14. Januar 1875: Albert Schweitzer geboren Albert Schweitzer: Arzt, Philosoph und Friedensnobelpreisträger

16. November 2021, 10:04 Uhr

Der am 14. Januar 1875 geborene Albert Schweitzer war eine weltweit geachtete moralische Instanz. 1952 wurde dem "Urwaldarzt" für sein Engagement gegen das atomare Wettrüsten der Friedensnobelpreis zuerkannt. In der DDR trugen Krankenhäuser und Schulen Schweitzers Namen und es wurden Spendengelder gesammelt für sein Hospital in Lambaréné.

Die Mächtigen in der DDR waren allesamt begeistert vom Weltverbesserer und Gründer des Urwaldhospitals in Lambaréné in Afrika. Sie wähnten Albert Schweitzer auf ihrer Seite, als einen Kämpfer gegen "imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung". Man widmete ihm Briefmarken und Gedenkmünzen und verlieh Straßen, Schulen sowie Krankenhäusern seinen Namen. 1963 wurde gar ein "Albert-Schweitzer-Komitee" in der DDR ins Leben gerufen, das vor allem Spenden für das Urwaldhospital in Gabun sammelte.

Auch Walter Ulbricht sonnte sich im Glanz des weltweit geachteten Friedensnobelpreisträgers. Schweitzer ließ es mit sich geschehen. 1961 etwa schrieb er an den SED-Vorsitzenden: "Ich danke Ihnen herzlich für Ihr so freundliches Schreiben. Aus ihm ersehe ich, dass Sie dem, was ich über den Frieden gesagt habe, zustimmen und dass Sie auch der Idee der Ehrfurcht vor dem Leben sympathisch gegenüberstehen." Eine Einladung in die DDR lehnte Schweitzer aber "aus Zeitgründen" ab.

Albert Schweitzer 1875 im Elsass geboren

Albert Schweitzer wurde am 14. Januar 1875 im elsässischen Kaysersberg als Sohn eines Pfarrers geboren. Sicherlich war es kein einfacher Landstrich in dieser Zeit, denn der Deutsch-Französische Krieg war erst wenige Jahre vorbei und der Elsass dem neu gegründeten Kaiserreich als Kriegsbeute zugeschlagen worden. Schweitzer selbst lernte wohl erst in der Schule Hochdeutsch. So lange sprach er, wie es üblich für alemannisch-elsässischen Familien war, Dialekt.

Schweitzers Studium und Karriere in der Wissenschaft

Nach dem Abitur 1883 zog es ihn zu seinem ersten Studium nach Straßburg, doch wie sich herausstellen sollte, waren Theologie und Philosophie nur der Anfang seiner wissenschaftlichen Karriere. Sechs Jahre später wurde Schweitzer zum Dr. phil. promoviert, bevor er 1901 seine Dissertation im Fach Theologie abschloss. Zwei Titel schienen dem gläubigen und fleißigen jungen Mann nicht genug. Er habilitierte sich 1902 zudem in der Theologie, konnte also fortan auch den Titel eines Professors erhalten. Jahre der wissenschaftlichen Arbeit schlossen sich an. Als Universitätsdozent, aber auch als vielbeachteter Autor wirkte er weiterhin im damals deutschen Straßburg. Bereits 1905 zog es den zweifachen Doktor wieder auf die Schulbank, mit der festen Absicht, ein Medizinstudium zu absolvieren. Es soll nicht ganz ohne Probleme abgelaufen sein, dass sich ein Dozent wieder unter die Studenten mischte. Mit dem Ziel vor Augen, als Missionsarzt in Afrika zu wirken, setze er dennoch seine erneute Immatrikulation durch. Obwohl ihm noch vorher der Professorentitel durch die Universität verliehen wurde, schrieb er 1913 seine Doktorarbeit im Fach Medizin.

Schweitzers erster Aufenthalt in Afrika

Albert Schweitzer war mit nicht einmal 40 Jahren bereits Professor und dreifacher Doktor, ein Umstand, der heute kaum noch vorstellbar wäre. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs, der die europäischen Völker ein weiteres Mal trennen sollte, hatte Schweitzer die feste Absicht, mit seiner deutschen Frau Helene Europa in Richtung Gabun/Afrika zu verlassen. Der Erste Weltkrieg erreichte schließlich auch Afrika. Kein Jahr später wurden Schweitzer und seine Frau von französischen Kolonialtruppen unter Hausarrest gestellt, bevor sie gegen Ende des Krieges festgenommen und auf das französische Festland gebracht wurden, wo sie bis zum Ende des Krieges an der Mittelmeerküste interniert waren. In dieser Zeit soll Schweitzer zentrale Elemente seiner Ethik der "Ehrfurcht vor dem Leben" entwickelt haben.

