Katharina von Bora: Von der "Mönchshure" zur Vorzeigefrau der Reformation

1499-1552

31. Oktober 2016, 09:31 Uhr

Für die junge sächsische Adlige ist das Mittelalter am Karsamstag im Jahr 1523 vorbei, als sie aus dem Kloster Marienthron in Nimbschen bei Grimma flieht. Sie deutet die Zeichen der neuen Zeit, der Reformation, auf ihre Weise und lässt die schützenden Klostermauern hinter sich. Sie wagt den Aufbruch in ein neues Leben, das sie sich selbstbewusst erobert.

Als Katharina von Bora am 29. Januar 1499 geboren wurde, schien ihr Weg vorgezeichnet: Nach dem frühen Tod der Mutter übergab man sie als Fünfjährige dem Benediktinerinnenkloster Brehna. Vermutlich kam sie fünf Jahre später nach Marienthron in Nimbschen bei Grimma. So lernte sie lesen, schreiben, Latein, freilich auch Haus- und Landwirtschaft. Ein Privileg. Mit 16 legte das junge Mädchen ihr Gelübde ab. Doch hinter den Klostermauern wehte der Wind der neuen Zeit, und auch die Nonnen kamen mit den Schriften Martin Luthers in Berührung: Ein neuer Weg zu Gott und ins Leben tat sich auf. Vielerorts verließen Ordensfrauen die Klöster, kehrten in den Familienkreis zurück oder fingen ein völlig neues Leben an. Ein großes Wagnis. Denn sie brachen mit der Flucht aus dem Kloster einen heiligen Eid und galten danach als "vogelfrei".

Eine Nonne auf der Flucht war rechtlos. Jeder, der ihr half konnte sich strafbar machen, das konnte im Extremfall bis zur Hinrichtung gehen. Die Strafe für die wieder eingefangenen Nonnen hieß ewige Kerkerhaft bei Wasser und Brot.

Dr. Martin Treu, Historiker Geschichte Mitteldeutschlands

Flucht und Ankunft in Wittenberg

Dennoch wandten sich auch zwölf junge Frauen aus dem Kloster Marienthron in ihrer Bedrängnis an Martin Luther. Und der schickte ihnen Hilfe. Ostern 1523 nutzten sie - unterstützt vom Torgauer Ratsherren Leonhard Koppe - die Gelegenheit, zu entkommen. Angeblich versteckt hinter Heringsfässern auf einem Planwagen traten sie die geheime Reise direkt in die Stadt des Reformators nach Wittenberg an. Und der musste sich nun kümmern, ihnen "ehrenwerte Männer" als Gatten und Ernährer zu verschaffen.

Der Luther ist Luzifers Bruder. Und er spielt mit der Ritze von seynem Luder. Das Ri Rum Ritz.

Spottvers über Martin Luther

Nach der Ankunft in Wittenberg fand Katharina von Bora zunächst bei Philipp Reichenbach Unterschlupf, danach im Haus des Malers Lukas Cranach d.Ä., der sich nicht nur als Apotheker und Bürgermeister um die Stadt verdient gemacht hatte, sondern auch durch sein künstlerisches Schaffen viel zum Verständnis der Welt des 16. Jahrhunderts beigetragen hat. Zu den Gemälden aus seiner Werkstatt gehören zahlreiche Porträts von Martin Luther und auch Bildnisse von dessen späterer Ehefrau Katharina von Bora.

Der Skandal um die "Mönchshure"

Die verliebte sich zunächst allerdings nicht in Luther, sondern in den Nürnberger Patriziersohn Hieronymus Baumgarten, der die nicht-standesgemäße Verbindung zu der entlaufenen Nonne dann aber nicht eingehen durfte. Luther suchte andere Heiratskandidaten, doch selbst Pfarrer Kaspar Glatz aus Orlamünde lehnte die offenbar sehr selbstbewusste junge Frau ab - als zu alt und zu geizig! Gegen den Reformator selbst hatte Katharina von Bora dann am Ende nichts mehr einzuwenden, immerhin war er ein Universitätsprofessor und schon ein sehr berühmter Mann, der mit Anfang 40 endlich eine Familie gründen wollte. So heiratete Martin Luther am 13. Juni 1525 in der Stadtkirche zu Wittenberg. Nur das Brautpaar und vier Trauzeugen waren anwesend: das Ehepaar Cranach und zwei befreundete Reformatoren. Er ehelichte die Frau, die er zuvor als zu "stolz und hoffärtig" angesehen hatte auch gegen die Befürchtung einiger anderer Reformatoren, dass er so nun noch angreifbarer werde. Tatsächlich geriet die Eheschließung zwischen dem ehemaligen Mönch und der entflohenen Nonne zum Skandal.

