Erinnerung an die Verhängung des Kriegsrechts

13. Dezember 2016, 13:40 Uhr

Am 13. 12. 1981 wurde das Kriegsrecht verhängt und Solidarnosc verboten. Heute sehen sich sowohl die PiS als auch die Opposition in ihrer Tradition. Auf getrennten Veranstaltungen gedenken sie der damaligen Ereignisse.

Genau 35 Jahre ist es her, dass Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht verhängte. Armee und Polizei verhafteten nach vorbereiteten Listen mehr als 3.000 Menschen. Panzer fuhren in den großen Städten auf, Soldaten besetzten Behörden und Betriebe. Die Grenzen wurden geschlossen, Versammlungen verboten und eine Ausgangssperre verhängt. Damit endete das bisschen Freiheit, dass sich die Polen in den Monaten zuvor erkämpft hatten. 

Die Gewerkschaft Solidarnosc war erst im Sommer 1980 gegründet worden, aber innerhalb weniger Monate zu einer Massenbewegung herangewachsen, die eine reale Bedrohung für die kommunistischen Machthaber darstellte. Die brutale Niederschlagung der Proteste war die Reaktion. 

Zwei unversöhnliche politische Lager

Heute erinnert ein riesiges Banner am Gebäude der PKO-Bank in Warschau an die Ausrufung des Kriegsrechts. Zu sehen sind darauf Panzer, die durch die Straßen einer polnischen Stadt fahren und der Schriftzug: "13 XII 1981". Noch heute hat das Datum eine große Bedeutung. Doch das Gedenken an den gemeinsamen Kampf gegen das Regime eint nicht, im Gegenteil: Heute stehen sich zwei Lager so unversöhnlich gegenüber, dass sie den Jahrestag nicht gemeinsam begehen wollen. 

Die einen wollen eine liberale Demokratie nach westlichem Vorbild. Die andere Seite sieht im Liberalismus eine Gefahr und will eine Gesellschaft, in der Kirche und Nation die entscheidenden Begriffe sind. 

Opposition sei die beste Form der Opfer zu gedenken

In Warschau etwa gibt es am 13. Dezember 2016 zwei Veranstaltungen. Eine von der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), eine andere von deren größten Kritikern, der Protestbewegung "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD).  

Screenshot Facebookseite. Linls groß das Bild eines Mannes mit Brille. Rechts Kommentar.
Organisiert die Demonstration der Opposition: KOD-Funktionär Radomir Szumelda Bildrechte: MDR

Radomir Szumelda ist eine der Führungsfiguren von KOD. Er organisiert die oppositionelle Demonstration. Dies, so Szumelda, sei die beste "Ehrerweisung für die Helden des Kriegszustandes", wenn man deren Werte verteidige: "Freiheit, Demokratie, Menschenrechte". Die Situation in Polen heute sei besorgniserregend, sagt Szumelda, man könne sie aber nicht mit der von 1981 vergleichen. "Damals gab es ein totalitäres System, das Regime schreckte auch nicht davor zurück, körperliche Gewalt anzuwenden." Trotzdem, KOD sieht sich in der Tradition der prodemokratischen Proteste zur Zeit des Kommunismus. Das legt schon der Name nahe, der an das "Komitee zur Verteidigung der Arbeiter" erinnert, eine Bürgerbewegung aus der Zeit des Kommunismus. 

PiS sei wahrer Erbe der Solidarnosc

Lächerlich findet das der PiS-Abgeordnete Jan Duda. Auch er hat sich in der Gewerkschaft Solidarnosc gegen das Regime engagiert. "Ich wusste, was ich riskiere, als ich in den achtziger Jahren auf die Straße gegangen bin. Heute ist das nur ein politischer Zirkus", sagt er. 

Auch die PiS sieht sich in der Tradition der Solidarnosc und betrachtet sich als wahrer Erbe des antikommunistischen Widerstandes. Diejenigen auf der anderen Seite werden regelmäßig als "Verräter" beschimpft.  

Auf der Gedenk-Veranstaltung der PiS soll aber vor allem der Opfer des Regimes gedacht und den Helden von damals Respekt gezollt werden - natürlich möglichst denen in den eigenen Reihen. Parteichef Jaroslaw Kaczynski wird zur versammelten Menge sprechen. 

Mehrheit der Polen sagt: Ausrufung des Kriegsrechts war richtig

Aber nicht nur wegen des aktuellen politischen Tagesgeschehens spaltet die Polen die Erinnerung an die Ausrufung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981. Auch bei der Frage, ob das Kriegsrecht zu Recht verhängt wurde oder nicht, sind sie uneins. Wojciech Jaruzelski, der es als Vorsitzender der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei verhängt hatte, rechtfertigte seine Entscheidung später damit, dass andernfalls die Truppen der Sowjetunion einmarschiert wären, um selbst die Demokratisierungsbestrebungen niederzuschlagen. Er habe schlimmeren Schaden von Polen abwenden wollen.

Das erstaunliche Ergebnis einer aktuellen Umfrage zeigt: Dieser Argumentation folgen anscheinend viele Polen: 41 Prozent von ihnen glauben, dass die Entscheidung, das Kriegsrecht auszurufen, richtig war. 35 Prozent der Befragten halten es für eine falsche Entscheidung.