"Scheut euch nicht, die Online-Aktivitäten eurer Kinder zu kontrollieren!"

17. März 2017, 16:45 Uhr

Sergej Pestows Tochter war dem Online-Spiel "Der Blaue Wal" verfallen und nahm sich das Leben. Pestow hat eine Selbsthilfegruppe gegründet, um andere Eltern aufzuklären.

Sie haben das "Zentrum zur Rettung von Kindern vor Cyber-Kriminalität" gegründet. Was ist das genau?

Wir haben das Zentrum im Februar vergangenen Jahres nach dem Tod unserer Kinder gegründet. Unsere Elterninitiative hat mittlerweile mehr als 150 Mitglieder. Das sind alles Eltern, deren Kinder gestorben sind, nachdem sie in Todesgruppen im Internet aktiv waren. Hinzu kommen mehr als 600 Freiwillige, die uns helfen. Die sitzen am Computer und agieren in den entsprechenden Gruppen. Sie suchen dort Kinder, die im Begriff sind, sich da zu verlieren, und übergeben sie die Infos den Strafverfolgungsbehörden und den Eltern, damit diese Bescheid wissen, was ihre Kinder im Netz machen und etwas unternehmen können. Hinzu kommt, dass wir uns bemühen, medizinische Hilfe zu organisieren. Die betroffenen Kinder müssen zu Psychologen geschickt werden.

Auch Ihre Tochter hat sich das Leben genommen, nachdem sie in einer dieser Todesgruppe im Internet aktiv war. Sie hat das Online-Spiel "Der Blaue Wal" gespielt …

Man muss erst einmal begreifen, was das für eine Erscheinung ist. Das ist Mord! Nicht Selbstmord, sondern Mord. Mit Hilfe von Psychologie. Es ist in diesem Alter natürlich sehr schwer für Eltern nachzuvollziehen, was in ihren Kindern vorgeht. Das ist die Pubertät. Mein Mädchen war 16. Aber natürlich gibt es Anzeichen, dass das eigene Kind in so eine Gruppe geraten ist. Wenn es zum Beispiel mitten in der Nacht aufsteht oder abnehmen will. Oder an Armen und Beinen oder anderen Stellen am Körper Wunden hat. Das ist mittlerweile schon eine Massenbewegung, eine Art Subkultur.

Gab es bei Ihrer Tochter Signale, dass sie sich verändert hat?

Es beginnt eigentlich alles mit einem Chat und dann nimmt die Tragödie ihren Lauf. Das Kind kapselt sich von seinen Klassenkameraden ab, von den Eltern, von der Umwelt. Und hat das Gefühl, dass es von niemandem gebraucht wird. In diesen Todesgruppen wird diese Stimmung noch verstärkt. Und in diese Leere tritt dann ein Mensch, der sich zum Ziel gesteckt hat, das Kind in den Tod zu führen. Und deswegen sage ich noch einmal: Das ist dann kein Selbstmord mehr. Das ist Mord!

Welche Möglichkeiten haben Eltern zu erkennen, dass ihnen das eigene Kind entgleitet?

Ich möchte allen Eltern sagen: Scheut euch nicht, zu kontrollieren, was eure Kinder sich im Internet anschauen! Schaut euch an, auf welchen Seiten sie waren. Für Smartphones gibt es Programme, um den Zugang zu bestimmten Seiten zu sperren, die nicht für Kinder geeignet sind. Schaut, wann euer Kind online ist. Denn in diesen Online-Spielen müssen sie sehr zeitig aufstehen, um dann bestimmte Filme zu schauen, Bücher zu lesen oder Musik zu hören, die destruktiv auf Kinder wirken. Beschränkt die Zeit, die eure Kinder im Netz verbringen dürfen! Fast alle Studien beweisen, dass es sich negativ auf die psychische Verfassung der Kinder auswirkt, wenn sie zu viel Zeit im Netz verbringen. Sie nehmen die Außenwelt dann falsch wahr. Und: Verbringt viel Zeit mit euren Kindern in der realen Welt!