Die Spur der Ahnen | 10.01.2018 Für Goebbels an der Kamera

02. Februar 2017, 08:52 Uhr

Wer war Erich Schnabel wirklich? Sein Sohn Gotthart hat seinen Vater als wunderbaren Lehrer in Erinnerung, der aus politischen Gründen 1938 den Schuldienst quittiert. Doch nicht nur Erinnerungen von Zeitzeugen werfen ein anderes Licht auf seinen Vater. Was hat es mit den seltsamen Erinnerungen an grausame Filmaufnahmen auf sich, die möglicherweise aus dem Warschauer Ghetto stammen? Hat sein Vater etwas mit diesen Bildern zu tun, und wenn ja, was genau?

Buchcover  Porträt Gotthard Schnabel
Gotthard Schnabels Buch Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Als Erwachsener veröffentlicht Gotthart Erinnerungen an seine Kindheit in Dresden. Er weiß nicht viel über seinen Vater. Er hat ihn als einen Mann in Erinnerung, der mit den Nazis nichts am Hut hatte, im Gegenteil: Für ihn war sein Vater ein NS-Gegner, der aus politischen Gründen aus dem Schuldienst entlassen wurde.

Andere Zeitzeugen - komplett andere Erinnerungen

Die Reaktionen auf seine Veröffentlichung im Jahr 2008 überraschen Gotthart: Zeitzeugen in Sachsen haben nämlich komplett andere Erinnerungen an den Vater - sie kennen Erich Schnabel als überzeugten Nazi, der frühzeitig in die NSDAP eingetreten ist und behaupten sogar, die Familie Schnabel sei die verhassteste in Dresden-Gruna gewesen, Leute vor denen man Angst hatte. Erich Schnabel soll mit dem Motorrad durch Sachsen gefahren sein und für die NSDAP geworben haben. Als Lehrer unterrichtet er an der Hans-Erlwein-Schule.

Wo Erich Schnabel unterrichtete Nach der Eingemeindung der kleinen Gemeinde Gruna beschließt die Stadt Dresden einen Schulneubau. Die Volksschule hat Platz für 1.624 Jungen und Mädchen, ab 1920 wird sogar teilweise in gemischten Klassen unterrichtet. 1935 wird die Schule - wie viele andere - umbenannt und heißt nach dem Gründer des nationalsozialistischen Lehrerbundes Hans Georg Schemm Schule. Heute ist es das Hans Erlwein-Gymnasium - benannt nach dem ersten Leiter der Lehranstalt.

Privat frönt Erich Schnabel einem damals exklusiven Hobby: Er filmt leidenschaftlich gern und steckt nicht nur viel Geld, sondern auch viel Zeit in sein Hobby. Eine Schulchronik verweist auf drei Filme, die in der Zeit, in der Schnabel in Gruna unterrichtete, entstanden sind. Einer davon ist der als staatspolitisch wertvoll ausgezeichnete Film "Die Pimpfe erleben den Grenzlandwinter" - ein Propagandastreifen für die Jugend, der Kinder beim Schlitten fahren und Fahnen-Appell zeigt.

Der Vater, ein Propaganda-Filmer: War das geheim, vergessen oder in der Familie gar nicht bekannt?

Worüber später in seiner Familie nicht gesprochen wurde: Schnabel ist seit 1934 nebenberuflich in der Gaufilmstelle in Sachsen tätig. Als ehrenamtlicher Kameramann wird er vom Unterrichten freigestellt, wenn die NSDAP einen Mann hinter der Kamera braucht. Bezahlt wird er weiter als Lehrer, ist aber ab 1939 "kriegsunabkömmlich" und arbeitet als Kameramann für die NSDAP in Sachsen.

Ein grausamer Erinnerungsfetzen

Eine Erinnerung aus dem Jahr 1944 hat sich Gotthart Schnabel ins Gedächtnis gebrannt: Männer werfen in einer Straße Leichname auf einen Karren. Was sind das für Bilder? Gotthart vermutet, dass er Filmaufnahmen gesehen hat, die sein Vaters im Auftrag des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels 1942 im Warschauer Ghetto gemacht hat. Doch in der Familie stößt er auf Schweigen.

Was hat es mit dieser Familienlegende auf sich? Gehörte der Dresdner Lehrer tatsächlich zu Goebbels Propaganda-Maschinerie und filmte im Warschauer Ghetto? Das versucht Gotthart Schnabel mit dem Team der Spur der Ahnen herauszufinden.