Der Pariser Eiffelturm.
Bildrechte: colourbox

1889 - Eiffelturm wird auf der Weltausstellung in Paris vorgestellt Von der "tragischen Laterne" zur "Dame aus Eisen"

30. März 2017, 14:02 Uhr

Ein "Schandfleck für die Stadt", ein "lächerliches Skelett", eine "tragische Laterne" – der Pariser Eiffelturm hatte es vor seinem Bau nicht leicht. Es hagelt Proteste. Dennoch wurde der Turm gebaut und hat sich seither zum Wahrzeichen von Paris gemausert, an dem kein Tourist vorbei kommt.

Ort und Tag seiner Geburt sind genau überliefert. Am 6. Juni 1884 zeichnet der Ingenieur Maurice Koechlin im Haus Nr. 11 der Rue Châtelier von Paris die erste Skizze des Turms, der heute das Wahrzeichen von Paris ist. Eine Konstruktion auf vier Gitterträgern, die in der Spitze zusammenlaufen. 300 Meter soll er hoch werden und alle Monumente der Epoche übertreffen: die Kathedrale Notre-Dame, die Freiheitsstatue von New York, die Säule der Bastille.

Einmaliges Symbol für Weltausstellung

Eiffelturm in Paris
Bildrechte: Colourbox.de

1884 wird in Paris ein Clou für die bevorstehende Weltausstellung 1889 gesucht. Deswegen präsentiert Maurice Koechlin die Idee seinem Chef, dem 52-jährigen Brückenbauer und Eisenkonstrukteur Gustave Eiffel. Der Plan löst bei Eiffel zunächst keine Begeisterung aus. Am Eingang der Weltausstellung auf dem Champ de Mars einen 300 Meter hohen Eisenturm in den Himmel wachsen zu lassen, erscheint ihm ein wenig abwegig. Doch je weiter die Zeit voranschreitet, desto größer wird der Druck auf die Stadtverantwortlichen, der Weltausstellung Einmaligkeit und Glanz zu verschaffen. Eiffel erinnert sich an die Skizze, kauft Koechlin und einem weiteren Kollegen die Urheberrechte ab und stellt die Entwürfe 1885 vor.

"Lächerliches Skelett aus Eisen"

Doch der Turm spaltet die Geister: Die Befürworter, darunter natürlich auch Eiffel selbst, wollen ein Symbol des grenzenlosen industriellen Fortschrittes schaffen und greifen sogar zu biblischen Vergleichen mit dem Turm zu Babel. Die Gegner sehen in den Turm einen "Fabrikschornstein", der die historischen Schönheiten von Paris demütigt. Vierzig Künstler unterzeichen den "Protest der Künstler", beschreiben den Turm als unnötig, ungeheuerlich, ein lächerliches Skelett aus Eisen.

Ihnen war dies ein Schandfleck im ästhetischen Erscheinungsbild der Stadt Paris. Und sie hatten die Befürchtung, dass dieser hohe Turm die Kapitale der Künste und der Kunst in Europa überstrahlen und letztlich dominieren würde.

Alexander Kluy, Buchautor

Zeichen für Revolution und Republik

Vor der Auswahlkommission der Weltausstellung wirbt Gustave Eiffel mit rhetorischem Geschick. Der Turm könne die moderne Ingenieurskunst verkörpern sowie das Zeitalter der Industrie und Wissenschaft, das durch die Revolution 1789 vorbereitet wurde. Durchaus ein verkaufsförderndes Argument, da die Weltausstellung 1889 auf das Jubiläumsjahr "100 Jahre Französischen Revolution" fällt. Doch als das Parlament die Entscheidung trifft, ob Eiffel die Eisenkonstruktion mit Staatszuschuss bauen darf, gibt nicht der Signalwert für die Republik den Ausschlag, sondern die Faszination, die das Bauwerk mit seiner bisher unvorstellbaren Höhe ausstrahlen wird.

Das Revolutionsjubiläum von 1889

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich Weltausstellungen als internationale Leistungsschauen für Technik und Kunsthandwerk etabliert. 1867 und 1878 ist die Metropole Paris schon einmal Gastgeber, doch der mehrjährige Rhythmus entspricht immer weniger dem schneller werdenden Informationsaustausch der Wissenschaftler und Techniker auf Kongressen und in Zeitschriften. Die Macher fürchten für 1889 eine gewisse "Ausstellungsmüdigkeit". Doch der Turm sorgt für Ansturm, 32 Millionen Besucher kommen, so viele wie noch nie. Pariser und Besucher nehmen den Eiffelturm plötzlich als gigantische Attraktion und ein phantastisches Wunderwerk in Besitz.

Der Turm wurde dann sehr rasch zu dem Inbegriff des Aufbruchs in das 20. Jahrhundert. Er stand für Optimismus und Fortschrittsglaube und die ungebrochene Fähigkeit des Menschen, gigantische Projekte zu realisieren.

Alexander Kluy, Buchautor

Die Rettung des Eiffelturms

Der Eiffelturm ist ein Monument des technischen Fortschritt, ohne direkten Zweck und Nutzen. Sobald die Weltausstellung beendet ist, wird in Paris die Existenzfrage gestellt, zumal die Lizenz des Turmes auf 20 Jahre befristet ist. Um einer Diskussion über den Abriss vorzukommen, stellt Gustave Eiffel den wissenschaftlichen Nutzen des Turms in den Vordergrund: Auf der obersten Plattform entsteht eine Wetterstation. Ab 1903 experimentieren Forscher mit drahtloser Telegrafie, im Ersten Weltkrieg wird der Turm zur militärischen Abhörstation. Der Eiffelturm entwickelt sich aber auch zum Objekt der Kunst und inspiriert Maler, Fotografen und Dichter. An Abriss denkt offiziell niemand mehr.

Der Eiffelturm zwischen den Kriegen

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wird der Turm dem Militär übergeben und geht mit der Besetzung Frankreichs 1940 in die Verfügungsgewalt der Deutschen über. Adolf Hitler lässt sich bei einem Blitzbesuch am 28. Juni 1940 vor dem Eiffelturm fotografieren und demonstriert damit die Unterwerfung der Kulturnation Frankreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt der Turm eine Renaissance. 1947 werden mehr als eine halbe Million Besucher gezählt, im Jahr 1971 sind es schon über drei Millionen. Inzwischen wollen jährlich mehr als fünf Millionen Menschen den Eisenkoloss sehen. 125 Jahre nach seinem Bau fragt keiner mehr nach seinem Nutzen. Die "hässliche Säule" wird von den Parisern nun verehrt - als "Dame aus Eisen".

Buchtipps Alexander Kluy: "Der Eiffelturm. Geschichte und Geschichten", 320 Seiten, Berlin: Verlag Matthes & Seitz 2014, ISBN: 978-3-88221-384-3, Preis: 29,90 Euro.

Uwe Schultz: "Der Eiffelturm", 208 Seiten, Darmstadt: primus verlag 2013,
 ISBN: 978-3-86312-061-0,
Preis: 19,90 Euro