Verschiedene Euro-Scheine in Notenbündeln
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Reportage Räubergeschichten - Zwei Männer und ihr Traum vom schnellen Geld

22. Juli 2023, 14:30 Uhr

Es scheint ganz einfach zu sein: Man nimmt allen Mut zusammen, zieht sich eine Strumpfmaske über den Kopf, betritt eine Bank und fuchtelt mit der Waffe vor der Nase des Kassierers herum. Wenn man Glück hat und der Polizei entwischt, hat man nachher ein wenig mehr Geld in der Tasche als zuvor – und dies war auch der Plan von Heinz-Otto Hermann und Steffen Gatz, zwei ehemaligen Bankräubern.

Ganz sicher ist sich nicht einmal die Polizei. Doch am Ende sind es 28 Banken, die Heinz-Otto Hermann im Brandenburgischen überfallen hat. Seine Karriere als Bankräuber endet mit der Verhaftung 1999. Seine Frau ist fassungslos, sagt aber nur: "Du machst ja Sachen." Später zerbricht die Ehe. Seine Tochter, damals 12, findet es auch nicht unbedingt cool, einen Bankräuber als Vater zu haben ...

"Man will eine Chance haben im Leben"

Bevor er Banken überfällt, ist Heinz-Otto Hermann ein ganz normaler Familienvater und in Spittwitz sogar der erste, der sich nach der Wende selber ein eigenes Haus baut. Im Dorf ein Ereignis und für ihn der Start in eine neue Karriere. Der gelernte Schäfer sattelt um, wird Bauleiter. Doch seine Geschäftspartner aus dem Westen erweisen sich als Betrüger. Anfang 1998 steht Hermann vor dem Nichts: Partner weg, Schulden über eine halbe Million, Zahlungsforderungen und vor allem: nicht fertig gestellten Häuser! Hermann braucht Geld, er pumpt sogar Kunden an, die ihm tatsächlich etwas leihen.

Heinz-Otto Hermann
Heinz-Otto Hermann hat 28 Banken überfallen. Bildrechte: MDR/HR

Man will 'ne Chance haben im Leben. Und das geht nur mit Kohle. Und dann packt man die Klamotten, guckt, dass man alles beisammen hat, dass auch die Waffe dabei ist und dann geht das los.

Heinz-Otto Hermann

Als der Rückzahlungstermin kommt, sieht Hermann keinen Ausweg mehr. Er überfällt seine erste Bank, mit jeder weiteren, stellt er fest, wird es "immer leichter statt schwieriger". Auch wenn ihn vor dem Moment, da er losgeht, so etwas wie "Todesangst" befällt. Immer wieder verfährt er nach demselben Muster: Der trainierte Mann kundschaftet die Gegend aus, seine Beutezüge unternimmt er immer zu Fuß. Er weiß inzwischen, wie sich die Polizei verhält, etwa dass die Beamten, "nach fünf, sechs Stunden ihre gewerkschaftliche Pause" halten.

Doch er braucht mehr Geld, als er erbeutet, fängt auch noch an zu spielen. Eine Spirale ist in Gang gesetzt. Als er 1999 direkt nach dem 28. Überfall gefasst wird, denkt er: "Jetzt ist endlich alles vorbei. Gott sei Dank." Sechseinhalb Jahre verbringt Hermann im Knast. Danach schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch und bindet nicht jedem auf die Nase, dass er 28 Banken überfallen hat. Das glaubt ihm sowieso keiner. Heute lebt Hermann in einem Wohnwagen, nur 100 Meter entfernt von dem Haus, in dem seine geschiedene Frau noch wohnt. Seitdem ist viel passiert. Zusammen mit seiner Tochter will Heinz-Otto Hermann im Herbst einen 100 km Ultra-Marathon laufen. Und danach wieder auf eine Pilgerreise gehen. Vier Jahre lang - allein.

"Dann geht man den geraden Weg"

Steffen Gatz hat nur eine Bank überfallen: die Sparkasse im Nachbardorf. 29 Jahre ist das her. Heute ist er 52, lebt in Gießen zusammen mit zwei Vögeln und einer Katze. In der Liebe hatte er in seinem Leben wenig Glück. Immer waren Alkohol oder Drogen im Spiel. "Ich kenn es nicht mit einer normalen Frau. Ich werd' es mal irgendwann versuchen", sagt er. Von den harten Drogen ist er heute weg. Die Sucht, das fehlende Geld: Damals war das Grund genug, eine Bank zu überfallen:

Steffen Gatz wurde 15 Minuten nach seinem Banküberfall von der Polizei geschnappt.
Steffen Gatz wurde 15 Minuten nach seinem Banküberfall von der Polizei geschnappt. Bildrechte: MDR/HR

Ich war nicht erwachsen zu dem Zeitpunkt: Physisch ja, aber psychisch nicht.

Steffen Gatz

In seiner Kindheit hatte er wenig Gelegenheit, das Fundament für ein erfülltes Leben als Erwachsener zu legen. Er und seine Schwester wachsen mit einer Stiefmutter auf, die bei jeder Gelegenheit zuschlägt. Die Gewalt trifft vor allem ihn, den Älteren. Steffen Gatz bekommt für den Bankraub fünfeinhalb Jahre Knast. Doch danach baut er wieder Mist - und landet erneut im Gefängnis. Heute ist Steffen Gatz Frührentner, wegen psychosomatischer Erkrankungen.

Ich bereue, dass ich mich habe erwischen lassen. Ich bin da absolut ehrlich und sag' das auch so. Klar habe ich auch Schuld - logisch. Wenn ich Drogen nehme und eine Bank überfalle, dann habe ich auch Schuld. Aber ich habe dafür gesessen, und ich habe alles abgesessen. Man fällt so lange auf die Fresse, bis man das kapiert hat. Dann geht man den geraden Weg, den gehe ich schon seit vielen, vielen Jahren. Auch wenn er nicht besonders erfolgreich ist.

Steffen Gatz

Und die Hypothek fürs Leben bleibt:

Wer will schon jemand in der Nachbarschaft haben, der kifft und ausgeraubt hat.

Eigentlich will Steffen Gatz weg aus Gießen. Steffen Gatz träumt von einem Neuanfang an der Ostsee. Wie Heinz-Otto Hermann sagebn würde: Man will 'ne Chance haben im Leben.

Dieses Thema im Programm: Nah dran | 22. September 2016 | 22:35 Uhr