Heinrichs Buße in Canossa

22. Oktober 2007, 18:53 Uhr

Als erster König des deutschen Reiches überhaupt wird Heinrich vom Papst gebannt. Mit dem Bußgang nach Canossa rettet er seine Macht. War das ehrliche Reue oder ein taktisch kluger Schachzug des viel geschmähten Tyrannen?

Keinem anderen Herrscher unterstellen so viele Quellen so viele Verstöße gegen das Recht der Zeit. Als Mörder und Vergewaltiger, als Tyrannen schildert ihn der Chronist Bruno von Magdeburg, allerdings ein ausgewiesener Gegner. Mit seinem Bußgang nach Canossa geht Heinrich IV. in die Geschichte ein, nachdem er als erster deutscher König des deutschen Reiches überhaupt vom Papst mit einem Bann belegt worden war. So etwas hatte es vorher nie gegeben. Wie kam es dazu?

Die Vorgeschichte

Nicht nur mit seinem Lebenswandel empört Heinrich IV. die Großen des Reiches, auch mit seiner Amtsführung macht er sich Feinde. So fällt er ins Land der Sachsen ein, will an die reichen Erz- und Silbervorkommen. Es kommt zum Krieg, den er nach einer schicksalhaften Wendung in der bis dato größten Schlacht zwischen Angehörigen des römisch-deutschen Reiches unter der Führung seines Getreuen Rudolf von Rheinfelden am 9. Juni 1075 bei Homburg an der Unstrut für sich entscheiden kann. Die Sachsen müssen sich bedingungslos unterwerfen. Plündernd zieht Heinrichs Heer durch die Lande. Die Machtfülle des 23-jährigen Königs scheint grenzenlos.

Unbill und Schmach, die unser König seit langem über jeden einzelnen von euch allen gebracht hat, sind groß und unerträglich. Starke Burgen hat er errichtet und bedeutende Kräfte seiner Vasallen, mit aller Art Waffen reichlich versehen, in sie gelegt. Euch, die ihr in der Nähe wohnt, nahmen sie in ihre Gewalt und verschleppten sie in diese Burgen. Eure Frauen und Töchter missbrauchten sie nach Gefallen zu ihrer Lust.

Bruno von Magdeburg, Chronist und Gegner Heinrichs auf Seiten der Sachsen Aus dem: "Buch vom Sachsenkrieg

Der Streit um die Investitur

Doch nur ein Jahr später geschieht das Unglaubliche, das es vorher noch nie gegeben hat: Der König wird vom Papst gebannt. Im vatikanischen Archiv finden sich die Belege für die Vorgänge: Nach dem Sieg gegen die Sachsen besetzt Heinrich den Mailänder Bischofsstuhl neu. Ausnahmsweise bricht er damit einmal keine Regel, denn er, Heinrich, ist König von Gottes Gnaden und damit auch das Haupt der Kirche. Es steht ihm also zu, geistliche Ämter zu besetzen. Aber Heinrich verkennt, dass sich die Verhältnisse in Rom entscheidend geändert haben. Der Spitzname des neuen Papstes lautet "Zuchtrute Gottes". Gregor VII. will den Glauben und die Kirche reformieren: Er sieht sich als das Haupt der Kirche. Deswegen darf auch nur er, der Papst, Bischöfe berufen, also investieren.

Der Machtkampf zwischen Gregor und Heinrich

So nimmt der "Investiturstreit" seinen Lauf: Heinrich missachtet das Verbot, geistliche Ämter zu besetzen. Gregor sendet dem König daraufhin einen Brief, in dem er ihn auffordert, "dem apostolischen Stuhl zu gehorchen, wie es sich für einen christlichen König geziemt". Ansonsten werde er ihn mit dem Bann belegen, lässt er vertraulich zusätzlich zum Brief mitteilen. Heinrich sieht darin eine unerhörte Anmaßung! Gemeinsam mit den Reichsbischöfen verfasst er ein Antwortschreiben, das es in sich hat: Es endet mit der Aufforderung an den Papst: "Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab!" Gregors Antwort erschüttert die Welt:

Ich " ... spreche König Heinrich ... der Regierung des ganzen Königreichs der Deutschen und Italiens ab, löse alle Christen von den Fesseln des Eides, den sie ihm geleistet haben ... und verbiete jedermann, ihm als König zu dienen.

