Polens Filmförderung im Visier der Regierung

31. Mai 2018, 12:16 Uhr

Seit ihrem Amtsantritt 2015 krempelte die nationalkonservative Regierung die polnische Kulturlandschaft um. Nun will sie die international geschätze Filmbranche auf Kurs bringen. Doch es regt sich Widerstand.

"Wir glauben, dass Regierungen der Kultur dienen sollen und nicht die Kultur den Regierungen." Mit diesen eindringlichen Worten schließt ein kürzlich veröffentlichter offener Brief der Europäischen Filmakademie (EFA). Verfasst hat ihn der deutsche Regisseur und EFA-Direktor Wim Wenders. Adressat war der polnische Kulturminister Piotr Gliński.

Personalie im Spannungsfeld von Kunst und Politik

In dem Schreiben wirft Wenders der polnischen Regierung unverhohlen vor, die heimische Filmbranche mit rechtlich fragwürdigen Mitteln politisch auf Kurs bringen zu wollen. Auslöser der öffentlichen Kampfansage der Akademie, die Europas Filmemacher vertritt, war die Entlassung von Magdalena Sroka, der Leiterin des polnischen Filmförderinstituts (PISF).

Die geschasste Instituts-Chefin war nach einem monatelangen Kleinkrieg vom Kulturminister Gliński gefeuert worden. Der hat damit seine Kompetenzen überschritten, so der Vorwurf der EFA. Die öffentliche Kritik ist der Höhepunkt eines zwei Jahre schwelenden Kulturkampfes zwischen der Regierung und der polnischen Kulturszene. Dabei geht es um Geld, historische Deutungshoheit und vor allem politische Macht.

Propaganda im Dienste der PiS

"Es geht nicht nur um die Filmbranche, sondern die gesamte polnische Kulturszene. Theater und Museen wurden bereits von der Regierung übernommen. Die verbreiten jetzt Propaganda", urteilt Joanna Kiliszek von der Akademie der Künste Warschau. Die Kulturmanagerin war von 2001 bis 2006 Leiterin des polnischen Instituts in Berlin und ist eine ausgewiesene Kennerin der polnischen Kulturszene.

Mehrfach hatte die Regierung seit ihrer Amtsübernahme unliebsame Führungskräfte aus staatlichen Kulturinstitutionen gedrängt oder versucht, Ausstellungen und Aufführungen zu verhindern. Denn für die PiS ist Kunst und Kultur ein Teil ihrer nationalistischen Identitätspolitik. Gliński formulierte diese bereits im November 2015.

So forderte der Kulturminister damals bereits Filme, die in Hollywoodmanier die Heldentaten der polnischen Nation behandelten und ein patriotisches Geschichtsbild vermitteln. Dieses würde der Gesellschaft laut Gliński helfen, "auf der Weltbühne zu gewinnen, oder zumindest nicht zu verlieren: wirtschaftlich, wie politisch."

Posse um Filmausstrahlung im staatlichen TV

Die traditionsreiche polnische Filmbranche hat dafür besondere Bedeutung. Heimische Großproduktionen locken Millionen Menschen in die Kinos. Außerdem genießt der polnische Filme international einen ausgezeichneten Ruf. Erst 2013 gewann das Drama "Ida" den Oscar als bester ausländischer Film. Pikanterweise thematisierte dieser ausgerechnet polnischen Antisemitismus - ein Thema, das gar nicht in das von der PiS gepflegte historische Narrativ vom polnischen Opfer- und Heldenvolk passt.

PiS-Politiker brandmarkten den Film daher als "antipolnisch". Nur war bereit eine Ausstrahlung im polnischen Staatsfernsehen geplant, als sie an die Macht kamen. Das führte zu einer absurden Ausstrahlung, bei der der preisgekrönte Film mit einem "historischen Kommentar" untertitelt wurde, der dessen "Fehler" thematisierte. Um solche Krücken künftig nicht mehr zu brauchen, schielt die PiS bereits seit geraumer Zeit auf die staatliche Filmförderung PISF.

Institutsübernahme durch Personalpolitik

Ohne deren Geld kann kaum ein polnischer Film produziert werden. Über die Auswahl und Finanzierung der Filme bestimmen Expertengremien. Außerdem verfügte die bisherige PISF-Leiterin Magdalena Sroka über einen eigenen Geldtopf, der frei von politischer Einflussnahme war. Und so betreibt die PiS seit 2015 Personalpolitik innerhalb der PISF, erklärt Kulturmanagerin Kiliszek: "In die Gremien wurden neue Leute gesetzt, die PiS-treu sind und eine bestimmte Ideologie und eine sehr bestimmte historische Sicht haben."

In den wenigsten Fällen seien das aber Filmexperten, sagt Kiliszek: "das sind fachfremde Opportunisten." Seit 2015 hätten diese immer wichtigere Positionen übernommen. Bislang stand dem Institut mit Sroka aber weiter eine PiS-kritische Direktorin vor. Die ist nun weg. "Jetzt kommt die Zeit, in der sie alles übernehmen wollen," meint Kulturmanagerin Kiliszek.

Polnischer Geschichtslehrer 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

2018: politisches Entscheidungsjahr mit historischer Bedeutung

Gerade noch rechtzeitig für die Regierung, erklärt sie weiter: "2018 steht das hundertjährige Jubiliäum der polnischen Unabhängigkeit an. Das will die Regierung instrumentalisieren, um sich politisch zu profilieren. Denn im gleichen Jahr stehen wichtige Gemeindewahlen in den polnischen Großstädten an, die eher gegen die PiS sind." Patriotische Filme sollen der Regierung im Wahlkampf helfen, so Kiliszeks Vermutung.

Doch dabei muss die PiS mit Gegenwind rechnen. Neben der Europäischen Filmakademie kritisieren auch heimische Filmemacher die Regierung öffentlich, etwa die international bekannte Regisseurin Agnieszka Holland. Auch innerhalb der PISF scheint man sich nicht geschlagen zu geben. So beschlossen die Gremien diese Woche eine Millionenförderung für ein Drehbuch von Robert Gliński. Der Direktor der renomierten Filmhochschule Łódź ist der Bruder des Kulturministers Piotr Glińsk. Über den sagte er im vergangenen Jahr noch öffentlich: "Mein Bruder ist ein Idiot!"

Über dieses Thema berichtete der MDR auch in: Heute im Osten - Reportage | 22.04.2017 | 18:00 Uhr