Rumänien Der Präsident und der Elefant im Raum

03. Februar 2017, 16:11 Uhr

Nach langen Anlaufschwierigkeiten scheint der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis neuerdings zu Höchstform in seinem Amt als rumänischer Staatschef aufzulaufen. Das macht ihn jedoch in den Augen der frisch gewählten Regierung zum unbeliebten Widersacher. Die würde sich seiner am liebsten entledigen.

Die englische Floskel "Es ist ein Elefant im Raum" ist auch für Rumänen ein geflügeltes Wort: Es steht für ein auffallend großes Problem, über das am liebsten niemand redet. Staatschef Klaus Johannis sprach dieser Tage ganz und gar von "zwei Elefanten im Raum". Er hatte Mitte Januar überraschend an einer Regierungssitzung teilgenommen, um die Öffentlichkeit für zwei umstrittene Eilerlässe zu sensibilisieren, die den Antikorruptionskampf im Land deutlich schwächen werden. Mit seinem Auftritt konnte Johannis den Vorstoß kurzzeitig verhindern. Das rumänische Nachrichtenportal "Hotnews" lobte ihn daraufhin in den höchsten Tönen: Johannis habe sich radikal verändert, seine Apathie abgestreift, sich in einen aktiven Präsidenten verwandelt. Darauf haben Millionen seiner Landsleute lange gewartet.

Siebenbürger Sachse ein "Muster an Pünktlichkeit"

Als Johannis 2014 für die Präsidentschaftswahl kandidierte, galt der Liberal-Konservative als Außenseiter, weil er als Lokalpolitiker ins Rennen ging. Ein Unbekannter war er dennoch nicht. Schließlich hatte es der Siebenbürger Sachse vor einem Jahrzehnt geschafft, dass seine beschauliche Heimatstadt Sibiu den Titel Kulturhauptstadt Europas bekam. Stille Anerkennung bekam er auch, weil er anders als seine Familie und ein Großteil seiner deutschsprachigen Minderheit nicht ausgewandert war. Der studierte Physiker unterrichtete vor seiner Politikkarriere zunächst am deutschsprachigen Gymnasium der Stadt. Kollegen, Freunde und Mitarbeiter beschreiben ihn in Medienberichten als "strukturierten Arbeiter", als "Muster an Pünktlichkeit" und als "sehr rational". Selbst wer ihn nicht kennt, erwartet von ihm Ehrgeiz, Gewissenhaftigkeit und Anstand - Tugenden, die man in Rumänien gerne den Deutschen zuschreibt.

Siebenbürger Sachsen Die ersten deutschen Siedler kamen im 12. Jahrhundert nach Siebenbürgen. Von einst 745.000 Deutschen in Rumänien (1930), sind heute nur noch weniger als 36.000 (Volkszählung 2011) im Land.

Zehn Prozent Vorsprung

In seinen Wahlkampfauftritten vor zwei Jahren wirkte der Siebenbürger Sachse aber hölzern, spröde - fast provinziell im Vergleich zum geschwätzigen Konkurrenten, dem damaligen Premier Victor Ponta, dem jedoch heftige Wahlpannen unterliefen. Johannis gelang daraufhin ein Überraschungssieg - mit einem Vorsprung von zehn Prozent, den ihm Soziologen nie zugetraut hätten. Nach der Stichwahl meinten viele, sie hätten lediglich für Johannis gestimmt, um Ponta abzustrafen. Kein leichter Start für den frisch gewählten Staatschef. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" versprach er, ein "harter Schiedsrichter" zu sein, der politisches Gehabe, das die Verfassung verletze, rügen werde.

Notar statt Offensivspieler

In der Tat wünschen sich viele Rumänen eine moralische Instanz für den Bukarester Politikbetrieb, der arrogant, durchtrieben und selbstgefällig ist. Doch fast die Hälfte seiner Amtszeit tat sich der 56-Jährige schwer mit seiner neuen Aufgabe. Spöttisch wurde der Rumäniendeutsche der "stumme Präsident" genannt, weil er bei wichtigen Themen schwieg oder nur knappe Statements auf seiner Facebook-Seite postete. So überraschend, wie er gewonnen hatte, so überraschend unbeholfen amtierte er. "Dilettant" nannte ihn vor gut einem Jahr "Spiegel Online" in einem Bericht, den die rumänische Presse umgehend zitierte.

