Vitaly Klitschko: Kampf außerhalb des Rings

01. Oktober 2017, 14:41 Uhr

Vor drei Jahren wählten ihn die Kiewer zum Bürgermeister. Unter Vitaly Klitschko wurde die Stadt sauberer, viele Straßen sind saniert. Doch es mehren sich auch kritische Stimmen. Wir haben die Boxlegende in Kiew besucht.

Früher Boxweltmeister, heute Bürgermeister von Kiew: Vitaly Klitschko. Er ist zum Symbol der Stadt geworden, in der er früher selbst drei Jahre lang als Touristenführer gearbeitet hat. Er kennt Kiew, ihre Geschichte und die Entwicklungsmöglichkeiten: "Unsere Aufgabe muss es nun sein, das Potential zu nutzen und die Stadt wieder attraktiv zu machen", erzählt Klitschko.

Werben um Investitionen

Vitaly Klitschko
Vitaly Klitscho über die Stadtentwicklungs-Pläne. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Deshalb investiert die Stadt in Infrastruktur und Tourismus: Neue Wasserleitungen, moderne Busse und Straßenbahnen, all das habe man geschaffen. Allein in diesem Jahr wurden in Kiew 300 Kilometer Straßen erneuert - sogar behindertengerecht. Beim Investmentforum in der ukrainischen Hauptstadt wirbt Klitschko um potenzielle Geldgeber, erklärt dem Premierminister Hrojsman Kiews Zukunftspläne, gibt Interviews, wechselt je nach Situation zwischen Russisch, Ukrainisch, Englisch oder Deutsch, präsentiert und verkauft sich und seine Stadt: Man brauche unbedingt Investoren aus dem Ausland, erklärt Klitschko. Das sei jedoch nicht so einfach bei einem Land, bei dem viele zuerst an Krieg denken.

Gefühl der Veränderung

Ende November 2017 jähren sich die Demonstrationen auf dem Euromaidan in Kiew zum vierten Mal. Es war die Zeit, als der Boxweltmeister ganz vorne unter den Demonstrierenden stand. Der 46-Jährige hatte zunächst für das Präsidentenamt kandidiert, sich dann aber hinter den Milliardär Petro Poroschenko gestellt. Im Mai 2014 wurde er zum Bürgermeister von Kiew gewählt. Heute - Jahre später - sei das Leben viel besser und die Menschen hätten ein Gefühl von Veränderung, erzählt Klitschko. Doch noch immer müsse man mit dem schwierigen Erbe eines Systems umgehen, das "unflexibel, langsam und ab und zu korrupt" sei. Auch das müsse man ändern, so Klitschko bei unserem Besuch.

Mehr Autonomie für Kiew

Wenig später bei einer Stadtratsitzung: Klitschko wirbt für mehr Autonomie. Er will beim Ministerpräsidenten erreichen, die Abgaben Kiews an den Staat zu senken, und erklärt: "Wir brauchen kein zusätzliches Geld von der Regierung, sondern wollen nur unser eigenes behalten. Kiew gibt mehr Geld an den Staat als andere Regionen, das finden wir nicht fair." Die Abgeordneten stimmen dem Antrag Klitschkos zu.

Klitschkos Kritiker

Mann
Sergej Dorotich fordert die Abwahl von Klitschko. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch längst nicht alles ist auf gutem Weg: Die Kosten für Strom und Wasser fressen die kleinen Renten in Kiew auf. Bei einem Durchschnittslohn von etwa 250 Euro sind selbst die, die arbeiten, auf staatliche Unterstützung angewiesen. Fünf Millionen Menschen leben in Kiew, inoffiziell wohl sogar sieben.

Und nicht alle sind mit Klitschkos Politik zufrieden: Der Bürgermeister kümmere sich nicht genug um die wahren Probleme der Stadt und ignoriere mittelständische Unternehmer, findet Sergej Dorotich, der selbst eine Fensterbaufirma leitet. Und während die Stadt immer weiter wachse, versänken die Straßen nicht nur im täglichen Stau, sondern auch im Wasser, erzählt Dorotich und zeigt uns Bilder von Überschwemmungen. "Die Kanalisation hat das Regenwasser nicht aufgenommen. Aber warum - man kann nicht immer nur neue Häuser bauen, ohne in die Kanalisation zu investieren. Man kann nicht immer neue Hochhäuser bauen, ohne an Schulen und Kindergärten zu denken", so Dorotich. Der Unternehmer hat deshalb Unterschriften für die Abwahl Klitschkos gesammelt. 118.000 Menschen haben unterschrieben.

Mission-Klitschko

Vitaly Klitschko
Vitaly Klitschko im Interview mit dem MDR. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Als wir Klitschko in seinem Arbeitszimmer auf seine Kritiker ansprechen, bleibt er gelassen. Er hat schließlich gelernt, Dinge an sich abprallen zu lassen. "Wissen Sie, als Weltmeister mag dich jeder, als Politiker nicht. Ich kann nicht sofort alle Erwartungen erfüllen, aber ich gebe mir Mühe."

Dann kommt Klitschko zu seinen Plänen und verweist auf die vielen historischen Gebäude und die Geschichte der Stadt: "Meine Mission ist es, das Potential von Kiew zu entwickeln", sagt Klitschko entschlossen. Er wolle für Kiew als moderne europäische Stadt eintreten. "Doch leider sind wir noch weit von europäischen Lebensstandards entfernt. Meine Aufgabe ist es, das zu ändern", gibt sich der ehemalige Boxweltmeister kämpferisch.

Über dieses Thema berichtete MDR HEUTE IM OSTEN auch in MDR AKTUELL im: TV | 29.09.2017 | 17:45 Uhr