Medien Was wird aus Ungarns großer Oppositionszeitung?

11. Oktober 2016, 20:38 Uhr

Drei Tage nach der plötzlichen Schließung der größten ungarischen Oppositionszeitung "Nepszabadsag" am 8. Oktober 2016 ist die Lage weiter unklar. Wie ungarische Medien am Dienstag berichteten, hat der interimistische Generaldirektor der Eigentümerfirma Mediaworks, Viktor Kiraly, seinen Job bereits wieder hingeworfen. Die rund 100 Redakteure und Mitarbeiter der Tageszeitung haben somit niemanden, mit dem sie über die Weiterführung oder Abwicklung des Blattes verhandeln können.

Aus Umzug wurde Schließung

Mediaworks hatte "Nepszabadsag" am Sonnabend ohne Vorankündigung geschlossen. Vorläufig, wie es hieß. Die Redaktionsbelegschaft stand vor verschlossenen Türen, war ausgesperrt worden. Es sollte eigentlich ihr erster Arbeitstag in einem neuen Domizil werden. Die Redaktion war gerade umgezogen. Noch am Abend war es zu Demonstrationen gegen das Aus des regierungskritischen Blattes gekommen. Der österreichische Eigentümer begründete die Einstellung mit den Verlusten in Millionenhöhe, die die Zeitung seit Jahren macht. "Nepszabadsag" solle nun verkauft werden.

Zweifel an wirtschaftlichen Gründen für Aus

Es gibt jedoch sowohl im In- als auch Ausland Stimmen, die angesichts der Begleitumstände auch bzw. eher auf politische Hintergründe schließen. "Nepszabadsag" ist bekannt und beliebt für seine kritische Berichterstattung über den seit 2010 regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orbán. In den vergangenen Monaten thematisierte die Redaktion immer wieder Skandale aus Orbáns Umfeld. Oppositionelle, Regierungskritiker und ein Teil der Mitarbeiter sprechen von einem Schlag gegen die Pressefreiheit. Sie werfen Ministerpräident Orbán vor, die Medien im Land zu Verlautbarungsorganen seiner Regierung machen zu wollen. Offenbar befürchten sie, dass auch "Nepszabadsag" wie viele privatwirtschaftliche Medien zuvor von regierungsfreundlichen Oligarchen gekauft werden könnte. Gerüchten zufolge interessiert sich bereits ein Oligarch aus dem Umkreis des rechtskonservativen Regierungschefs für das Medienunternehmen Mediaworks, zu dem auch zwölf ungarische Regionalzeitungen gehören.

EU will Entwicklung beobachten

Besorgt zeigte sich am Montag auch die EU-Kommission. Ein Sprecher sagte, man werde die Entwicklung in Ungarn genau verfolgen. Medienfreiheit, Pluralismus und der Schutz von Journalisten seien die Basis für eine freie und demokratische Gesellschaft. Weiter hieß es, dass zum jetzigen Zeitpunkt offen und spekulativ sei, ob Ungarn wie Polen ein EU-Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit drohe. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete die Einstellung von "Nepszabadsag" als einen "beunruhigenden Präzedenzfall".