Gustav Gressel
Bildrechte: Gustav Gressel

Schadensbegrenzung auf Deutsch

06. Januar 2017, 16:04 Uhr

Deutschland hatte 2016 den OSZE-Vorsitz inne. Wie sind dessen Versuche, die Ukraine-Krise beizulegen, zu bewerten? Wir haben Gustav C. Gressel vom Thinktank "European Council on Foreign Relations" gefragt.

Offensichtliche Fortschritte gab es bei den Versuchen, die Ukraine-Krise beizulegen, bekanntlich nicht. Was hat die OSZE konkret unter dem deutschen Vorsitz 2016 erreicht?

Das ist schwer zu sagen, denn das Hauptaugenmerk des deutschen OSZE-Vorsitzes lag eher bei der Schadensvermeidung. In erster Linie war man damit beschäftigt, den diplomatischen Prozess in der OSZE und den Minsker Arbeitsgruppen nicht abreißen zu lassen. Das zumindest ist gelungen. Allerdings haben sich auch keine Chancen oder Durchbrüche in der Konfliktlösung ergeben.
Die deutsche Ratsführung war durchaus bemüht, durch eigene Vorschläge den diplomatischen Ball im Spiel zu halten. Man war zum Teil in der öffentlichen Kommunikation dieser Initiativen etwas hölzern, aber in der Substanz versuchte man recht nachvollziehbare Verbesserungen der OSZE zu erreichen: mehr Beobachter, besseres Mandat, erhöhter Selbstschutz, ungehinderter Zugang und bessere technische Mittel. Dass man da meistens am Veto Russland scheiterte, ist der deutschen Vorsitzführung kaum vorzuwerfen. Der Zwang zur Einstimmigkeit ist eines der großen Probleme der OSZE, das ist leider Teil der Realität.

Woran liegt es, dass es kaum zählbare Erfolge in diesem Konflikt gibt?

Das liegt in erster Linie an den gegensätzlichen Interessen Russlands einerseits und Kiews und des Westens andererseits. Moskau möchte sich in keiner Weise zu Zusagen oder Veränderungen verleiten lassen, die die eigene Handlungsfreiheit im Donbass beeinträchtigen könnten – etwa Wahlen mit ukrainischer Beteiligung und internationaler Überwachung. Hingegen will man sich die Freiheit lassen, die administrativen Strukturen und Personalbestand selbst zu kontrollieren und zu bestücken, beziehungsweise das hinter Scheinwahlen zu tarnen.

Bisher war Moskau bemüht, dementsprechend Vorschläge zu formulieren, die für Kiew inakzeptabel waren und die entsprechenden Widersprüche Kiews dann geschickt in Europa als "Unwillen Kiews" zu verkaufen. Insbesondere in Italien, Frankreich und Österreich hatte diese Desinformationstaktik Erfolg.

Was können wir von Österreich als neuer OSZE-Führung erwarten?

Nicht viel. In Kiew steht Österreich unter dem Generalverdacht, auf der russischen Seite zu stehen: Österreich kooperiert beispielsweise nicht mit ukrainischen Ermittlungsbehörden oder der Nationalbank bei der Aufklärung von Korruption und Geldwäsche. Viele Oligarchen mit Beziehungen zu Ex-Präsident Janukowitsch haben ihr Geld in Wien geparkt. Das schafft Misstrauen in Kiew und das wird sich auch zeigen. Zudem hat Deutschland diplomatisch ein anderes Gewicht gegenüber Moskau. Österreich hat kein Gewicht, etwas zu bewegen, und wird im Ukraine-Konflikt nicht als neutral empfunden.

Dr. Gustav Gressel arbeitet als Osteuropa-Experte für den Thinktank „European Council on Foreign Relations“ (ECFR). Zuvor war er im österreichischen Verteidigungsministerium im Bereich Internationale Sicherheit und Strategie beschäftigt. Der 2007 gegründete ECFR beschäftigt sich mit Analysen zur europäischen Außen- und Sicherheitspolitik und finanziert sich neben Geldern von europäischen Regierungen (u.a. Dänemark, Deutschland und Slowakei) auch über private Stiftungen (etwa Bosch und Mercator).