiš bestreitet jeglichen Missbrauch.

An der Beliebtheit des Polit-Unternehmers rüttelt all das jedoch nicht, ja mehr noch: Die Chancen, dass Babiš bald Regierungschef werden könnte, stehen gut. Umfragen sehen Babiš und seine liberal-populistische ANO-Partei derzeit als klaren Sieger. Babiš an der Spitze einer Regierung in Tschechien – was würde das bedeuten? "Heute im Osten" hat den Politologen Jiri Pehe, Direktor der New York University in Prag, dazu befragt.

Schon als Finanzminister stand Andrej Babiš in der Kritik des Interessenkonfliktes. Nun will der erfolgreiche Unternehmer und zweitreichste Mann Tschechiens womöglich sogar den Posten des Premierministers. Was halten Sie davon?

Die Gefahr liegt vor allem darin, dass Politik dann so funktionieren könnte wie die Leitung einer Firma. Das heißt: Keine langen Diskussionen, weg mit dem Parlamentstheater. Stattdessen wird der Staat wie ein Aufsichtsrat geführt: Da gibt es einen Vorsitzenden und der hat das letzte Wort. So stellt sich Andrej Babiš vor, wie die gesamte Politik funktionieren könnte und dass das effektiv wäre. Darin liegt natürlich eine große Gefahr für die liberale Demokratie. Das sehen wir schon jetzt an der Struktur der ANO-Bewegung, an deren Spitze Babiš steht: Das ist keine demokratische Partei. Andrej Babiš wird dort mit fast 100% gewählt, seine Entscheidungen werden einstimmig bestätigt, er hat das Recht, die Kandidatenlisten nach Belieben umzugestalten. Und so stellt er sich die Führung des gesamten Staates vor. Das ist ein autoritärer Zugang und der würde Tschechien insgesamt in eine autoritäre Richtung verschieben.

Offenbar stört das aber Babis‘ Wähler nicht. Wie erklären Sie sich Babiš' großen Erfolg?

Er knüpft an die Rhetorik der späteren Jahre der so genannten "Normalisierung" (im kommunistischen Tschechien, Anm. d. Red.) an, wo ein unausgesprochenes Abkommen zwischen dem Regime und der Bevölkerung galt: Wir sorgen für ein einigermaßen anständiges Lebensniveau und ihr lasst uns dafür regieren. Daran knüpft Babiš an, und diese Art des Denkens ist in der tschechischen Bevölkerung noch sehr lebendig: Vielleicht ist die Demokratie letzten Endes gar nicht so wichtig? Vielleicht kann man die Freiheit etwas einschränken, wenn uns dafür jemand ein anständiges Lebensniveau anbietet. Das genau ist es, was Andrej Babiš tut und ebenso auch Milos Zeman.

Welchen Weg würde Tschechien innerhalb der EU einschlagen, wenn Babiš an die Macht kommt?

Die Kombination aus Andrej Babiš und der noch unreifen Demokratie, wie wir sie hier in Tschechien haben, und dem unreifen Verständnis vom Rechtsstaat, das ist eine explosive Kombination – vor allem wenn Babiš als Regierungschef im Tandem mit Präsident Milos Zeman steht, der auch ein geringes Verständnis von dem hat, wie eine liberale Demokratie funktioniert und dieser sogar stellenweise große Verachtung entgegenbringt. Wenn dieses Duo an die Macht kommt, kann das für Tschechien ernste Folgen haben. Schon deshalb, weil beide zwar nach außen verkünden, dass sie nichts gegen die EU haben, tatsächlich aber verkappte Anti-Europäer sind. Ich glaube, wir würden zwar eine mildere Form dessen erleben, was in Polen und Ungarn vor sich geht. Aber auf jeden Fall wäre es nicht gut für Tschechien.

Heißt: Unter Babiš wäre dann auch in Tschechien der Nationalismus weiter auf dem Vormarsch?

Nationalismus ist im gesamten Visegrad-Raum latent. Aber der tschechische Nationalismus ist defensiv. Wir haben hier eher einen abwehrenden Nationalismus: Lasst uns in Ruhe, wir möchten zwischen der großen Geschichte einfach so durchrutschen. Und wenn jemand wie Babiš kommt und sagt: Schaut mal, für so eine Politik braucht ihr gar nicht das ständige Gestreite, ihr braucht einfach jemanden, der euch als Fährmann sicher durch die Wellen bringt – und als erfolgreicher Großunternehmer hat er ja schon gezeigt, dass er das kann. Dieser "Experten-Populismus", wie ich das nenne – also die Ansicht, dass die Politik versagt hat und ich bin Experte, weil ich als Großunternehmer eine Firma geleitet habe und der Staat sollte wie eine Firma funktionieren –, dieser Typ von Populismus liegt den Tschechen eher als der streng nationalistische, den wir in Ungarn und Polen sehen.

Über dieses Thema berichtet MDR im TV auch in "Heute im Osten": 19.05.2017 | 17:45 Uhr

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