Der Bukarester Politikexperte Cristian Pirvulescu sieht seinen Staatschef mit anderen Augen. Johannis habe sich in seinem neuen Amt "eher als Notar verstanden denn als Offensivspieler". Doch bliebe ihm jetzt keine andere Wahl, als sich buchstäblich einzumischen "angesichts der illiberal agierenden Bukarester Regierung, die den Rechtsstaat direkt angreift", meint Pirvulescu.

Auf Distanz zu Moskau

Die größten Befugnisse hat Johannis als mächtigster Mann in Rumänien jedoch in der Außenpolitik. Das südosteuropäische Land ist für die Europäische Gemeinschaft von geopolitischer Bedeutung. Der Schwarzmeer-Anrainer sichert einen Gutteil der EU-Außengrenze ab. In unmittelbarer Nachbarschaft liegen mehrere Ex-Sowjetrepubliken und Russland. Anders jedoch als Bulgarien und Ungarn geht Bukarest auf Distanz zu Moskau: Das Misstrauen rührt aus der eigenen Geschichte, in der man Russland immer wieder als Eroberer erlebte.

In Flüchtlingsfrage zwiegespalten

Johannis fährt deshalb einen pro-europäischen Kurs, oft ohne "Wenn und Aber". Eine Antihaltung, wie sie der ungarische Regierungschef Viktor Orbán gegen Brüssel bezieht, wäre bei dem Rumäniendeutschen undenkbar. Doch sei Johannis in seiner europäischen Haltung "defensiver" geworden, meint der Politologe Cristian Pirvulescu. Im September 2015 stimmte der Staatschef gegen die EU-weite Flüchtlingsquote, lenkte aber später ein - anders als seine Amtskollegen in Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Mit seiner doppeldeutigen Position in der Flüchtlingsfrage habe Johannis den "illiberalen Stil a la Orbán" in seinem Land mit hoffähig gemacht, meint Pirvulescu. Viele Rumänen sind entschieden dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen.

Hauptthema: Kampf gegen Korruption

Bei einem Thema aber zeigt sich Johannis unerschütterlich: beim Kampf gegen die Korruption. Erst kürzlich beklagte er sich über die politische Klasse seines Landes, die in der "Strafgesetzgebung herumwühlt, um die eigenen Strafakten zu säubern". Er wolle vielmehr "eine Nation stolzer und freier Menschen, die von kompetenten und integren Politikern geführt wird". Alles andere sei ihm zu wenig. Nur, wer soll das umsetzen? Die frisch gewählte sozial-liberale Regierung setzt alles daran, ihre korrupten Parteifreunde mittels Eilerlässen vor der gut funktionierenden Antikorruptionsbehörde DNA zu schützen. Und die Opposition im Parlament ist derzeit zu schwach, um die Regierungsmehrheit zu bremsen.

Ein Staatspräsident demonstriert mit dem Volk

Vor zwei Wochen mischte sich deshalb Johannis in Bukarest unter die Demonstranten eines Anti-Regierungsprotestes. Mit seinen rund 1,90 Meter war der Siebenbürger Sachse nicht zu übersehen. Ein protestierender Staatschef? Wo hat man das in Europa schon einmal erlebt? "Die Aktion war gewiss nicht verfassungskonform, doch hat Johannis damit viele Anhänger zurückgewonnen, die er in den vergangenen zwei Amtsjahren verloren hat", meint die Bukarester Rechtsexpertin Georgiana Iorgulescu.

Johannis droht Suspendierung

In der Tat könnte Johannis durch seine nonkonformistische Gangart an Beliebtheit zulegen. Längst ist er für die sozialliberale Regierung ein ungemütlicher Widersacher. "Beim Regierungsstil, den die Regierungspartei PSD derzeit den Tag legt, wird sie vermutlich versuchen, ihn des Amtes zu entheben", sagt Politikexperte Cristian Pirvulescu. Letztes Wort hätte hier aber das Volk in einem Referendum. Die Chancen, dass Johannis den Abstimmungstest bestehen würde, sind groß genug.


SemperOpernball ehrt Klaus Johannis mit St. Georgs Orden Zur Begründung heißt es von den Organisatoren: "Klaus Johannis beweist mit seiner Biografie und als rumänischer Präsident mit siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln, dass sich persönliche Identität, Haltung und leidenschaftlicher Einsatz für sein Land zum Besten verbinden lassen. Das macht ihn für uns zu einem Hoffnungsträger und Vorbild in schwierigen Zeiten."

Johannis nahm den Orden nicht persönlich entgegen. Er sagte den Besuch in Dresden aufgrund der derzeit angespannten Lage in Rumänien ab.

Johannis ist nicht der erste osteuropäische Ordensträger