Rührei auf Polnisch

29. Oktober 2013, 11:35 Uhr

"Aaa pupa, kas ta pupa supa? Supta tetis ir mama, ir katyte murzina," lautet das litauische Schlaflied, mit dem der knapp einjährige Mykolas am schnellsten in den Schlaf gewiegt wird. Angestimmt wird es von der jungen Mutter Lina aus Vilnius (deutsch: Wilna). Nicht, weil Papa Tomas keine Zeit hätte. "Tomas kennt viele der litauischen Kinderlieder nicht", sagt die 30-jährige Architektin. Denn ihr Mann Tomas ist in einen polnischen Kindergarten und in eine polnische Schule gegangen."

Gemischte Partnerschaften keine Seltenheit

Partnerschaften zwischen Litauern und Mitgliedern von nationalen Minderheiten sind in dem größten baltischen Land an der Tagesordnung, denn zwei von zehn Bewohnern des Landes sind keine Litauer. Vor allem in der Region um die Hauptstadt Vilnius gibt es viele Polen, die seit Jahrhunderten dort leben. Landesweit bilden sie mit fast sieben Prozent der Einwohner die größte Minderheit. Die Rechte der polnischen Minderheit werden auf politischer Ebene aber nicht selten zum Zankapfel, etwa wenn es um zweisprachige Ortsschilder oder die Finanzierung von Minderheitenschulen geht.

In den vier Wänden von Tomas, Lina und ihrem Sohn spielen nationale Ungereimtheiten keine Rolle. "Das wird nur von Populisten hochgeschaukelt", sagt Tomas, Angestellter in einer Consulting-Firma. Kennengelernt haben sich die beiden übers Internet. "Aber über kein Datingportal", verneinen beide. Irgendwann ist Tomas in einem sozialen Netzwerke über Linas Profil gestolpert, sie war befreundet mit seinen Bekannten. Nach vier Monaten waren sie ein Paar. Sieben Jahre ist das her.

Kind wird "litauisch" erzogen

Seit der Geburt des kleinen Mykolas dreht sich die Welt nur um ihn. Seinetwegen ist Lina seit seiner Geburt zu Hause. Tomas versucht aber auch immer wieder zu Hause zu bleiben, um Zeit mit seinem Sohn zu verbringen. Ob dann polnische Kinderlieder angestimmt werden? "Wir haben meine Eltern gebeten, mit ihm Polnisch zu sprechen", sagt der 31-jährige Vater, dessen Polnisch einen östlichen Einschlag hat. Obwohl das polnischsprachige Schulwesen in Litauens Hauptstadt gut ausgebaut ist, wollen der polnisch stämmige Tomas und seine litauische Frau ihren Sohn aber "litauisch" erziehen. "Er wird es dadurch einfacher haben, sich in die litauische Gesellschaft einzuleben", glaubt Tomas. Zwar können wohl alle in Litauen lebenden Polen die baltische Sprache. Doch viele sprechen lieber Polnisch oder gar Russisch wie Tomas' Vater. Tomas fällt es nicht leicht, sich einer Nation zugehörig zu bezeichnen. "Ich fühle mich als polnischer Litauer", sagt er und ergänzt hinterher fragend, "oder nur als Litauer?" Jedenfalls trainiert er regelmäßig den litauischen Nationalsport: Basketball.

Ein "polnischer Litauer" und eine Litauerin - Probleme sieht Lina auch nach sechs Beziehungs- und drei Ehejahren deswegen nicht, vielmehr zwischen den Geschlechtern. Denn in Sachen Kochen, geht es bei ihnen manchmal noch ziemlich patriarchisch zu: "Tomas kann nicht wirklich kochen, nur am Sonntag macht er mal Rührei", sagt die 30-Jährige schmunzelnd über ihren Gatten. "Kiausiniene" wie es auf Litauisch heißt - "Jajecznica", sagt Tomas auf Polnisch und lacht.

Über Markus Nowak Jahrgang 1982, Studium der Neueren/Neusten Geschichte in Berlin, Warschau und Mailand, Redakteursausbildung am Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (München) und in der Katholischen Nachrichten-Agentur (Bonn), Autor für Osteuropa, lebt in Berlin