Der Bannspruch von Papst Gregor VII.

Der Gang nach Canossa

Gregor VII. bannt und exkommuniziert König Heinrich. Das hat es noch nie vorher gegeben! Es herrscht große Unsicherheit und Verwirrung. Nicht nur die selbstbewussten Reichsfürsten – auch die Sachsen und sogar sein enger Verbündeter, Rudolf von Rheinfelden, stellen sich nun gegen Heinrich. Da trifft er eine Entscheidung, die seine Macht sichern wird: Im Dezember 1076 tritt Heinrich seinen legendären Gang nach Canossa an. Er reist gen Süden, um den Papst dazu zu bewegen, den Bann aufzuheben. Die Reise über den Alpenpass am Mont Cenis endet mehrmals fast tödlich.

Der schroffe Berghang war durch die eisige Kälte so glatt geworden, dass ein Abstieg hier völlig unmöglich schien. Sie krochen bald auf Händen und Füssen voran, manchmal auch, wenn ihr Fuß auf dem glatten Boden ausglitt, fielen sie hin und rutschten ein ganzes Stück hinunter. Die Königin aber und die anderen Frauen ihres Gefolges setzte man auf Rinderhäute.

Über den Gang nach Canossa

Ehrliche Buße oder leeres Ritual?

Papst Gregor flüchtet sich in die Burg Canossa, um der Begegnung mit Heinrich aus dem Weg zu gehen. Dort aber hat der König mächtige Fürsprecher. Die Markgräfin der Burg Canossa, Mathilde von Tuszien und Heinrichs Taufpate Hugo von Cluny versuchen, Gregor davon zu überzeugen, die königliche Buße anzunehmen. Denn eigentlich wird im Mittelalter vorher über das Ritual der Unterwerfung verhandelt. Bezeugt ist jedenfalls, dass Heinrich am 25. Januar 1077 das Bußritual beginnt. Drei Tage lang lässt Gregor den König barfuss und im Büßergewand im Schnee stehen. Endlich, am vierten Tag, entscheidet sich Gregor, Heinrich zu vergeben und ihn wieder in die Kirchengemeinschaft aufzunehmen. Als taktischer Sieger geht Heinrich aus der Auseinandersetzung hervor, doch wurde der Gang nach Canossa zum Symbol für den Sieg der geistlichen über die weltliche Macht.

Man muss bei einem mittelalterlichen Menschen, der in dieser Zeit ja den Dom zu Speyer bauen lässt und sich unter den Schutz Mariens stellt, schon annehmen, dass er die Hölle für eine reale Einrichtung hält und dass er in diesem Falle auch Angst um sein Heil hatte und das vielleicht auch das ein Motiv war. Aber davon unabhängig ist das, was er gemacht hat, politisch geschickt gewesen.

Gerd Althoff, Historiker

Heinrich zieht gegen Rom und lässt sich zum Kaiser krönen

Doch mit der Buße ist es nicht getan: Heinrich soll sich einer vom Papst geleiteten Untersuchung seiner Amts- und Lebensführung stellen. Viele Reichsfürsten, vor allem natürlich die Sachsen stellen sich gegen die Aufhebung des Banns und wählen in Heinrichs Abwesenheit seinen einstigen Getreuen Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig. Es kommt zum Krieg. Am 15. Oktober 1080 soll die salische Dynastie ein für alle Mal gerettet werden. Bei Hohenmölsen an der Weißen Elster im heutigen Sachsen-Anhalt beginnt "das schreckliche Morden" (Bruno von Magdeburg).

Doch wieder kommt es zu einer schicksalhaften Wendung: Rudolf verliert in der Schlacht seine rechte Hand, die Schwurhand. Das gilt als Zeichen. Heinrich gewinnt die Schlacht. Nach dem Sieg zieht er gen Rom, belagert die Stadt zwei Jahre lang. Gregor flieht ins Exil. Nur eine Woche später, am Ostersonntag 1084, krönt Clemens III., der neue Papst, Heinrich und Bertha zu Kaiser und Kaiserin. Heinrich IV. ist jetzt 34 Jahre alt. Dem unberechenbaren Herrscher stehen noch 21 Jahre Regentschaft bevor.