Wie rechts ist die Bundeswehr? - Extremismusforscher Dr. Matthias Quent im Interview

23. August 2017, 12:00 Uhr

Wie und Warum Soldaten als Bündnispartner von einer breiten Allianz aus Rechtspopulisten, Neuen Rechten und Nationalkonservativen derzeit so stark umworben werden wie lange nicht mehr. Ein Gespräch mit dem Extremismusforscher mit Dr. Matthias Quent.

Es gibt seit längerem Versuche von Politaktivisten des rechten bis ultra-rechten Spektrums, Menschen aus der Mitte der Gesellschaft "abzuholen". Also sie mit Hilfe von Aktionen, Demonstrationen und Publikationen für die eigene Agenda empfänglich zu machen. Welche Rolle spielt dabei das Thema Bundeswehr?

Ein Ziel der Neuen Rechten ist es, die politischen Eliten im Land auszutauschen. Und sie sehen im Militär, jedenfalls in Teilen des Militärs, natürliche Verbündete. Sie argumentieren ja oftmals so, die Bundesregierung würde nicht mehr dem Volk dienen, sondern angeblich anderen Interessen, das geht bis in Verschwörungstheorien, die oftmals sehr antisemitisch aufgeladen sind. Und in diesem Bild kommt der Bundeswehr, kommt dem Militär ein stabilisierender, ein widerständiger Habitus, eine widerständige Funktion zu. Sie sagen, wenn der Staat schon fällt, dann sind "unsere Jungs" das Rückgrat, die Absicherung gegen diese angeblichen Verschwörungen, die da im Spiel sind. Insofern sind die Bezugnahmen, die Einflussnahmen aber auch der Hintergrund und die Herkunft von einigen Autoren und Rednerinnen in diesem neurechten Spektrum mit der Bundeswehr eng verbunden. Weil man sich auf geteilte Werte beruft: also Nationalismus, eine gewisse Härte, die attestiert wird und natürlich Männlichkeit. Das sind anschlussfähige Kategorien. Damit wird versucht, Parallelen herzustellen.

Hat dieses Umwerben von Bundeswehrangehörigen denn tatsächlich Erfolg? Hin und wieder fällt zumindest auf, dass einige pensionierte Generäle auf entsprechenden Veranstaltungen präsent sind. 2016 z.B. beim sogenannten "Bürgerforum Altenburger Land", wo der ehemalige Panzergeneral Gerd Schultze-Rhonhof sogar als Redner auftrat.

Es gibt regelrecht Vereinnahmungs- und Unterwanderungsversuche, wo also versucht wird Bundeswehrangehörige, auch in hohen Positionen, mit in die eigene politische Strategie einzuführen, auf die eigenen Gleise zu führen. Man sieht Gemeinsamkeiten. Man hat - vielleicht - eine gemeinsame Vergangenheit in persönlichen Beziehungen und will diese also auch politisch nutzen, wo es darum geht, politischen Einfluss auszuüben. Denn jetzt, wo die Neue Rechte aus ihren eigentlich intellektuellen hintergründigen Zirkeln in die Öffentlichkeit tritt, da sind Militärstrukturen, nicht nur aus taktischen Gesichtspunkten, aus ideologischer Übereinstimmung sondern auch aus einer gewissen soziokulturellen Nähe dieser Identitäten, einfach Felder, wo das eher gelingt als in anderen Bereichen. Wenn man beispielsweise eine gemeinsame Vergangenheit hat bei der Bundeswehr, im Militär, an gemeinsame Werte, militärische Tugenden appellieren kann, dann hat man einen gemeinsamen Nenner, den die Neurechten in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht mehr haben.

2015, auf dem Höhepunkt der sogenannten "Flüchtlingskrise" verfasst der Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins "Compact" einen "Aufruf an unsere Soldaten", in dem es heißt: "In einer Situation, wo von der Staatsspitze Gefahr für das Volk ausgeht, seid Ihr nicht mehr an Befehle dieser Staatsspitze gebunden. Diese Situation ist eingetreten." Wie viel Gefahr steckt in dieser politischen Mobilmachung?

