Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Bundespressekonferenz am 29.08.2017. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wie Polen auf Merkels Kritik reagiert

30. August 2017, 13:30 Uhr

Die kritischen Äußerungen von Kanzlerin Merkel über die Rechtsstaatlichkeit in Polen spalten das Land. Regierungspolitiker weisen die Kritik scharf zurück, Opposition und Medien warnen hingegen vor einer Isolation.

So sehr sich Deutschland gute Beziehungen zu Polen wünsche, "wir können da nicht einfach den Mund halten", sagte Merkel am Dienstag in der Bundespressekonferenz. Der Zusammenhalt der EU-Staaten sei enorm wichtig, so die Kanzlerin weiter, schränkte aber ein: "Zusammenhalt unter Preisgabe der Rechtsstaatlichkeit ist nicht mehr die Europäische Union."

Hintergrund der Kritik ist die Justizreform in Polen, die Ende Juli unter teils chaotischen Verhältnissen im Parlament verabschiedet wurde. Sie sieht vor, dass Parlament und Justizminister enormen Einfluss auf die Besetzung von Richterposten erhalten. Aktuell blockiert der polnische Präsident Andrzej Duda das Inkraftreten der Reform jedoch.

Scharfe Antwort der Regierung

Vonseiten der polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) wurden Merkels Worte scharf zurückgewiesen. Justizminister Zbigniew Ziobro unterstellte Merkel politische Hintergedanken: "Diese Äußerungen bestätigen, dass es sich nur um Politik und um nichts anderes handelt und dass die Fakten nicht zählen."

In einer Sendung des polnischen Staatsfernsehens TVP schob Ziobro am Abend nach, dass Kanzlerin Merkel wohl nicht wisse, welchen enormen Einfluss die Politik auch in Deutschland auf die Besetzung der höchsten Gerichte habe. Die Regeln in Deutschland seien "nicht weit entfernt" von denen, deretdenen Polen von der EU-Kommission kritisiert werde.

Reparationsforderungen und Kritik an Flüchtlingspolitik

TVP selbst wies in einem Beitrag darauf hin, dass Deutschland, das den Zweiten Weltkrieg verursacht habe, kein Recht habe, Polen über Rechtsstaatlichkeit zu belehren. In Polen tobt seit Anfang August eine vom PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński ausgelöste Debatte über mögliche polnische Reparationsforderungen an Deutschland. Ministerpräsidentin Beata Szydło veröffentlichte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ein kurzes Video-Statement.

Darin bekräfigte sie, dass "Polen ein demokratisches Land ist, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht." Die "Einzelinteressen bestimmter EU-Mitgliedsstaaten" dürften "die wichtigste Herausforderung nicht überschatten: die Sicherheit der Bürger unseres Kontinents", sagte Szydło, was offenbar auf die Flüchtlingspolitik der EU und Deutschlands anspielte. Auf die konkrete Kritik an der polnischen Justizreform ging Szydło nicht ein.

Opposition und Medien warnen vor Isolation

Ebenfalls über Twitter meldeten sich veschiedene Oppositionspolitiker zu Wort. Der Vorsitzender der Partei "Die Moderne" Ryszard Petru schrieb, Merkels Aussagen seien nicht nur die der Kanzlern, sondern die "des vereinten Europas. Ohne die Union ist Polen alleine. Die PiS hat nur noch Orban und Putin."

Ähnlich äußerte sich der Abgeordnete der "Bürgerplattform" (PO), Grzegorz Furgo: "Die scharfen Worte von Merkel über Polen sollten ein Alarmsignal für die Regierung sein. Sie zu ignorieren, würde Polen zu einer Position am Rand Europas verurteilen.

Die konservative Tageszeitung "Rzeczpospolita" verwies auf dem Umstand, dass die Kritik an Polen gleich nach der an der Türkei kam, was viel über die Veränderungen in den Beziehungen des Landes zu Deutschland und der EU aussage. Daran anknüpfend befürchtet die liberale "Gazeta Wyborcza", dass sich viele Polen durch die Kritik an ihrer patriotischen Ehre gepackt fühlten und daher aus Prinzip nicht nachgeben würden.

EU prüft weiter Stimmrechtsentzug für Polen

Die umstrittenen Justizreformen, die die jetzigen Äußerungen Merkels ausgelöst haben, liegen derzeit auf Eis. Präsident Duda hatte kurz nach der Abstimmung seine Unterschrift verweigert und Verbesserungen angemahnt. Unterdessen hat die EU-Kommission bereits Ende Juli ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet. An dessen Ende könnte ein Stimmrechtsentzug stehen, ein einmaliger Schritt in der EU-Geschichte.

Polen hatte am Montag nach Ablauf einer von Brüssel gesetzten Frist die Einwände als unbegründet zurückgewiesen. Die Antwort Polens werde nun "sorgfältig geprüft", sagte eine Sprecherin der EU. Sie wies aber den Vorwurf aus Warschau zurück, Brüssel habe in dem Bereich keine Kompetenzen. "Das ist wirklich etwas, dem wir nachdrücklich widersprechen würden."

Über dieses Thema berichtete der MDR AKTUELL auch im: Radio | 29.08.2017 | 18:25 Uhr

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