Gebietsreform Niederlage nicht ausgeschlossen

09. Juni 2017, 05:00 Uhr

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof spricht am Freitag sein erstes Urteil in Sachen Gebietsreform. Die CDU-Landtagsfraktion hatte geklagt, im Sommer 2016 über das Vorschaltgesetz zur Reform nicht ausreichend informiert worden zu sein. Kann mit der Entscheidung der Richter die ganze Reform kippen?

Zehn Tage Differenz zwischen mündlicher Verhandlung und Urteilsverkündung. Diese kurze Zeitspanne lässt zumindest auf einen juristisch klaren Fall schließen. Das neunköpfige Richtergremium hat offenbar wenig Diskussionsbedarf gesehen, um zu seinem Urteil zu kommen. Doch wohin sich die Waage der Justitia neigen wird, ist bis Freitagvormittag 11 Uhr offen. Dann wird der Verfassungsgerichthof in Weimar sein Urteil verkünden.

Ein fehlendes Protokoll könnte entscheiden

Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung am 30. Mai wird allgemein mit einer Niederlage der rot-rot-grünen Regierungskoalition gerechnet. Sollte der Klage der CDU-Fraktion stattgegeben werden, dann könnte das Fehlen eines Protokolls entscheidend gewesen sein. Das Protokoll war zur Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zum Vorschaltgesetz am 9. Juni 2016 angefertigt worden. Dem Landtag aber lag das Papier auch vierzehn Tage später, am Tag der Abstimmung des Gesetzes im Parlament, noch nicht vor. In diesem Falle wäre das Vorschaltgesetz – aus formalen Gründen – null und nichtig.

"Ein Ende der Gebietsreform wäre das mit Sicherheit nicht", sagt der Sprecher der Thüringer Innenministeriums, Oliver Löhr. Im juristisch einfachsten Fall könne die Landesregierung das eigentliche Gesetz zur Gebietsreform weiter vorantreiben, das die Kreis-, Stadt- und Gemeindegrenzen in Thüringen auf Dauer neu festlegen soll. "Aber das muss politisch entschieden werden", sagt Löhr. 

Aber der Koalition ist nicht verborgen geblieben, dass ein wenig Fingerspitzengefühl durchaus angebracht ist: Am Freitag kassieren die Verfassungsrichter ein Gesetz – und schon am Dienstag macht das Land weiter, als wäre nichts geschehen - ein solches Verhalten ließe die Landesregierung politisch unvorteilhaft aussehen.

Enger Fahrplan

Eigentlich ist vorgesehen, am 13. Juni das Durchführungsgesetz zur Gebietsreform im Kabinett zu beschließen und dem Landtag anschließend zur Beratung vorzulegen. Bereits Ende Juni soll der Landtag erstmals darüber beraten. Anschließend könnte über den Sommer das Anhörungsverfahren vorbereitet werden. Dem Landtag müsste das Gesetz spätestens zum Jahresende zur Abstimmung vorliegen. Gelingt dies nicht, kann die Gebietsreform nicht mehr umgesetzt werden, weil bereits im Frühjahr 2018 die Landräte und Bürgermeister in Thüringen neu gewählt werden. Schon für die Kandidatenaufstellung im Vorfeld muss dabei klar sein, für welche Kreise und Kommunen die Bewerber genau antreten. Doch ohne eine erste Beratung im Landtag noch vor den Sommerferien wird die Zeit zu knapp.

So ähnlich sieht das auch die Union. Aber die Opposition rechnet fest mit einem deutlichen Sieg vor Gericht. Und auch damit, dass die Gebietsreform anschließend um wenigstens sechs Jahre verschoben wird. Öffentlich will das keiner so sagen. Stattdessen heißt es dazu: die Landesregierung könne in diesem Fall keinesfalls einfach so weiterregieren wie bisher. Wenigstens müsste die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden, bevor Rot-Rot-Grün entscheidet, wie es mit der Gebietsreform weiter gehen kann. Alles andere sei "ein Affront gegenüber dem Gericht" und "politisch dumm", heißt es aus Unionskreisen.

Weiterer Ablauf umstritten

Der Linkenabgeordnete Frank Kuschel kontert. Natürlich müsse sich die Koalition das Urteil genau anschauen. Für eine Absage der gesamten Gebietsreform sieht der Innenexperte aber keine Notwendigkeit, solange das Gericht nicht genau das fordert.

Rot-Rot-Grün hofft, dass das umstrittene Gesetz – sollte es denn kassiert werden – wenigstens nur wegen des fehlenden Protokolls scheitern wird. Dann könnte die Koalition der Union einen Teil der Schuld zuweisen. Das Protokoll zu erstellen und weiterzuleiten sei Sache des Landtags gewesen. Und weiter: "Präsident des Landtages ist Christian Carius. Ein Christdemokrat." Die Reaktion der CDU darauf folgte prompt: "Sollte die Linkskoalition jetzt über die eigenen Füße stolpern, kann sie die Verantwortung dafür nicht bei der Landtagsverwaltung abladen. - die Verwaltung hat korrekt nach Geschäftsordnung gearbeitet."

In Niederlage könnte auch ein Sieg stecken

Bei allen parteipolitisch unterschiedlichen Betrachtungsweisen - der Spruch der Richter könnte der Landesregierung ihren Weg sogar vereinfachen. Sollte das Vorschaltgesetz nämlich gekippt werden, dann hätten sich erst einmal alle anderen Klagen vor dem Verfassungsgericht erledigt - ebenso wie das Volksbegehren. Denn ein Gesetz, das es nicht mehr gibt, kann niemand mehr beklagen.

Über dieses Thema berichtet MDR THÜRINGEN auch im Programm: MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09.06.2017 | 19:00 Uhr

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