Im Kontext von politischen Kämpfen in der Gesellschaft aber auch innnerhalb der Bundeswehr kommt es natürlich auch immer wieder zu Grenzüberschreitungen, die auch den gezielten Versuch darstellen, die Grenzen des Sagbaren, auch die quantitativen Grenzen des eigenen Bereichs zu erweitern. Das heißt also Propaganda zu machen für seine Ziele, da rein zu wirken und so zu probieren, neue Anhänger zu finden und auch zu probieren, wie reagiert eigentlich die Demokratie auf unsere im Kern mit dem Grundgesetz nicht vereinbaren ideologischen Versatzstücke. Können wir uns in einer Situation, die gesellschaftlich angespannt ist, erlauben weiter zu gehen als das noch vor einigen Jahren der Fall war?

Grundlegender Bestandteil der bisherigen Konzeption einer Armee der Bundesrepublik ist die Idee des Soldaten als Bürger in Uniform. Ausgerechnet jüngere Offiziere, kritisieren diese Konzeption neuerdings massiv. Staat und Militär, so ihre Klage, hätten sich entfremdet.  Wo die Gesellschaft militärische Gewalt als probates Mittel mehrheitlich ablehne, nehme auch die Loyalität des Soldaten zu dieser Gesellschaft ab. Eine besorgniserregende Entwicklung?

Erfahrungen von abnehmender oder verwehrter Anerkennung in der Bundeswehr können einen Nährboden darstellen, für möglicherweise Agitatoren, die dann diese Unzufriedenheit versuchen aufzufangen. Die sagen: "Ihr werdet nicht genug anerkannt – Das würde es mit uns nicht geben!" Das würde es mit einer Bundeswehr, die hierarchisch ist, die autoritärer ist, die härter und deutscher ist, so wie man das dort nachlesen kann, das würde es in dieser Form nicht geben. Und das ist ein schwieriger Moderationsprozess zwischen der Anerkennung, der wahrgenommenen Nicht-Anerkennung und zwischen dem, was daran wahr oder rein subjektiv ist. Und eben diesen Versuchen der Einflussnahme mit politischen Motiven. Und insbesondere diese Einflussnahmen müssen aufgeklärt werden.

Auffällig in diesem Zusammenhang ist, dass diejenigen die gerne politisch auf die Bundeswehr und ihre Angehörigen Einfluss nehmen möchten, sich selbst gern auch entsprechend optisch präsentieren. Mal wird die alte Uniformjacke übergestreift, öfter noch auf ein möglichst gleichförmiges, uniformes Erscheinungsbild Wert gelegt. Worauf zielt diese Inszenierung?

Die soldatische, die militärische Inszenierung, die man unter anderem im Kontext des "Instituts für Staatspolitik" ("Denkfabrik" der Neuen Rechten in Schnellroda/Sachsen-Anhalt) aber auch bei der ehemaligen Pegida-Aktivistin Tatjana Festerling feststellen kann, wo man sich in Uniform zeigt, militärähnliche Aktionen durchführt, aber vor allem auch die Inszenierung des Soldatentums jenseits der Bundeswehr, spricht zum einen für die Wahrnehmung einer Bedrohung, einer Kriegssituation. Man inszeniert eine Kriegssituation, einen Ausnahmezustand, in dem selbst Soldaten und Soldatinnen gefragt wären, die gar nicht wirklich Soldatinnen und Soldaten sind, also nicht in der Bundeswehr sind. Das Land, das Volk und Vaterland, wie es dann heißt, sei bedroht und deshalb müsse jeder und jede seiner im Kern soldatischen Pflicht nachkommen, denn wenn ein Land bedroht ist, ist es Aufgabe der Soldaten es zu verteidigen. Völlig egal ob die Bundeswehr, das offizielle Heer, damit betraut ist oder ob es nicht schon, wie es aus  deren Wahrnehmung heißt, in die Hand des Feindes gefallen ist. Und diese soldatische Inszenierung drückt einen Status von Radikalisierung und Radikalität aus, den man immer wieder im rechtsextremen Spektrum findet. Auch in den 1990er-Jahren hat man das immer wieder vorgefunden. Das ist eine Vorstufe von Gewaltausübung. Es werden Bilder, es werden Zustände evoziert und beschrieben, um damit eine Kampfbereitschaft herzustellen.


Zur Person: Dr. Matthias Quent ist Extremismusforscher und Direktor des IDZ, "Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit" in Jena. Das Institut ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung. Gefördert wird es durch das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.

Über dieses Thema berichtete MDR ZEITREISE auch im: TV | 22.08.2017 | 21:15 Uhr