Nach Koalitionsausschuss zur Gebietsreform Landesregierung will gegen Volksbegehren klagen

10. Januar 2017, 20:50 Uhr

Lange wurde zunächst im Koalitionsausschuss gerungen. Nun macht Rot-Rot-Grün seine Drohung wahr: Die Landesreigerung lässt das Volksbegehren gegen die Gebietsreform verfassungsrechtlich prüfen.

Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung will vor das Verfassungsgericht ziehen, um ein Volksbegehren gegen die Gebietsreform prüfen zu lassen. Darauf habe sich der Koalitionsausschuss geeinigt, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag. Die Regierung wolle nun beim Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar eine sogenannte Normenkontrollklage einreichen. Außerdem wolle sie aber auch mit den Initiatoren des Volksbegehrens sprechen und signalisierte Kompromissbereitschaft zu Detailregelungen. Die Frist für eine Klage läuft am 16. Januar ab.

Wenn Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Volksbegehrens bestünden, habe die Regierung keinen Ermessensspielraum und sie müsse den Verfassungsgerichtshof einschalten, sagte Ramelow: "Ich habe einen Amtseid auf die Verfassung geleistet." Über das "Wie" der Reform könne ja geredet werden, aber nicht über das "Ob".

Laut Thüringer Verfassung sind Volksbegehren nicht zulässig, wenn sie Haushaltsentscheidungen des Landtags infrage stellen. Das vom Volksbegehren angegriffene Gesetz zur Gebietsreform sieht Zahlungen in Höhe von 155 Millionen Euro an Gemeinden vor. Die Initiative gegen die Gebietsreform hatte für das Volksbegehren fast 41.000 gültige Unterschriften gesammelt.

Rot-rot-grüne Koalition lange uneins

Aus Kreisen der Regierungsparteien hieß es, dass es im Koalitionsausschuss harte Verhandlungen gegeben habe. Sechs Stunden hatten die Parteien miteinander gesprochen. Der Gang vor das Verfassungsgericht war innerhalb der Koalition umstritten. Während Linke und SPD dafür plädierten, juristische Schritte einzuleiten, wollten die Grünen die Debatte um die Gebietsreform offen austragen. Torsten Oppelland, Politikwissenschaftler an der Uni Jena, sagte MDR THÜRINGEN, gerade Linke, SPD und Grüne hätten sich in der Vergangenheit immer für direkt-demokratische Elemente und Volksbegehren eingesetzt. Wenn Klage eingereicht werde, habe Rot-Rot-Grün ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Die oppositionelle CDU-Landtagsfraktion kritisierte den Schritt. "Die selbst ernannten Hohepriester der direkten Demokratie sind heute final an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert", sagte der CDU-Landtagsabgeordnete und frühere Innenminister Manfred Scherer. Die Organisatoren des Volksbegehrens gegen die Gebietsreform sprachen von einem "vorgeschobenen Argument", um die Initiative zu stoppen. Die AfD-Landtagsfraktion sprach von "verlogener Politik", da sich auf einmal keine Spur mehr von Freude über direkte Demokratie bei Rot-Rot-Grün finde. Den angeführten Finanzvorbehalt des Parlaments kritisierten die drei Parteien und wollten ihn angeblich reformieren.

Bisher drei Anläufe zu Volksbegehren vor Gericht gescheitert

Bisher hatten drei Mal CDU-geführte Landesregierungen gegen angestoßene Volksbegehren geklagt und jeweils vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar Recht bekommen. Bei den Urteilen zu Begehren gegen Kommunalabgaben 2013 und gegen die Familienpolitik des Landes 2007 gab jeweils das Argument den Ausschlag, dass die Begehren keine Finanzentscheidungen treffen dürften. 2001 war dieser Punkt einer der Ablehnungsgründe gegen den Entwurf einer Initiative für eine Reform von Volksbegehren.

Haushaltsfragen gelten als alleiniges sogenanntes "Königsrecht" des Landtags. In Artikel 82 der Landesverfassung heißt es:

Volksbegehren zum Landeshaushalt, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben und Personalentscheidungen sind unzulässig.

Auch die Landesregierung hatte beim Thema Finanzhoheit vor dem Verfassungsgericht schon verloren, etwa als die Richter 2013 eine Entscheidung des Finanzministeriums für außerplanmäßige Ausgaben von neun Millionen Euro zu einem Immobilienkauf als verfassungswidrige Umgehung des Parlaments rügten.

Koalition wollte Finanzvorbehalt einschränken

Linke, SPD und Grüne hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag in Punkt 11.4 dafür ausgesprochen, dieses sogenannte Finanztabu bei Volksbegehren abzuschwächen.

Die Mitwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der bestehenden Regelungen des Artikels 82 der Thüringer Verfassung werden ausgeweitet. Das sogenannte Finanztabu soll künftig nur noch eingeschränkt gelten. soweit zur Erreichung dieses Zieles eine Änderung der Verfassung notwendig ist, werden die Koalitionspartner für eine verfassungsgebende Mehrheit werben.

Für die notwendige Zweidrittel-Mehrheit bräuchte Rot-Rot-Grün aber Stimmen der oppositionellen CDU-Fraktion.

Der Thüringer Landesverband des Vereins Mehr Demokratie erneuerte seine Forderung, das Finanztabu für Volksbegehren komplett abzuschaffen. Es sei Ausdruck des Misstrauens gegenüber den Bürgern und nicht zeitgemäß. Den Bürgern dürfe mehr zugetraut werden,, sagte Ralf-Uwe Beck, Sprecher von Mehr Demokratie in Thüringen.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN JOURNAL | 10.01.2017 | 19:00 Uhr Dieses Thema im Programm:
MDR THÜRINGEN JOURNAL | 10.01.2017 | 19:00 Uhr

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