Die albanische Flagge mit einem Fussball
Bildrechte: Colourbox.de

Nebenschauplatz: Fußball in Albanien

15. Juni 2016, 12:26 Uhr

Der Jubel war groß in der albanischen Hauptstadt Tirana, als klar war, dass die Nationalmannschaft nach dem Sieg im letzten Qualifikationsspiel gegen Armenien zur EM-Endrunde nach Frankreich fahren würde. Eine Premiere für den kleinen Balkanstaat. Und immerhin hatte man in der Qualifikationsgruppe die klar favorisierten Dänen und auch Serbien hinter sich gelassen. Gegen sie hatte Albanien im Hinspiel einen 3: 0-Sieg errungen, jedoch nicht auf dem Platz, sondern vor dem Internationalen Sportsgerichtshof. Das hochbrisante Spiel der verfeindeten Nationen im Oktober 2014, das ohne albanische Fans stattfand, war in der 42. Minute abgebrochen worden - serbische Fans hatten den Platz gestürmt und die albanischen Spieler vom Rasen vertrieben.

Dem vorausgegangen war eine albanische Provokation: Urplötzlich war aus dem Belgrader Nachthimmel eine Drohne über dem Spielfeld aufgetaucht, an der eine Flagge des einstigen Großalbaniens hing, das Teile von Mazedonien, Griechenland, Montenegro und Serbien umfasste. Auf diese Gebiete erheben albanische Nationalisten nach wie vor Anspruch. Dieser Zwischenfall hatte die lange Geschichte albanisch-serbischer Feindschaft, die 1999 im Kosovo-Krieg gipfelte, auf den Fußballplatz gebracht.

Gesittete Zuschauer in den Fußballstadien

Zu sozialistischen Zeiten war Albanien ein hermetisch abgeriegeltes Regime strengen stalinistischen Zuschnitts. Zwischen 1944 und 1985 wurde es vom Enver Hoxha mit harter Hand regiert. Hoxha wähnte sich von Feinden umzingelt, zu denen er neben dem kapitalistischen Westen auch die Sowjetunion zählte, nachdem diese 1968 in Prag einmarschiert war. Auch Titos Jugoslawien warf er imperialistische Ambitionen vor. Die Angst vor einer Invasion war so groß, dass Hoxha Hunderttausende Bunker überall im Land bauen ließ.

Nach Innen wurde jede Art von Opposition und Abweichung von der offiziellen Parteilinie unterdrückt und hart bestraft. Die Sigurimi, die albanische Geheimpolizei, war allgegenwärtig. Sie hatte dafür zu sorgen, dass die Menschen dem Idealbild eines Kommunisten entsprachen – gesittet und ordentlich. Diese Leitlinie galt auch für den Fußball. Zu Hoxhas Zeiten waren Fußballspiele von den Zuschauern entsprechend ruhig verfolgt worden, auch wenn Fußball überaus populär war. Es heißt, für Fangesänge, selbstgebastelte Mannschaftsschals oder Plakate habe man langjährige Gefängnisstrafen riskiert. All dies galt nämlich als Ausdruck westlich-dekadenten Lebensstils. Eine albanische Fanszene konnte sich denn auch erst mit dem Zusammenbruch des Regimes 1990 entwickeln.

Mit Fußball lässt sich kein Geld verdienen

Die Anzahl der Mannschaften in der albanischen Liga variierten immer wieder. 1952 etwa spielten 21 Mannschaften um den Titel. Heute sind es 10, wobei die beiden Hauptstadtklubs K. F. Tirana und Partizani Tirana die Liga dominieren. Dass in Albanien mit Fußball kein Geld zu verdienen ist, wird deutlich, wenn man den Kader der Nationalmannschaft anschaut. Nur zwei der EM-Teilnehmer spielen in der einheimischen Liga, und zwar die beiden Ersatztorhüter. Der Rest der Kicker verdient sein Geld im Ausland. Allerdings zumeist bei kleinen Vereinen in unteren Ligen.  

Bruder des Präsidenten soll die Drohne gesteuert haben

Für Albanien ist die EM-Teilnahme der bisher größte sportliche Erfolg. Doch gerade das Skandalspiel gegen Serbien warf einen Schatten darauf. Offenbart es doch starke nationalistische Strömungen auf allen Ebenen der albanischen Gesellschaft. Es heißt, Olsi Rama, Bruder des albanischen Premiers, würde hinter der Provokation in Belgrad stecken. Er soll die Drohne aus einer VIP-Lounge heraus gesteuert haben. Rama bestritt das stets.

An ihn schlossen sich später jede Menge emotionaler Reaktionen auf beiden Seiten an. Während die albanische Mannschaft bei ihrer Rückkehr in Tirana bejubelt wurde, wurden in Serbien albanische Flaggen verbrannt. Und der hochrangige Funktionär des serbischen Fußballbundes Goran Milanovic wurde von der Belgrader Zeitung "Informer" mit den Worten zitiert: "Stellen Sie sich nur mal eine Situation vor, in der Israel Deutschland in Tel Aviv empfängt und jemand eine Hakenkreuzfahne mit dem Kopf Adolf Hitlers entrollt. Etwas Ähnliches hat sich gestern Abend im Partisan-Stadion ereignet."

Albanien fährt nach Frankreich

Das emotional hoch aufgeladene Rückspiel zwischen Albanien und Serbien fand übrigens ein Jahr später, im Oktober 2015, in der kleinen Arena der albanischen Stadt Elbasan statt. Diesmal waren Fans aus Serbien ausgeschlossen. Auf dem Weg vom Flugplatz ins Hotel wurde der Bus des serbischen Teams mit Steinen beworfen. Während des Spiels waren mehr als 1.500 Polizisten im Einsatz und es blieb alles ruhig. Die Serben gewannen 2:0. Doch der Sieg nützte ihnen nichts mehr. Albanien hatte weit mehr Punkte auf seinem Konto und belegte hinter Portugal den zweiten Platz in der Qualifikationsgruppe.