Interview Russlands Autobranche: Eine vernachlässigte Industrie

27. Oktober 2016, 12:12 Uhr

Vor welchen Herausforderungen steht die russische Autoindustrie? Als Experte für Russland spricht Albrecht Köhler auf dem internationalen Automobilkongress in Zwickau. Er war bis Mai 2016 Top-Manager bei Russlands größtem Automobilhersteller, der GAZgroup. Wir haben vorab ein Interview mit ihm geführt.

Welche konkreten Probleme hat der russische Automarkt?

Die gleichen wie die gesamte Ökonomie Russlands: Einen niedrigen Ölpreis und die Sanktionen, vor allem die Sanktionen der Banken. Des Weiteren fehlen Auslandsinvestitionen zur Erneuerung der Wirtschaft.

Vor welchen Herausforderungen steht die Autoindustrie in Russland?

Russland hat sich in den letzten 25 Jahren überwiegend auf die Öl- und Gasexploration konzentriert und die Industrie vernachlässigt. Die Industriekonglomerate der Fahrzeughersteller sind veraltet und es fehlt das Geld zur Erneuerung, um auf westlichen Stand zu kommen.

Albrecht Köhler
Bildrechte: Albrecht Köhler

Außerdem fehlt eine leistungsfähige Zulieferindustrie: Weil die Hersteller früher alles selbst produziert haben, jetzt aber völlig veraltete Fertigungsbereiche haben und keiner bereit ist, diese zu übernehmen. Die Hersteller entwickeln zunehmend moderne Fahrzeuge und müssen dazu teure Komponenten aus dem Westen oder Asien importieren. Westliche Lieferanten sind mannigfaltig in Russland präsent, scheuen aber eine Lokalisierung ihrer Komponenten aufgrund des schwachen Marktes und der Rechtsunsicherheit.

Wie wird die russische Automobilindustrie zukunftsfähig?

Russland benötigt Direktinvestitionen, auch aus dem Westen, um die oben genannten Probleme zu beseitigen. Dies kann aber nicht ohne Beseitigung der ökonomischen Hemmnisse funktionieren.

In welchen Technologien sehen Sie die Zukunft?

Die russische Automobilindustrie muss den Spagat schaffen, die alten Technologien aufzuholen und gleichzeitig mit den neuen Technologien unmittelbar zu beginnen. Beispiele dafür sind autonomes Fahren, Elektrifizierung und Konnektivität.

Einst schwerfällig, heute teils preisgekrönt Osteuropäische Nutzfahrzeuge

Einst galten Nutzfahrzeuge aus dem Osten zwar als robust, doch auch als schwerfällig und plump. Diese Zeiten sind lange vorbei. Auf der "IAA" 2016 wurde etwa ein Elektrobus aus Polen als "Bus des Jahres" ausgezeichnet.

E-Bus Solaris Urbino
Fast lautlos und abgasfrei - der polnische Elektrobus Solaris Urbino electric 12. Auf der "Internationalen Automobil-Ausstellung" für Nutzfahrzeuge in Hannover wird er als "Bus des Jahres 2016" prämiert. Bildrechte: DVB AG
E-Bus Solaris Urbino
Fast lautlos und abgasfrei - der polnische Elektrobus Solaris Urbino electric 12. Auf der "Internationalen Automobil-Ausstellung" für Nutzfahrzeuge in Hannover wird er als "Bus des Jahres 2016" prämiert. Bildrechte: DVB AG
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Russland GAZ- Nutzfahrzeuge mit Tradition

Die GAZ-Werke in Russland produzieren seit 1932 PKW, Busse und Lastkraftwagen. Der Hersteller aus Nischnij Nowgorod ist nach wie vor im Geschäft und versucht mit zeitgemäßen Fahrzeugen zu punkten.

HIO Autos Gaz
Gorkowski Awtomobilny Sawod - bekannter unter dem Kürzel GAZ - baut seit 1932 PKW, Busse, Lastkraftwagen und Militärfahrzeuge. Mit dem selbstentwickelten Transporter "GAZelle" landete der russische Hersteller nach dem Zerfall der Sowjetunion einen Topseller. Im Bild das Modell "GAZelle NEXT". Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
HIO Autos Gaz
Gorkowski Awtomobilny Sawod - bekannter unter dem Kürzel GAZ - baut seit 1932 PKW, Busse, Lastkraftwagen und Militärfahrzeuge. Mit dem selbstentwickelten Transporter "GAZelle" landete der russische Hersteller nach dem Zerfall der Sowjetunion einen Topseller. Im Bild das Modell "GAZelle NEXT". Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
HIO Autos Gaz
Gibt es auch mit Kofferaufsatz und ... Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
HIO Autos Gaz
... als Pritsche. Die Wagen der NEXT-Serie werden auch in etliche EU-Länder exportiert. Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
HIO Autos Gaz
GAZ produziert auch Busse. Mehr noch: Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Russlands größter Bus-Hersteller. Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
HIO Autos Gaz
Gebaut von der Uralski Awtomobilny Sawod -kurz UralAZ: Der URAL. Heute gehört UralAZ zur GAZ-Gruppe. Früher als extreme Spritfresser bekannt, gehen die LKW heute mit neuen, etwas sparsameren Motoren ins Rennen. Im Bild ein "Ural NEXT fuel tender". Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
HIO Autos Gaz
Die Ural-LKW gibt es in verschiedenen Ausführungen - auch als Kipper. Im Bild der "Ural-5557". Bildrechte: Gorkowski Awtomobilny Sawod (GAZ)
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