Polen Proteste gegen TTIP und CETA

13. Oktober 2016, 12:38 Uhr

Während in Deutschland Zehntausende gegen TTIP und CETA auf die Straße gehen, regt sich in Polen kaum jemand über die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada auf. Doch nun scheint sich das zu ändern – meinen jedenfalls die polnischen CETA- und TTIP-Gegner.

Menschen als Roboter verkleidet.
Bildrechte: Bogusz Bilewski/Greenpeace

Die Fotos gingen durch die Medien – Menschen, die zu Robotern in den Diensten internationaler Konzerne degradiert werden, und ein großes trojanisches Pferd. So zeigten polnische Globalisierungsgegner bei einer Demo vor gut einem Jahr, was sie von den Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada halten – nämlich nichts.

Über eines konnten diese eindrucksvollen Bilder allerdings nicht hinwegtäuschen: Das Thema, über das in Deutschland hitzig debattiert wird, lässt die meisten Polen absolut kalt. Nur einige Dutzend Aktivisten waren erschienen – kein Vergleich zu den teils riesigen Protestmärschen, die man in Deutschland sehen konnte.

Screenshot einer polnischen Webseite zu STOP - TTIP - CETA.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Bislang herrschte in der Tat ziemliche Funkstille bei dem Thema", bestätigt Bogumił Kolmasiak von der Stiftung "Akcja Demokracja", die nun zu einer neuen Demo aufgerufen hat. Sie soll am 15. Oktober in Warschau stattfinden. Und diesmal soll es auch zahlenmäßig ein Erfolg werden. "Wir rechnen  mit einigen Tausend Teilnehmern", sagt Kolmasiak. Das könne man bereits jetzt an den Facebook-Anmeldungen, aber auch an der Zahl gecharterter Reisebusse für die Protestteilnehmer absehen. Nun bekommt also auch Polen seinen Protestmarsch. "Es wird die bislang größte Demonstration gegen ein Handelsabkommen in Polen", sagt Kolmasiak mit Stolz in der Stimme.

TTIP und CETA gefährden polnische Bauern

Die Gegner der beiden Handelsabkommen TTIP und CETA befürchten, dass sie der polnischen Landwirtschaft schaden werden. Diese ist von einer Vielzahl kleiner und mittelgroßer Bauernhöfe geprägt, die nach Ansicht der Kritiker keine Chance haben werden, mit den riesigen amerikanischen und kanadischen Farmen zu konkurrieren.

Außerdem wird befürchtet, dass billige Lebensmittel mit geringeren Qualitäts- und Hygienestandards die europäischen Märkte überfluten werden. Für polnische Landwirte könnte das ein Verdrängungskampf mit verheerenden Folgen werden, da rund 80 Prozent der polnischen Nahrungsmittelexporte in andere EU-Länder gehen. Zudem könnte auch genmodifizierte Nahrung verstärkt nach Polen gelangen, da Kanada der drittgrößte Produzent solcher Lebensmittel in der Welt ist.

Ahnungslosigkeit in der Provinz

In der polnischen Provinz, auf dem Land – also dort, wo man sich eigentlich am meisten dafür interessieren müsste –, sind diese Argumente allerdings noch am wenigsten bekannt, auch wenn ein Bauernverband sich an den Protesten beteiligen will. "Die meisten Bauern können mit der Abkürzung CETA nichts anfangen", räumt Kolmasiak ein.

Und er hat eine Erklärung parat. Der Protest gegen TTIP und CETA kommt "von unten", regt und organisiert sich zunächst online, bevor es zu größeren, öffentlichkeitswirksamen Aktionen kommt – auf dem Land gibt es aber nach wie vor deutlich weniger Internetanschlüsse als in den Städten.

Mensche tragen Gesichtsmasken mit bekannten Politikern.
Bildrechte: Bogusz Bilewski/Greenpeace

Viele Menschen auf dem Land beziehen ihre Informationen Kolmasiak zufolge hauptsächlich aus dem Fernsehen. Oft sei das regierungsnahe Staatsfernsehen die Nachrichtenquelle Nummer eins – doch dort würden diese Themen nur selten behandelt, weil sich die Regierung bislang noch nicht klar positionieren wollte. Zum anderen seien viele ländliche Gebiete ohnehin Hochburgen der regierenden PiS-Partei – und damit nicht sonderlich empfänglich für Argumente, die der Regierung wenig gelegen kommen.

Ein Umbruch zeichnet sich ab

Doch nun zeichnet sich offenbar ein Umbruch ab. Die Stiftung "Akcja Demokracja" hat eine Online-Petition gegen TTIP und CETA an Ministerpräsidentin Szydlo auf den Weg gebracht, die bereits von 95.000 Menschen unterzeichnet wurde. 28.000 User haben auf Facebook Interesse am kommenden Protestmarsch bekundet, fast 10.000 ihre Teilnahme bestätigt.

"Innerhalb der letzten zwei, drei Wochen ist ein richtiger Umbruch zu spüren", sagt Kolmasiak, und schreibt das auch seiner Organisation zu, die rund 500 E-Mails an die Parlamentsabgeordneten verschickt hat. Nach monatelanger Arbeit bewege sich endlich was, freut sich der Aktivist.

Doch auch wenn es am Samstag nun tatsächlich gelingen sollte, einige Tausend Demonstranten zu mobilisieren – anders als in Deutschland sind die Handelsabkommen in Polen nach wie vor kein Thema, das die breiten Massen bewegt.