Schweitzers Lebenswerk: das Krankenhaus Lambaréné

Mit dem Ende des Krieges gingen Schweitzer und seine Frau zurück ins Elsass, das nun wieder zu Frankreich gehörte und wieder oder immer noch seine Heimat war. Nun erhielt er auch die französische Staatsbürgerschaft und fand in Straßburg erneut Anstellung. In den 1920er-Jahren wurde Schweitzer durch seine Schriften und Vorträge einem größeren Publikum bekannt. Wie viele andere warnte er vor dem aufkeimenden Nationalsozialismus und neuen Kriegen in  Europa. An seinem Traum, dem Urwaldhospital in Lambaréné, hielt er fest und blieb dennoch mit dem europäischen Festland verbunden und informiert.

Schweitzer bekommt Friedensnobelpreis

Die Wirkung Schweitzers geht weit über die Theologie, die Kirchenmusik, die Publizistik und die Medizin hinaus. Nachdem er 1952 für sein Engagement gegen das atomare Wettrüsten den Friedensnobelpreis erhalten hatte, rückte er erneut in das Licht der Weltöffentlichkeit und mit ihm seine Lehre der "Ehrfurcht vor dem Leben". Schweitzer stilisierte sich damit in den 1950er-Jahren zur moralischen Instanz, zur Leitfigur im Kampf gegen die atomare Bewaffnung der Völker. Beseelt durch seine theologisch-philosophischen Studien, aber auch durch seine eigenen Erfahrungen als Elsässer und "Weltbürger", wie er sich selber nannte, mischte er sich auch von seinem Hospital in Afrika in das Geschehen ein, immer wenn er die Welt am Rande eines Krieges sah.

Albert Schweitzer kümmert sich in seinem Urwaldhospital aufopferungsvoll um bedürftige Menschen
Albert Schweitzer in seinem Urwaldhospital in Lambaréné Bildrechte: MDR/Degeto/NFP

Albert Schweitzer und die DDR

Das Engagement Schweitzers rief auch Schmeichler und Claqueure jedweder politischer Couleur auf den Plan. Seine Lehre erfreute sich nicht nur bei den Bürgern vieler Länder großer Beliebtheit, auch die Mächtigen sahen ihn zuweilen als eine Ikone, mit der sie ihr (vermeintliches oder echtes) Streben nach Weltfrieden unterstreichen konnten.

Schweitzer war indes Pragmatiker. Er befand sich in einer Situation, in der er nicht über ein Krankenkassensystem und Kopfpauschalen ein Krankenhaus mit 600 Betten in Gabun finanziert bekommen hat. Und er war darum auf alle Spenden angewiesen. Er war politisch sehr gut informiert, wusste auch genau, was in der DDR los war. Aber er hat gesagt: 'Ich rede mit jedem, der Interesse an meinem Werk hat.'

Nils Ole Oermann, Schweitzer-Biograph

Pazifist und moralische Instanz

Der Mann, der wohl einfach zu viel erlebt hatte, um sich nicht einzumischen, und dem sein Urwaldhospital am Herzen lag, wurde zum Politikum und vielleicht auch zum Politiker. Jede Hilfe für sein Krankenhaus war ihm willkommen. Und konnte er als Mann des Glaubens Einfluss auf die Verhältnisse beispielsweise in der jungen DDR nehmen, so tat er es. Vom Filmteam bis zum Funktionär beherbergte er jeden, der aus der DDR den Weg in sein Urwaldkrankenhaus fand. Der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden dankte es dem Theologen mit Sammlungen von Hilfsgütern. Ein kleiner diplomatischer Akt für die nach Anerkennung suchende DDR.

Kritik am DDR-System gab es hingegen nicht, Schweitzer setzte sich eher hinter den Kulissen ein, wie sein Biograph Nils Ole Oermann berichtet. Ob es um den Systemkritiker Robert Havemann ging, der ihn 1960 in Lambaréné besuchte und für den sich Schweitzer bei Ulbricht verwendet hatte, oder um die Sprengung der Leipziger Universitätskirche. Schweitzer versuchte, die diplomatischen Kanäle auch in die Gegenrichtung zu nutzen.

Albert Schweitzer hat die Welt zum Positiven verändert

Auch wenn Albert Schweitzer gerne von einem System vereinnahmt werden sollte, das in seiner Gesamtheit so gar nicht zu seinem Lebenswerk und seinen Lehren passte, so ist er doch nach wie vor Vorbild und Instanz. Sein Humanismus und Pazifismus ließen sich nicht für den Gebrauch im jeweiligen System domestizieren oder gar als Legitimationen heranziehen. Könnte man das Werben der DDR und auch vieler anderer Staaten um die Person Schweitzers als eine Verbeugung vor seinen Lehren begreifen, so hat der Weltbürger Schweitzer ganz gewiss etwas auf der Welt zum Positiven verändert.