Honecker privat

Auch scheinbare Nebensächlichkeiten über das Privatleben Honeckers notierten die BND-Beamten. Der F.A.Z. entnahmen die Geheimdienstler im Herbst 1979, dass Honecker nicht Russisch spreche und deshalb einen Dolmetscher benötige. Auf seine Jagdleidenschaft deutete die Information hin, dass sein Büro einen Jagdhund (Drahthaar) suche. Die Suche zog sich hin. In einer weiteren Geheimmeldung hieß es, dass in der gesamten DDR nach einem passenden Hund gesucht worden sei. Es habe mehrere Fehlversuche gegeben. Schließlich seien die Mitarbeiter im Bezirk Erfurt fündig geworden: ein Kurzhaarrüde, dreieinhalb Jahre. Der Besitzer habe für das Tier 2.000 bis 2.500 Mark sowie eine Bockflinte erhalten. Außerdem habe der Jäger seinen Waffenschein zurückerhalten, der ihm vor Jahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes weggenommen worden war.

Im Oktober 1984 erreichte die BND-Zentrale die Meldung: "Hon. lässt sich kosmetisch behandeln". Weitere Details gab es nicht. Und im Sommer 1986 notierte der BND eine Meldung aus "Kreisen eines MfS-Offiziers": Honecker schlafe in einem Sauerstoffzelt. Und: eine 80-jährige Ärztin sei Honeckers neue "persönliche Leibärztin". Die Vorgängerin sei abgelöst worden, weil eine "intime Beziehung" zwischen ihr und Honecker bestand.

Auch über Honeckers Geschmack gab es Geheimdienst-Informationen. Bei seinem Urlaub in Baabe 1980 stand in Honeckers dortigem  Büro ein grüner Sessel. Laut BND-Meldung fand der Generalsekretär ihn so schön, dass er ihn sich für sein Berliner Büro wünschte. Diesem Wunsch sei entsprochen worden. Eine Charakteristik lieferte der Geraer SED-Bezirkschef Herbert Ziegenhahn. Laut einem Informanten hatte dieser Honeckers Einfachheit, Bescheidenheit, Klugheit und Weitsicht gelobt.

Erich und Margot – Was läuft mit Günter Mittag?

Im Herbst 1979 erreichte den BND das Gerücht aus Ost-Berlin, dass die Ehe zwischen Erich und Margot Honecker "nur noch auf dem Papier" bestehe. Sie werde lediglich aus Gründen der Partei- und Staatsraison aufrechterhalten. Der Geheimdienst notierte die Frage: "Margot H. mit Günter Mittag liiert?"

Die Gerüchte über die Ehekrise hielten sich jahrelang. 1981 notierte der BND, dass nach Aussagen eines „hohen SED-Funktionärs“ die Ehe "nach wie vor völlig zerrüttet" sei. "Das Ehepaar lebe nicht mehr unter einem Dach." Damit Honecker nicht mit seiner Frau zu einem Staatsbesuch nach Japan reisen müsse, habe er eine Einladung der Volksbildungsministerin nach Jugoslawien arrangiert. Obwohl Margot und Erich Honecker immer wieder gemeinsam auftraten, hielten sich die Gerüchte hartnäckig. 1984 erreichte den Geheimdienst die Information, dass es ein "offenes Geheimnis" sei, "dass H. sich scheiden lassen wollte." Das Ehepaar lebe getrennt. Ausgerechnet am 17. Juni 1987 erreichte den BND die Meldung: "Honecker soll von Margot geschieden sein." Trotz aller Gerüchte hielt die Ehe – sogar über das Ende der DDR hinaus.

Auch absurde Gerüchte hielt der BND in seiner Akte fest. So habe Honecker zu Weihnachten 1977 für seinen Enkelsohn Skischuhe gekauft. Allerdings habe der Generalsekretär zwei Paar verwechselt und so zwei linke Schuhe geschenkt. Honeckers Tochter und Enkel waren für den Geheimdienst hochinteressant. So hielten die Agenten fest, dass der Enkelsohn wie die "jüngere Ausgabe von Margot Honecker" aussehe. In Klammern: "Eigentlich ganz hübsch".

Ende der 80er-Jahre gab es Gerüchte vom Tod der Honecker-Enkelin. Nach einer Version sei sie im Mai 1988 im Regierungskrankenhaus nach einer Fehldiagnose und falscher Behandlung verstorben. Daraufhin sei Honeckers Leibärztin entlassen worden. Nach einer anderen Version sei das Kind im Herbst an Pseudokrupp (Schleimhautschwellung, Erstickung) gestorben. Tatsächlich war Honeckers Enkeltochter Mariana Anfang 1988 an einem Grippevirus gestorben.

Auch sonstige Tatsachen oder Gerüchte über die Familie sammelte der BND akribisch. Mit der Entmachtung des Generalsekretärs im Herbst 1989 endet die BND-Akte "Honi". Unklar bleibt, wie die Informationen genutzt wurden, um bundesdeutsche Spitzenpolitiker über Honecker zu informieren beziehungsweise welche Schlussfolgerungen die Geheimdienstler aus diesen Informationen gezogen haben. Den Rücktritt Honeckers im Herbst 1989 haben sie jedenfalls nicht vorausgesehen.

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