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Covid-19Können m-RNA-Impfungen Menschen mutieren lassen?

15. Januar 2021, 11:29 Uhr

Wie riskant sind Gen-Impfstoffe gegen Corona? Könnten mRNA-Impfungen, wie die von Biontech und Pfizer, über deren offenbar hohe Wirksamkeit in dieser Woche berichtet wurde, unbeabsichtigt eine Autoimmunerkrankung oder DNA-Veränderungen auslösen? Forscher halten diese Gefahr für gering, obwohl es Reaktionen des Körper geben könnte.

von Clemens Haug

Update 01.12.

Biontech/Pfizer beantragen Impfstoffzulassung in Europa

Die Mainzer Firma Biontech und der US-Pharmariese Pfizer haben bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur Ema die Zulassung für ihren Corona-Impfstoff in der EU beantragt. Das teilten beide Unternehmen mit. Der Antrag sei am Montag bei der Ema eingegangen. Am Montag hatte auch der US-Konzern Moderna bei der Ema einen entsprechenden Antrag für seinen Impfstoff gestellt. Bereits vor rund eineinhalb Wochen hatten Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung in den USA beantragt.

Update 23.11.

Infektiologe: mRNA kann nirgendwo andocken

Der Infektiologe Leif Erik Sander (Charité Berlin) hat im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Entwarnung gegeben: Ein Übergang der Virus-mRNA in die menschliche DNA sei nicht möglich. "Das ist eine Einbahnstraße. […] Der Zellkern hat nochmal eine eigene Hülle und im Zellkern befindet sich unser Erbgut. Das heißt also, die mRNA kommt gar nicht an den richtigen Ort; und vor allen Dingen gibt es keine Enzyme in unserem Körper, die die mRNA wieder in eine DNA umschreiben könnten." Ein etwaiges Krebsrisiko sei zudem nicht höher als bei anderen neu zugelassenen Arzneimitteln und Impfungen. Auch das Phänomen infektionsverstärkender Antikörper sei aktuellen Untersuchungen zufolge nicht festzustellen.

Update 13.11.

Keine Hinweise auf DNA-Veränderungen

Der Chef der Ständigen Impfkommission, Prof. Thomas Mertens, hat keine Bedenken in Bezug auf den Coronavirus-Impfstoff von Biontech und Pfizer. Mertens sagte MDR AKTUELL, es gebe keine Hinweise darauf, dass der Wirkstoff die DNA der Menschen verändere. Auch müsse man nach allem, was man jetzt wisse, nicht mit Langzeitfolgen rechnen.

Auf die Frage, ob die kurze Entwicklungszeit Beleg für eine nicht ordentliche Prüfung des Impfstoffes sei, sagte Mertens, dass es in Europa keine Änderungen in der Zulassung durch die zuständige Europäischen Arzneimittelagentur EMA gebe.

Es gibt bei der EMA keine Änderung der Regeln.

Prof. Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission

Der einzige Unterschied sei, dass die Hersteller ihre Zwischenergebnisse fortlaufend einreichen könnten, so Mertens, nicht wie bisher gesammelt am Ende der Studien. Es wurden auch keine Phasen der Entwicklung übersprungen.

mRNA - neues Konzept für Impfungen

Gegen Corona werden erstmals RNA-Impfstoffe erprobt. Dabei wollen Mediziner ihren Patienten ein kleines Stückchen Erbinformation spritzen, die in den menschlichen Zellen die Produktion des Antigens von Sars-CoV-2 auslöst. Das Antigen ist praktisch ein Erkennungsmolekül des Virus und zugleich eine Art Schlüssel, mit dem es in die Zelle eindringt. Produziert eine Zelle diese Antigene, zeigt sie diese auch auf der Zellhülle.

Das Immunsystem erkennt jetzt die Zelle als infiziert und bildet Antikörper gegen die Virenproteine. Dringt das echte Coronavirus in den Körper ein, ist dessen Abwehrsystem bereits gerüstet und kann eine Infektion verhindern. Soweit die Theorie. Versuche und erste Studien zeigen: Diese Art der Impfung kann funktionieren. Versuchstiere waren tatsächlich immun, Nebenwirkungen konnten bislang nicht beobachtet werden.

