Sejm Gutachten unterstützt polnische Reparationsforderungen

12. September 2017, 10:40 Uhr

Ein Gutachten des polnischen Parlaments hält die Reparationsforderungen der Regierung an Deutschland für rechtmäßig. Die Debatte ruft unterdessen auch die katholische Kirche auf den Plan - in Polen und Deutschland.

40 Seiten umfasst das Gutachten, das der wissenschaftliche Dienst des polnischen Parlaments am Montagvormittag auf der Webseite des Sejm in drei Sprachen veröffentlicht hat. Darin erklären die Verfasser die Reparationsforderungen der polnischen Regierung an Deutschland für rechtmäßig.

Verzicht habe gegen Verfassung verstoßen

So habe der 1953 beschlossene Verzicht der Volksrepublik Polen auf solche Zahlungen gegen die damalige Verfassung verstoßen. Der Ministerrat, der die Entscheidung getroffen hatte, sei gar nicht dazu befugt gewesen. Die Zuständigkeit hätte beim Staatsrat gelegen. Außerdem sei Polen von der Sowjetunion zu der Entscheidung gedrängt worden und diese hätte auch nur die ehemalige DDR betroffen, nicht die Bundesrepublik.

Das Gutachten verweist auf die immensen Schäden in Polen, die Krieg, Besatzung und Terror des Deutschen Reichs verursacht hätten. So seien zwischen 1939 und 1945 sechs Millionen polnische Bürger ums Leben gekommen und über zehn Millionen geschädigt worden. Der materielle Schaden durch die deutsche Besatzung sei nach dem Krieg auf 48,8 Milliarden US-Dollar geschätzt worden.

Eine aktuelle Forderungshöhe nennen die Verfasser jedoch nicht. Der polnische Innenministers Mariusz Błaszczak und Außenminister Witold Waszczykowski hatten in der vergangenen Woche die Summe von einer Billion Euro in den Raum gestellt. Waszczykowski hatte jedoch auch erklärt, dass die rechtliche Lage "uneindeutig" und "verwirrend" sei.

Forderungen auf politischer Ebene noch nicht vorgetragen

Nichtsdestotrotz hat Polens Premierministerin Beata Szydło am Sonnabend bereits bestätigt, Forderungen an Deutschland auch offiziell auf politischer Ebene vortragen zu wollen. Diese seien eine "Frage des Anstands und der Gerechtigkeit gegenüber Polen". Bis zu einem solchen Schritt seien aber noch interne Abstimmungen nötig.

Die Bundesregierung hat solchen Forderungen aber bereits im Vorfeld eine Abfuhr erteilt. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Freitag, die Position der Bundesregierung sei klar: Deutschland stehe zu seiner historischen Verantwortung für die "unfassbaren Verbrechen" des NS-Regimes. Die dafür vereinbarten Reparationen habe die Bundesrepublik geleistet und weitere seien durch die Regelung von 1953 und Folgeverträge nicht vorgesehen.

Kirchen rufen zur Mäßigung auf

Unterdessen haben sich auch Vertreter der Kirchen beider Länder in die Debatte eingemischt. Nachdem am Freitag polnische Kardinäle die Regierung zur Mäßigung aufgerufen hatten, bezogen am Montag auch Bischöfe aus Deutschland Stellung. So erklärte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick: "Als katholische Kirche in Polen und Deutschland ist es seit Jahrzehnten unser Anliegen, Versöhnung und Frieden zwischen Polen und Deutschland zu fördern."

Diese Errungenschaften dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden, sagte Schick und betonte den Wert eines friedlichen und solidarischen Zusammenlebens von Polen und Deutschland für die Stabilität Europas. Vor diesem Hintergrund brauche es "einen verantwortlichen Umgang mit diesen sensiblen Beziehungen." Schick ist Vorsitzender der seit 1995 bestehenden deutsch-polnischen Kontaktgruppe der Deutschen Bischofskonferenz.

(zuerst veröffentlicht am 11.09.2017)

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio| 08.09.2017 | 15:30 Uhr