Ein Nerz in einem Käfig in einer polnischen Pelzfarm.
Misshandelter Nerz in einer polnischen Pelzfarm. Bildrechte: Otwarte Klatki

Polen: Gesetz soll grausamen Pelzhandel stoppen

16. November 2017, 12:10 Uhr

Die Regierung will die Regeln zum Tierschutz massiv verschärfen. Grund sind hunderte Pelzfarmen, in denen Tiere gequält werden. Deren Hauptkunden sind die europäischen Nachbarländer, auch Deutschland.

Anfang November haben Abgeordnete der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) einen Gesetzesentwurf ins polnische Parlament eingebracht, nach dem die Haltung von Tieren zur Pelzherstellung verboten werden soll. Auch der Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński unterstützt den Vorschlag.

Damit spitzt sich ein lange schwelender Konflikt in Polen zu. Denn das Land ist nach Dänemark der zweitgrößte Pelzproduzent Europas. Jedes Jahr werden dort nach Angaben der Tierschutzorganisation "Otwarte Klatki" acht Millionen Nerze getötet. Hinzu kommen 75.000 Füchse und 60.000 Chinchillas. Ein Großteil der so gewonnenen Felle wird in die EU exportiert, auch nach Deutschland.

Qualvolles Schicksal für Millionen Tiere

Dabei leben die Tiere in den 800 landesweiten Pelzfarmen unter erbärmlichen Umständen, wie Videoaufnahmen der NGO "Otwarte Klatki" zeigen. So werden etwa Nerze in kleinste Drahtkäfige gezwängt. Dort vegetieren die von den Farmarbeitern misshandelten Tier in ihren eigenen Ausscheidungen. Ein Großteil leidet an Krankeiten und Deformierungen. Täglich verenden dutzende Tiere.

Während der "Pelzernte" im Herbst werden die Tiere dann durch Strom, Erschlagen oder giftige Gase getötet und weiterverarbeitet. Teilweise entspricht die Haltung den laxen EU-Normen zur Pelzzucht, nach denen einem Nerz gerade einmal 0,16 Quadrameter in einem Käfig zustehen. Oft werden die Tiere jedoch noch schlechter gehalten und gequält. Das soll nach dem neuen Gesetzentwurf härter bestraft werden.

Haftstrafen für Tierquäler

Für das Quälen oder die rechtswidrige Tötung eines Tieres sollen dann bis zu vier Jahre Haft drohen. Bislang sind es zwei Jahre, die zur Bewährung ausgesetzt werden können. Da die Gerichte selten Haftstrafen aussprechen, soll es dem Entwurf zufolge eine Mindeststrafe von drei Monaten Haft geben.

Aktivisten der BGO Otwarte Klatki demonstrieren gegen den Pelzhandel in Polen.
Aktivisten der NGO "Otwarte Klatki" demonstrieren gegen den Pelzhandel in Polen. Bildrechte: Otwarte Klatki

Auch die Strafen für Tierquälerei sollen verschärft werden und ebenfalls Haftstrafen nach sich ziehen. Außerdem soll dem Gesetzentwurf zufolge auch das Halten von Zirkustieren verboten werden. Tiere in Privatbesitz würden ebenso besser geschützt. So dürften Hunde künftig nicht mehr an Ketten gehalten werden und nicht mehr als zwölf Stunden in Käfigen gefangen sein.

Der Gesetzesentwurf hat heftige Diskussionen in Polen ausgelöst, insbesondere wegen des Verbots der Pelzzucht. Denn die Pelzindustrie setzt Millionen im Jahr um und ist in einem Verband organisiert. Deren Funktionäre haben den Gesetzesentwurf in Interviews stark kritisiert. Dieser würde ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränken und sei staatliche Schikane. Außerdem versicherten die Pelzzüchter, die gängigen Standards einzuhalten.

Starke Pelzlobby dank Korruption und steigender Nachfrage

Dem widerspricht jedoch ein aktueller Bericht des zuständigen Ministeriums. Demnach würden die Umweltanforderungen in 87 Prozent der Betriebe nicht oder nur teilweise erfüllt. So hätten die Tiere in 15 von 20 überprüften Farmen in ihren eigenen Exkrementen gelebt.

Ein Drittel der Unternehmen würde keinerlei veterinärmedizinische Untersuchungen durchführen. Dass die Unternehmen trotz der Misstände unbehelligt blieben, läge auch an Korruption auf lokaler Ebene, so die Autoren des Berichts.

Auch im Parlament gibt es Gegenwind für das Projekt. Die Pelzlobby hat in allen Fraktionen Unterstützer, die sich gegen den Entwurf aussprechen. Denn die Industrie setzt Millionen um und die Nachfrage steigt seit Jahren. Insbesondere, seitdem das Nachbarland Tschechien im Sommer ein ähnliches Gesetz erließ.

Auch Großbritannien, Österreich, Kroatien, die Niederlande und die Slowakei haben die Pelztierzucht bereits verboten. Importe vom Weltmarktführer China in die EU sind ebenfalls verboten. Und davon profitiert die Pelzzucht in Polen, der Markt boomt und verspricht schnellen Reichtum.

Katze Fiona als Mehrheitsbeschafferin

Dennoch hat die PiS-Regierung zwei wortgewaltige Unterstützer auf ihrer Seite: die Öffentlichkeit und den Parteivorsitzenden. Laut einer Umfrage von "Otwarte Klatki" sprechen sich 66 Prozent aller Polen für ein Verbot der Pelzzucht aus. Entsprechend sieht das Meinungsbild in klassischen und sozialen Medien aus.

Außerdem hat der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński dem Projekt persönlich seine Unterstützung zugesagt. Kaczyński bekleidet zwar kein Regierungsamt, gilt aber als eigentlicher starker Mann in Polen, ohne dessen Einwilligung keine Entscheidung fällt - erst Recht nicht gegen seinen Willen. Und Kaczyński gilt als ausgesprochener Tierliebhaber.

Insbesondere die innige Beziehung des 68-Jährigen zu seiner Katze Fiona ist in Polen legendär. Als im Juli Tausende Oppositionelle vor dem Haus des PiS-Vorsitzenden gegen eine umstrittene Justizreform der Regierung demonstrierten, erschien Katze Fiona am erleuchteten Fenster. Das live sendende Staatsfernsehen titelte: "Die Katze des Vorsitzenden steht den Anhängern der Opposition standhaft gegenüber." Angesichts dessen sollte Fiona auch mit der Pelzindustrie fertig werden.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: TV | 23.12.2016 | 17:15 Uhr