Kann mRNA Impfstoff versehentlich ins Genom integriert werden?

PandemieHoffnung auf den RNA-Impfstoff gegen Corona

mit Audio

Aber natürlich ist das Verfahren, das zum Bereich der sogenannten roten Gentechnik zählt, völlig neu und alle potenziellen Folgen damit nicht absehbar. Wirkt die Erbinformation, die als sogenannte Messenger-RNA injiziert wird, nur in den Zielzellen? Oder kann es passieren, dass sie versehentlich in die gesamte menschliche DNA eingebaut wird? Könnte dabei ein Enzym namens Reverse Transkriptase helfen, mit dem bestimmte Viren, etwa das HIV, ihre Erbinformation in menschliche DNA einschleusen? In diese Richtung zielt die Frage von MDR-Wissen Leser Thomas Held.

Der Impfstoff besteht aus mRNA. Wenn zufällig eine weitere Infektion mit einem RNA-Virus vorliegt, kann dann die reverse Transkriptase die mRNA in DNA umschreiben, diese sich ins menschlichen Genom integrieren und somit eine Autoimmunkrankheit auslösen?

Dr. Thomas Held

Mutation durch mRNA möglich

Wäre das wirklich möglich? Auf Anfrage von MDR Wissen weist Ulrike Protzer vom Helmholtz-Zentrum in München darauf hin, dass nur sehr wenige Viren das dafür nötige Enzym mitbringen. "Es gibt eigentlich nur HIV, HTLV und HBV (HBV ist das Hepatitis-B-Virus und HTLV das Humane T-Zell-Leukämie-Virus, Anm. d. Red.), die eine reverse Transkriptase haben." Das Enzym sei vor allem im Viruskapsid aktiv, der Hülle um die Viruserbinformation. Weil Sars-CoV-2 aber eine sehr lange RNA habe, sei da gar nicht genug Platz für die Umwandlung in DNA.

Ein Genetiker der Uni Jena, der sich selbst nicht als Experten auf dem Gebiet sieht, stellt allerdings folgendes Gedankenspiel an. "Prinzipiell wäre es denkbar, dass ein Patient schon eine Infektion mit aktiven Retroviren hat. Das ist aber unwahrscheinlich. Oder er hat aktive Retrotransposons [Anm.d.Red: Das sind bestimmte umgewandelte DNA-Abschnitte], das ist sehr unwahrscheinlich. Und dadurch hätte er Reverse Transkriptase in manchen Zellen seines Körpers. Die könnte die mRNA aus dem Impfstoff umwandeln und die DNA dann ins Genom integrieren." Dadurch könnte es in der Zelle etwa zu einer Mutation kommen, die sie vielleicht unbrauchbar macht.

Wahrscheinlichste Wirkung ist die gelungene Impfung

Allerdings: Dieser theoretische Prozess würde nur in einzelnen Zellen ablaufen, er könnte nicht die gesamte menschliche DNA erfassen. Und: Die mRNA des Impfstoffs unterscheidet sich nicht von jedem anderen Streifen mRNA, der im Körper unterwegs ist. Das Risiko einer solchen Mutation steigt also nicht durch die Impfung, sondern ist theoretisch jederzeit vorhanden, wenn ein Retrovirus das Enzym in den Körper bringt.

Hinzu kommt: Die wahrscheinlichste Mutation wäre, dass die Zelle Virenproteine herstellt. Das Paul-Ehrlich-Institut ist für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland verantwortlich. Auf Anfrage von MDR Wissen schreiben die Wissenschaftler des Instituts: "Selbst wenn aber die Impfstoff-RNA in das Genom integriert würde (was wirklich kaum vorstellbar ist), dann wäre das Ergebnis, dass das SPIKE-Protein von der Zelle hergestellt und vom Immunsystem erkannt würde und dann die betroffene Zelle abgetötet würde." Mit anderen Worten: Die wahrscheinlichste Wirkung des extrem unwahrscheinlichen Falls wäre keine Autoimmunkrankheit, sondern die erwünschte Impfwirkung.

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