Republik Moldau Zwischen EU und Russland

17. Juli 2018, 13:17 Uhr

Die kleine Republik Moldau befindet sich im Einflussbereich stark divergierender Kräfte - der EU und Russland. Und genau dort wird das Land auf absehbare Zeit auch bleiben, meint zumindest unsere Autorin.

Die heutige Republik Moldau gehörte in ihrer Geschichte zu unterschiedlichen Mächten: Einmal war sie Teil des Osmanischen Reiches, dann gehörte sie zu Rumänien, schließlich zu Russland. Das kleine Land war stets Geisel seiner geographischen Lage und befindet sich auch heute im Einflussbereich größerer Kräfte. Zwar ist Moldau multiethnisch, multikulturell und multisprachig, die Spaltung zwischen Osten und Westen ist jedoch fühlbar in beinahe jedem Lebensbereich. Russland will die einstige Sowjetrepublik nicht gänzlich entlassen, die EU will über Rumänien mehr Gewicht in die Region bekommen. Jeder benutzt unterschiedliche  Methoden, um Einfluss in Moldau zu gewinnen.

Nach Rumänien

Ein großes , mehrgeschossiges Wohnhaus im stalinistischen Baustil. Davor ein Denkmal für die Gefallenen des "Großen Vaterländischen Krieges".
Stadtbild in Chisinau. Bildrechte: MDR/Mila Corlateanu

Vor dem rumänischen Konsulat im Zentrum Chișinăus gibt es immer eine lange Warteschlange. Doch fast niemand bewirbt sich für ein Visum. Alle, die da stehen, wollen einen rumänischen Pass beantragen. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein - jemand will die sogenannte "historische Gerechtigkeit" wieder in seine Rechte einsetzen, der andere will durch den rumänischen Pass gleichzeitig EU-Bürger werden, der dritte macht es einfach so, für alle Fälle. Die Anzahl junger Abiturienten aus Moldawien, die ihr Studium in Rumänien fortsetzen möchten, wächst freilich von Jahr zu Jahr. Das Brain-Drain-Phänomen drückt sich auch aus in den nur wenigen jungen Spezialisten, die nach dem Studium in ihr Land zurückkehren. Die Moldauer, die noch nicht ausgewandert sind, zeigen ihr Zugehörigkeitsgefühl zu Rumänien durch T-Shirts mit der Aufschrift "Bessarabien - Rumänisches Land" oder durch Trikoloren-Armbändchen (rot-gelb-blau).

Zwischen Ceausescu und Stalin

Lenin-Denkmal in Chinisau
Lenin-Denkmal in Chisinau Bildrechte: Mila Corlateanu

Der Zerfall der Sowjetunion zog eine starke nationale Bewegung nach sich, die sich stark Russland-feindlich gebärdete: "Koffer, Bahnhof, Russland …!" und "Nieder mit den Okkupanten!" waren gebräuchliche Parolen. Russland hat sich das nicht lange bieten lassen und kam als sogenannter Beschützer und Garant der Sicherheit mit der 14. Armee nach Moldau. Die, wie es offiziell heißt, friedenssichernde Truppe ist immer noch in Transnistrien stationiert, die genaue Zahl der Soldaten ist nicht bekannt. Die Anhänger eines Großrumäniens plädieren wiederum für Präsenz der NATO-Truppen in Moldawien, um Sicherheit zu gewährleisten. Die selektive Erinnerung funktioniert perfekt: Einige erinnern sich an Ceausescu und seine Verbrechen, die anderen an Stalin.

Die Zweisprachigkeit ist aber ein ungeschriebenes Gesetz in Moldau. "Um nicht Außenseiter im eigenem Land zu sein ist es nützlich die Amtssprache und Russisch zu sprechen", sagt Tatiana Mursa aus Chișinău, die Studentin an der Staatlichen Universität Moldauwiens ist. Die Beherrschung beider Sprachen ist Voraussetzung für beinahe jede Tätigkeit im Land, sei es als Verkäufer oder als Rechtsanwalt, meint Tatiana.

Russlands Rolle

Russlands Rolle in Moldau darf keineswegs unterschätzt werden. Alle Schritte Richtung Europa wirken sich negativ aus auf die Wirtschaft der kleinen Republik. Die Ratifizierung und  Unterzeichnung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der EU führte nach sich ein russisches Embargo landwirtschaftlicher Produkte. Doch auch die Abhängigkeit vom russischen Gas macht Moldau vorsichtig bei seinen Schritten in Richtung Europa. 

"Gute Beziehungen zu Russland sind unbedingt notwendig" sagt Efim Ciobanu aus dem Dorf Peresecina. Viele Jahre hat er in Moskau als Busfahrer gearbeitet. Um fünf Uhr morgens aufstehen und bis in die Nacht arbeiten, so beschreibt er die letzten neun Jahre seines Lebens. Vom Lohn konnte er immerhin die Ausbildung seiner beiden Töchter finanzieren. Jetzt ist Efim wieder zuhause, weil seine Arbeitserlaubnis nicht verlängert wurde. So erging es Tausenden moldauischen Gastarbeitern in Russland. Sie mussten notgedrungen wieder in ihre Heimat zurückkehren, in der es für sie kaum Arbeit gibt. Efim hofft, dass Moldawien sich "vernünftig zu Russland verhalten wird", dass es irgendwann wieder die Möglichkeit bietet, die Arbeit in Russland wiederaufzunehmen.

Aber es gibt auch Moldauer, die ohne Russland klar kommen und vor dem Embargo nicht so viel Angst haben. So ein Beispiel ist das Weingut Mileștii Mici, das seit 2006 keine einzige Flasche nach Russland exportiert hat. Gheorghe Castraveț, Direktor des Weinbaubetriebs, ist stolz auf so eine mutige Entscheidung: "Am Anfang war es kompliziert, aber diese Krise hat uns zum Denken gebracht. Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und uns auf die Suche nach neuen Geschäftspartnern begeben." Die Mehrzahl seiner Weine exportiert das Weingut mittlerweile - nach China.

(zuerst veröffentlicht am 09.02.2015)

Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell auch im TV: 11.05.2018 | 17:45 Uhr

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