Gabriel im Baltikum Dissenz ist absehbar

12. Mai 2017, 10:20 Uhr

Anfang des Jahres sind hunderte Bundeswehrsoldaten nach Litauen verlegt worden, um die Ostflanke zu stärken. Außenminister Gabriel wird den neuen Stützpunkt für die Truppe in dieser Woche besuchen. Doch die baltischen Staaten wünschen sich noch mehr militärisches Engagement - bei Gabriel werden sie da wohl auf taube Ohren stoßen.

Um das Thema Sicherheit an der Nato-Ostflanke geht es Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf seiner ersten Osteuropa-Reise im Baltikum. Der SPD-Politiker ist dabei zunächst in Estland unterwegs, am Mittwoch und Donnerstag folgt ein Besuch in Lettland und Litauen. Vom Auswärtigen Amt hieß es im Vorfeld, von der Reise solle das Signal ausgehen, dass Deutschland "in Sicherheitsfragen an der Seite der baltischen Partner" stehe.

Bundeswehrstützpunkt im litauischen Rukla

Die Nato verlegt seit Jahresbeginn größere Truppenverbände an ihre Ostflanke. Deutschland führt dabei ein Bataillon in Litauen an, rund 450 Bundeswehrsoldaten wurden im Februar zum litauischen Stützpunkt Rukla verlegt, ebenso Schützen- und Kampfpanzer. Gabriel wird die Truppe am Donnerstag besuchen. Die drei baltischen Staaten befürchten einen Angriff aus Russland. Immer wieder warnen Politiker aus den drei postsowjetischen Ländern vor einem ähnlichen Szenario wie in der Ukraine.

Gabriel stellt Zwei-Prozent-Ziel infrage

Außenminister Sigmar Gabriel
Außenminister Gabriel Mitte Februar auf Münchner Sicherheitskonferenz Bildrechte: Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)/Hildenbrand

Außenminister Gabriel wird sich auf seiner Reise im Baltikum, die ihn anschließend noch in die Ukraine führt, auch auf kritische Fragen seiner Amtskollegen einstellen müssen, was die Erhöhung der Verteidigungsausgaben angeht. Die Nato-Länder hatten vereinbart, bis 2024 mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Gabriel hält dieses Ziel für unrealistisch.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte er kürzlich, er wisse nicht, wo das nötige Geld in kurzer Frist herkommen sollen. Zugleich argumentierte er, dass Deutschland eine Milliardensumme in die Flüchtlingshilfe investiere und damit seinen Beitrag zur Stabilisierung in der Welt leiste. Aus Sicht der baltischen Staaten ist dies aber eine umstrittene Rechnung. Die Regierungen in Estland, Lettland und Litauen wollen lieber, dass Berlin in den Militärbereich investiert. Während Estland für die Verteidigung schon mehr als zwei Prozent des BIP ausgibt, liegen Lettland und Litauen aber selbst noch darunter.

Fake News - ein Thema der Reise

Auf seiner Reise will sich Gabriel auch mit der Abwehr von gezielten Desinformationskampagnen aus Russland befassen. Estland hat einen russischsprachigen Sender gegründet, damit die russische Minderheit im Land ihre Informationen nicht nur von Moskauer Sendern bezieht. Litauen hatte einzelne russische Sender sogar abgeschaltet, sie vollständig zu verbieten, wurde vom Parlament aber abgelehnt. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man wolle "gemeinsam mit den baltischen Partnern, aktiv und proaktiv gegen Desinformationen vorgehen".

E-Mail mit falschem Inhalt

Einen Vorgeschmack, wie schnell sich Fake News verbreiten, bekam die deutsche Regierung Mitte Februar in Litauen zu spüren. Kurz nach Ankunft deutscher Bundeswehrsoldaten auf ihrem neuen Stützpunkt in Rukla ging bei litauischen Parlamentsvertretern eine E-Mail ein, dass deutsche Soldaten ein Mädchen vergewaltigt hätten. Die mit Details gespickte E-Mail war von einigen kleinen litauischen Medien veröffentlicht worden. Die Regierungen Litauens und Deutschlands ließen die Vorwürfe umgehend prüfen. Ergebnis: Einen solchen Vorfall hat es nie gegeben. Wer die E-Mail mit gefälschtem Absender und falschem Inhalt abgesetzt hat, ist bis heute ungeklärt.

Baltikum und Russland Estland und Lettland grenzen direkt an Russland, die russische Minderheit macht in beiden Ländern rund ein Viertel der Bevölkerung aus. In Litauen sind knapp fünf Prozent der Einwohner Russen. Das Land grenzt an die russische Exklave Kaliningrad. Die Regierung in Moskau hat nach eigenen Angaben atomwaffenfähige Kurzstreckenraketen in Kaliningrad stationiert.