Urteilsbegründung Verfassungsgericht: Keine Bedenken gegen Gebietsreform

12. Juli 2017, 10:02 Uhr

Die Thüringer Verfassungsrichter halten eine Gebietsreform grundsätzlich für möglich. "Nach der Thüringer Verfassung kann das Gebiet von Gemeinden und Landkreisen aus Gründen des öffentlichen Wohls geändert werden", heißt es in der schriftlichen Begründung für das Urteil zum Vorschaltgesetz. Veröffentlicht wurde sie am Dienstag. Der Verfassungsgerichtshof hatte das Gesetz bereits am 9. Juni aus formellen Gründen für nichtig erklärt: Bei der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände im Landtag war eine Frist verpasst worden. Geklagt hatte die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag.

Verfassungsgerichtshof: Regionale Besonderheiten bei Gebietsreform beachten

Gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, unter anderem wegen der demografischen Entwicklung eine Gebietsreform durchzuführen, gibt es aus Sicht der Richter keine Bedenken. Eine Mindesteinwohnerzahl sei ein geeigneter Maßstab dafür, ob eine bestimmte Aufgabe von einer Kommune sinnvoll und wirtschaftlich erfüllt werden könne.

Allerdings seien Abweichungen von den Leitlinien einer Reform möglich - insbesondere dann, wenn es "zu einer flächenmäßigen Überdehnung kreisangehöriger Gemeinden" komme. Gebiets- und Bestandsänderungen bei den Gemeinden und Kreisen seien nur aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig. Die betroffenen Kommunen müssten außerdem angehört werden. Bei der konkreten Neugliederung müsse der Gesetzgeber auch wirtschaftliche Verflechtungen sowie regionale und lokale Besonderheiten wie etwa historischer Art berücksichtigen.

[...] kommunale Gebietskörperschaften [dürfen] nicht allein in quantifizierender Betrachtungsweise wegen des Unterschreitens einer bestimmten Einwohnergrenze und ohne Berücksichtigung von regionalen oder örtlichen Besonderheiten aufgelöst werden.

Aus den Leitsätzen des Urteils zum Normenkontrollantrag der CDU-Fraktion zum Vorschaltgesetz

CDU: Thüringen passt in kein Zahlenkorsett

Sowohl die rot-rot-grüne Landesregierung als auch die CDU im Thüringer Landtag sehen sich durch das Urteil der Thüringer Verfassungsrichter bestätigt. Der kommunalpolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Frank Kuschel, sagte, das Gericht habe keine verfassungsrechtlichen Gründe gegen die Bestimmungen des Vorschaltgesetzes vorgebracht. Es gelte daher, die ausführlichen Hinweise der Verfassungsrichter zu analysieren und zu beachten. Ähnlich äußerte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey. Mit der Urteilsbegründung habe sich die Kritik am Vorschaltgesetz und zum großen Teil auch an der Gebietsreform selbst als haltlos erwiesen.

CDU-Fraktions- und Landesvorsitzender Mike Mohring sagte, seine Partei weise schon lange daraufhin, dass die Vorgaben von Rot-Rot-Grün für Landkreise, kreisfreie Städte und Gemeinden an der Realität vorbeigingen. Wer versuche, ein kleinteiliges Land wie Thüringen in ein Zahlenkorsett zu pressen, der habe nicht verstanden, wie dieses Land tickt.

Innenminister Holger Poppenhäger begrüßte die schriftliche Urteilsbegründung. Ein zukunftsfähiges Thüringen komme an einer Reform der kommunalen Strukturen nicht vorbei, sagte er. In welchen Schritten diese umgesetzt wird, werde die Landesregierung nach gründlicher Auswertung des Urteils entscheiden.

Abgeordnete erhielten Protokoll zu spät

Die Verfassungsrichter erklärten noch einmal, das Vorschaltgesetz sei von ihnen lediglich wegen formeller Gründe zurückgewiesen worden. In der Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses des Landtages am 9. Juni 2016 habe es zwar eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände gegeben. Das Protokoll dieser Sitzung hätten die Landtagsabgeordneten jedoch erst nach der Abstimmung über den Gesetzentwurf am 23. Juni 2016 erhalten. Sie hätten damit keine Möglichkeit mehr gehabt, den Inhalt des Protokolls zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.

Über dieses Thema berichtet MDR THÜRINGEN auch im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 12.07.2017 | 06:00 Uhr

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