Erich Honecker und Walter Ulbricht winken zur Mai-Parade 1972 in Berlin von der Ehrentribühne
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26. April 1971 - Der Coup am Döllnsee Erich Honeckers Weg zur Macht

01. Juli 2016, 16:33 Uhr

Der zweitmächtigste Mann der DDR plant den großen Coup. Am 26. April 1971 ist es soweit: Honecker putscht seinen politischen Ziehvater Ulbricht aus dem Amt und setzt sich selbst an die Spitze von Partei und Staat. Was für ein Aufstieg für den Mann mit der abgebrochenen Dachdeckerlehre, der unter den Nazis zehn Jahre im Zuchthaus saß und nach 1945 seine Laufbahn im Arbeiter- und Bauernstaat als Jugendpolitiker startet - dank Ulbricht, den er erst unterstützen und später skrupellos stürzen wird.

26. April 1971 - Der Coup am Döllnsee

26. April 1971. Ein ganz normaler Frühlingstag. Die Menschen in der DDR gehen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach. Nichts deutet darauf hin, dass dies einer der bedeutendsten Tage in der Geschichte der DDR werden wird. Doch am frühen Morgen macht sich Erich Honecker mit einem bewaffneten Begleitschutz auf den Weg zu Walter Ulbrichts Ferienhaus am Döllnsee in der Schorfheide bei Berlin ...

Vom Vertrauten zum Rivalen

Der zweitmächtigste Mann der DDR plant Ungeheuerliches: Er will Walter Ulbricht absetzen, um sich selbst an die Spitze von Partei und Staat zu bringen. Ausgerechnet er, der dem "Alten" seinen politischen Aufstieg zu verdanken hat!


Wie schaffte es der häufig unterschätzte und unauffällige Honecker zum mächtigsten Mann der DDR zu werden und dabei seinen Ziehvater Ulbricht mit Gewalt aus dem Amt zu drängen? Was waren seine politischen Ziele? Nach außen demonstrierten sie lange Sympathie, Vertrauen, Loyalität. Doch hinter den Kulissen sah es anders aus.

Honecker stieg vom hoffnungsvollen FDJ-Chef zu dem Mann, der an entscheidender Stelle in den Mauerbau involviert war, auf und schrieb damit Weltgeschichte. Als Sekretär im Zentralkomitee der SED für Sicherheitsfragen zuständig, war er verantwortlich für die "Operation Rose, die totale Abriegelung West-Berlins am 13. August 1961. Die perfekte Durchführung der Aktion wird sein "Gesellenstück", bringt ihm die Anerkennung Ulbrichts ein. Am Ende reißt Honecker im Frühjahr 1971 die Macht ganz an sich.

Was für ein Aufstieg

Honeckers Aufstieg hätte damals wohl kaum einer für möglich gehalten: Denn immer wieder gibt es Rückschläge für den Mann mit der abgebrochenen Dachdeckerlehrer, der 1929 in die KPD eintritt, 1935 als Untergrundkurier von den Nazis verhaftet wird und die nächsten zehn Jahre bis zum Kriegsende im Zuchthaus sitzt.

Erich Honecker und Leonid Iljitsch Breschnew begrüßen sich mit einem Bruderkuss anlässlich Breschnews Teilnahme an den Feiern zum 30. Geburtstag der DDR in Ost-Berlin
Weggefährten: Honecker empfängt den sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew 1979 in der DDR. schon im Vorfeld des Machtwechsels schlossen die beiden eine enge Allianz. Bildrechte: imago images / Sven Simon

Sein früher Mentor Ulbricht dagegen kommt 1945 aus dem Moskauer Exil zurück. Dank seiner Hilfe startet Honecker als Jugendpolitiker durch. Frauengeschichten, Misserfolge oder Intrigen seiner Gegner kosten ihn fast die Karriere. Doch Honecker geht unbeirrt seinen Weg.

Zunächst als getreuer Vollstrecker der Politik Ulbrichts, den er auch nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 unterstützt, später immer mehr als dessen heimlicher Gegner - zum Beispiel in der Jugend- und Kulturpolitik, als er eine liberale Phase mit dem "Kahlschlagsplenum" von 1965 beendet. Honecker trieb mehrmals ein gefährliches Spiel, das ihn nicht nur einmal gefährlich nah an den Abgrund brachte.

Biografische Daten im Überblick Erich Honecker wurde am 25. August 1912 im saarländischen Neunkirchen geboren. Als Funktionär der KPD wurde er 1935 von der Gestapo verhaftet und im Zuchthaus Brandenburg eingesperrt. Nach dem Krieg gehörte Honecker zu den Mitbegründern der FDJ und wurde ihr Vorsitzender. 1971 löste er Walter Ulbricht an der Spitze der SED ab. Fünf Jahre später wurde er auch Staatsratsvorsitzender der DDR.

Nach den ersten großen Montagsdemonstrationen zwang die SED-Führung Honecker zum Rücktritt. 1991 floh Honecker vor der Verhaftung wegen der Todesschüsse an der Mauer nach Moskau. 1992 wurde er nach Berlin ausgeliefert. Nach Einstellung des Justizverfahrens reiste Honecker im März 1993 nach Santiago de Chile zu seiner Familie, wo er im Mai 1994 starb.