Heiße Spur in Weimar? Gotha lässt nach Gebeinen von Gadolla suchen

29. September 2017, 07:58 Uhr

Seit Jahren will die Stadt Gotha ihrem Retter, Josef Ritter von Gadolla, mit einem Ehrengrab auf dem städtischen Hauptfriedhof gedenken. Bisher scheiterte es daran, dass nicht genau bekannt war, wo die sterblichen Überreste des ehemaligen Stadtkommandanten verscharrt sind. Jetzt gibt es eine Spur im Norden von Weimar, die so heiß scheint, dass die Stadt Gotha und der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge gemeinsam nach den Gebeinen Gadollas graben.

Die Spur führt zu einem Anfang April 1945 zugeschütteten Graben auf dem Gelände der früheren Mackensen-Kaserne unterhalb des Weimarer Ettersberges. Der Weimarer Hobby-Militärhistoriker Christian Handwerck hat diesen auf Luftbildern der Alliierten entdeckt.

Am 5. April 1945 war der Oberstleutnant der Deutschen Wehrmacht, Josef Ritter von Gadolla, auf dem Kasernen-Gelände durch ein Exekutionskommando hingerichtet worden. Das belegen Zeugenaussagen. Unklar war in den letzten Jahrzehnten, was danach mit seiner Leiche geschah. Irgendwo in Weimar muss sie von den Nazis verscharrt worden sein. War es vielleicht in dem Graben?

Historische Luftaufnahmen lieferten Hinweise

Für die Theorie sprechen laut Handwerck zwei Luftbilder. Auf dem einen von Anfang April ist der Graben erkennbar noch offen. Auf dem anderen, das nach dem 5. April aufgenommen wurde, ist er zugeschüttet. Handwerck konnte Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch von seiner Theorie überzeugen. Kreuch ließ alle Genehmigungen für eine Grabung einholen, und seit Dienstag haben städtische Mitarbeiter das Gelände beräumt und den alten Grabenverlauf nachvollzogen. Am Freitag nun wird ein sogenannter Umbetter des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge mit dem Spaten nach den Überresten Gadollas suchen. Sollten Knochen gefunden werden, wird deren DNA im Labor analysiert. Vergleichsproben stellen noch heute lebende Nachkommen Gadollas aus Graz in Österreich zur Verfügung. Gibt es eine Übereinstimmung, werden die Überreste ehrenvoll auf dem städtischen Hauptfriedhof in Gotha beerdigt. Gadolla bekäme dort ein Ehrengrab.

Sollte es keine Übereinstimmung geben, dann werden die Gebeine in einem Grab für die Opfer des Zweiten Weltkriegs in Gotha beigesetzt. Auch wenn Gebeine mehrerer Menschen in dem Graben gefunden werden sollten, werden sie ehrenvoll auf dem Hauptfriedhof bestattet, das hat Oberbürgermeister Kreuch der Kriegsgräberfürsorge zugesagt.

Zweifel am "Kampf bis zum Äußersten"

Für die Gothaer, aber auch für Grazer ist Gadolla eine Art Nationalheld. Der österreichisch-deutsche Offizier hatte sich als Stadtkommandant von Gotha verpflichtet, den Kampf "bis zum Äußersten mit Waffengewalt" fortzusetzen. Doch dann regte sich in den letzten Kriegstagen 1945 sein Gewissen. Er war sich nicht mehr sicher, ob dieses Versprechen mit seinem christlichen Weltbild zu vereinbaren sei. Somit machte er sich für Gotha zur Aufgabe, nicht sinnlos das Leben von wehrlosen Zivilisten zu opfern. Über seine persönlichen Folgen war er sich dabei im Klaren.

Als amerikanische Panzer am 2. April 1945 auf Gotha vorrückten, ließ er weiße Fahnen als Zeichen der Kapitulation hissen. Doch die SS riss diese wieder herunter, was erneut amerikanische Artillerie- und Tieffliegerangriffe zur Folge hatte. Nach der Bombardierung Nordhausens am 4. April 1945, bei der die Nordthüringer Stadt innerhalb von Minuten in ein Trümmerfeld verwandelt wurde, startete Gadolla einen zweiten Kapitulationsversuch. Mit einem Pkw mit einer weißen Fahne und einer weißen Armbinde fuhr er der 3. US-Panzerdivision entgegen. Doch fanatisierte Wehrmachtssoldaten schnappten ihn bei Boilstädt. Am gleichen Tag wurde er in Weimar zum Tode verurteilt. Bereits einen Tag später wurde das Urteil standrechtlich vollstreckt.

Gadollas letzte Worte sollen gewesen sein: "Damit Gotha leben kann, muss ich sterben!" Und genauso war es auch. Die Amerikaner stoppten am 4. April 1945 den Beschuss der Stadt, als sie die weißen Fahnen auf Schloss Friedenstein und dem Rathaus sahen. Josef Ritter von Gadolla hatte mit seiner mutigen Tat Gotha vor der Zerstörung und den Einwohnern damit unendliches Leid erspart.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Retter von Gotha | 05. April 2020 | 22:55 Uhr

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