Mann in einem Eisblock
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Der Traum von Unsterblichkeit 50 Jahre Kryostase: Einfrieren, Auftauen, Weiterleben

12. September 2017, 13:22 Uhr

Seit 50 Jahren lassen sich einige betuchte Menschen nach ihrem Tod einfrieren. Ihre Hoffnung: Eines Tages könnten sie dank medizinischem Fortschritt wiederbelebt werden und dann weiterleben. Mediziner zweifeln daran. Im Kleinen allerdings funktioniert es. Für eine Leipziger Firma ist es das Geschäftsmodell.

Das Leben anhalten, einfrieren, und Jahre später einfach auftauen, aufwachen und weiterleben: Dieses Motiv gehört zum festen Inventar zahlreicher Science-Fiction-Romane. In den Geschichten werden die Helden oft für lange Reisen durch den Weltraum in Kryostase versetzt.

Unsterblichkeit ist ein Urtraum der Menschheit, sagt der Mediziner Dominik Groß. "Die Endlichkeit des Menschen ist die letzte und die größte Kränkung des Menschen und damit sozusagen das letzte Ziel, das man noch erreichen kann." Groß leitet das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin an der RWTH Aachen. Der Professor hat Vorträge gehalten über Kryonik, das Einfrieren von Biomaterial oder ganzer Menschen.

Denn auch in der wirklichen Welt lassen sich Menschen einfrieren und das schon seit 50 Jahren. Den Anfang machte der US-Amerikaner James Bedford, der sich am 12. Januar 1964 wenige Stunden nach seinem Tod einfrieren ließ. Bedfords Leiche liegt seitdem bei minus 190 Grad in einem Metalltank. Seine Anhänger denken, dass er eines Tages zurückkommen könnte – ins Leben.

Ich halte das für vollkommen unrealistisch, weil die Kryonik zum einen ohnehin nicht das halten kann, was sie verspricht. Zum anderen aber auch, weil die Konservierung von Bedford schon 50 Jahre her ist. Damals hat man eine ganz andere Technik benutzt. Das heißt: Die technischen Voraussetzungen waren damals noch viel schlechter, als sie es heute sind.

Dominik Groß, Medizinprofessor

Einfrieren zerstört den Körper

Selbst heute sind die technischen Probleme vielfältig. So können sich beim Einfrieren Kristalle im Körper bilden. Das Gewebe zerplatzt wie eine Wasserflasche, die im Eisfach vergessen wurde. Deswegen wurde schon bei Bedford das Blut durch Frostschutzmittel ersetzt, das aber wiederum selbst giftig ist. Und – ergänzt Dominik Groß – es gab ja einen Grund, warum der eingefrorene Mensch gestorben ist. Bei Bedford war es ein Tumor. "Selbst wenn das gelingen sollte, einen kompletten menschlichen Organismus wiederzubeleben – was ich für unrealistisch halte - dann müsste man weitermachen und dafür sorgen, dass alle Zellen verjüngt werden, um zu vermeiden, dass der Sterbevorgang erneut einsetzt", sagt Groß.

Aber auch, wenn seriöse Wissenschaftler es für Unfug halten, ganze Menschen einzufrieren. Auf anderen Gebieten ist Kryonik längst Realität. Ein Beispiel dafür ist die Firma Vita34 in Leipzig. Dort lagern alles in allem rund 145.000 Metall-Kassetten in dutzenden Tanks. Die Kassetten enthalten Nabelschnurblut und –gewebe mit Stammzellen von Neugeborenen. 25 Jahre Einlagerung kosten 3.400 Euro. Eltern, die so viel Geld ausgeben, wollen ihren Kindern alle Möglichkeiten geben für die Zukunft. Wenn bei den Kindern zum Beispiel eines Tages die Knorpel im Knie abgenutzt sind, sollen aus den Stammzellen neue Knorpel gezüchtet werden können. Mit solchen Anwendungen wirbt Vita 34-Vorstands-Chef André Gerth.

Was wir machen ist, dass wir bereits heute schon sehr gutes biologisches Material einlagern. Weil wir davon überzeugt sind, dass zu einem Zeitpunkt, wenn Menschen die heute geboren werden, es benötigen, der medizinische Fortschritt eine breite Palette von solchen Anwendungen auf Basis von Stammzellen anbieten können.

André Gerth, Vorstandschef Vita 34
Tankanlagen der Leipziger Biotechfirma Vita34
Tankanlagen der Leipziger Biotechfirma Vita34 Bildrechte: Johannes Schiller, MDR

In rund 30 Fällen wurde bereits auf das Stammzellendepot zugegriffen. Doch an den meisten Therapien wird noch geforscht, erst in ein paar Jahren sollen sie verfügbar sein. Vita 34 garantiert, dass die Zellen in den Tanks über Jahre gelagert und ohne Schäden wieder aufgetaut werden können. An dieses Geschäft glaubt André Gerth. "Die Kryotechnik hat sicherlich ganz gewaltige Zukunftschancen. Heute kann man sehr zuverlässig bisher nur Zellen oder sehr dünne Gewebe einlagern." Die Vorstellung ganze Menschen einzufrieren, wie bei Bedford, hält er dagegen für Zukunftsmusik.

Über dieses Thema berichtet MDR Kultur im Radio | 12.01.2017 | 12.40 Uhr