Vor 40 Jahren ging Billigflug-Pionier Laker pleite Letzter Air-Berlin-Flug: Déjà-vu einer Bruchlandung

27. Oktober 2017, 11:46 Uhr

Air Berlin stellt seinen Betrieb ein. Gründe für das Aus gibt es viele. Experten schieben es auch auf ein unklares Konzept: Jahrelang ging Air Berlin einen Mittelweg zwischen Billigflieger und klassischer Airline - ähnlich wie der Billigflug-Pionier Laker vor 40 Jahren. Beide standen am Ende vor der Pleite.

Kein Komfort, kein Service und keine Extras - nach diesem Prinzip funktionieren Billig-Airlines wie Easyjet, Ryanair oder Germanwings. Hier bekommt der Kunde seinen Flug für wenig Geld, inzwischen sogar über den Atlantik. Dafür muss er Abstriche bei der Ausstattung und dem Platz zum Vordermann hinnehmen. Für viele ist das trotzdem ein guter Deal – wenngleich mit Kompromissen. Das Geschäftsmodell ohne "Schnickschnack" funktioniert. Nur beim insolventen Fluganbieter Air Berlin ist das anders.

Air Berlin geht Mittelweg

Anfang der 2000er-Jahre galt die Airline noch eindeutig als Billigfluggesellschaft. Doch mit den Jahren weichte das Unternehmen das Billigflugkonzept auf: Air Berlin suchte den Mittelweg, wollte die Elemente von klassischen Airlines und Billigfliegern vereinen. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer Hybrid-Fluggesellschaft - einem Konzept, an dem das Unternehmen bis zum Ende festhielt.

Hybrid ist zwar ein Wort, das ich nicht sehr schön finde […] Aber ich habe bisher nichts erkennen können, was uns von dem bisherigen Geschäftsmodell abbringen sollte. Ich glaube, wir sind gut aufgestellt.

Hartmut Mehdorn, ehemaliger Vorstandschef von Air Berlin 2011

Der Erfinder der Billigflieger

Dass der Mittelweg nicht immer der richtige ist, zeigt auch der Fall von Laker Airlines. Denn Billigflieger sind keine Erfindung unserer Tage. Schon in den 70er-Jahren baute der Selfmademan Freddie Laker in Großbritannien die erste große Billigairline der Welt auf. Der Name: Laker Airways. Ihr Konzept war damals revolutionär: bis dahin unerschwingliche Flüge über den Atlantik waren auf einmal für ein verglichen kleines Budget zu haben. Ab 59 Pfund pro Strecke konnte man von London nach New York fliegen (entspricht heute etwa 360 Euro). Sein Konzept schon damals: die Flüge selbst sind billig, aber für jedes Extra wird der Fluggast kräftig zur Kasse gebeten.

Der Fall Laker Airways

Anfangs hatte der Billigpionier damit riesigen Erfolg. Doch die Konkurrenz wollte sich das nicht bieten lassen, startete einen Preiskrieg und senkte die Preise. Laker Airways geriet unter Druck und wich von seinem Erfolgsprinzip "kein Schnickschnack" ab. Allmählich glich man sich den etablierten "Edel-Fliegern" an. Neben der lukrativen Strecke London-New-York wurden auch die Ziele Kalifornien und Florida in den Flugplan aufgenommen. Reservierungen wurden angenommen und die Reisebüro-Branche integriert. All dies drückte auf den Gewinn. Hinzu kam die Vormachtstellung der dominierenden Airlines, die einen längeren Atem hatten. Fünf Jahre nach dem ersten Billigflug 1977 musste Laker Airways schließlich den Betrieb einstellen.

Der Mittelweg

Auch Air Berlin ging den Weg der Kompromisse - und ist heute insolvent. So waren zum Beispiel die Abstände zwischen den Sitzen bei Air Berlin anfangs minimal großzügiger als bei "reinen" Billigfliegern, aber etwas schlechter als bei der etablierten Lufthansa. Bordverpflegung war anfangs noch gratis – obwohl sie nicht besonders üppig ausfiel. Für besseres Essen und Alkohol musste man dann doch extra zahlen. Außerdem konnten Kunden bei Air Berlin Meilen und Prämien sammeln. Damit waren sie lange Zeit die einzige Billigfluggesellschaft mit einem Vielfliegerprogramm. Heute bietet das auch die Lufthansa-Tochter Eurowings an.

Die Grenzen verwischen

Doch im Laufe der Jahre verwischten die Grenzen zwischen dem Billigflugsegment und den klassischen Airlines. Auf etablierten Kurz- und Mittelstreckenflügen verzichtete nicht nur Air Berlin sondern auch viele traditionsreiche Airlines auf gratis Bordverpflegung - und näherten sich dem Billigfliegerkonzept an. Auch die Sitzabstände wurden enger.

Andererseits haben sich auch die reinen Billigflieger ein wenig "nach oben" bewegt. Sie fliegen nicht mehr nur von den abgelegenen Provinzflughäfen wie Frankfurt-Hahn oder Warschau-Modlin, sondern von zentral gelegenen Flughäfen, wie Frankfurt International und Warschau-Chopin. Außerdem hat Ryanair eine Art "Business-Class" eingeführt, mit mehr Beinfreiheit und vielen Extras. Damit wurde die Luft für einen Mittelweg, wie ihn Air Berlin eingeschlagen hatte, offenbar zu dünn.

(zuerst veröffentlicht am 16.08.2017)

Über dieses Thema berichtete der MDR AKTUELL auch im: Radio | 12.10.2017 | 12:00 Uhr
TV | 15.08.2017 | 19:30 Uhr