Der Nonnenräuber Luther wird durch die Aufnahme der Nimbschener Damen zu einem geflügelten Wort der antireformatorischen Kampfpropaganda. Jetzt sieht man, worum es ihm eigentlich geht. Noch im 18. Jahrhundert gibt es Holzschnitte, die zeigen, wie Luther mit diesen Nonnen in Wittenberg ein Bordell errichtet.

Dr. Martin Treu, Historiker Geschichte Mitteldeutschlands

"Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand."

Luthers Habe zum Zeitpunkt der Eheschließung war mehr als bescheiden. Doch Katharina verwandelte das verwahrloste "Schwarze Kloster", das der Kurfürst ihm überlassen hatte, im Laufe der Zeit in ein wohnliches Heim mit angeschlossener Pension für Studenten aber auch andere Gäste. Um für alle den Lebensunterhalt zu sichern, hielt man außerdem Vieh und pachtete zusätzliche Ackerfläche zur Bewirtschaftung - alles in Katharinas Regie. Entsprach die Ehe zunächst vielleicht den Vorstellungen der Zeit - die Frau kümmerte sich um Kinder und Hauswirtschaft, während der Mann das Haus nach außen vertrat - brach Katharina von Bora mit den Konventionen. Sie führte die Geschäfte, sie machte Luther binnen 15 Jahren zu einem der größten Grundbesitzer Wittenbergs. Sie machte aus dem "Schwarzen Kloster" eine Pilgerstätte der Reformation. Sie nahm an den theologischen Diskussionen ihres Mannes, an den berühmt gewordenen Tischgesprächen, teil. Sie half Luther schließlich auch, seine vielen körperlichen Leiden und seelischen Qualen durchzustehen. In vielen Texten hob Luther später hervor, dass sein Werk und dass der Reformation nicht so gut gediehen wäre, ohne die tüchtige, sorgende und Anteil nehmende Käthe: "Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand."

Wenn Luther eine große Rolle gespielt hat, dann hat auch Katharina einen bedeutenden Anteil am Vorankommen der Reformation, denn sie hat ihn buchstäblich am Leben erhalten.

Dr. Martin Treu, Historiker Geschichte Mitteldeutschlands

Flucht vor Kaiser und Pest

21 Jahre lang lebten Katharina und Luther zusammen. Sechs Kinder gingen aus der Verbindung hervor: Elisabeth und Magdalena - beide früh verstorben -, Johannes, Martin, Paul und Margarethe. Neben den eigenen versorgte die Familie noch bis zu neun Pflegekinder. Als Martin Luther auf einer Reise am 18. Februar 1546 in Eisleben starb, änderte sich das Leben für Katharina von Bora dramatisch. Händler verweigerten ihr die Ware, weil sie fürchteten, nicht mehr bezahlt zu werden. Obwohl Luther sie per Testament als Universalerbin und Vormund für die Kinder eingesetzt hatte, brauchte die Witwe selbst einen Vormund. Erst nach einem Machtwort des Kurfürsten durfte sie das Erbe – unter der Kontrolle von Treuhändern - antreten und konnte die Kinder bei sich behalten. Zudem verschlechterten sich die politischen Umstände, es kam zu Kriegshandlungen gegen den protestantischen Schmalkaldischen Bund. Schon ein halbes Jahr nach Luthers Tod, im Herbst 1546, bedrohten die katholischen kaiserlichen Truppen Wittenberg. Katharina musste aus der Stadt fliehen. Nachdem auch Magdeburg, wo sie sich länger aufhielt, in Gefahr war, versuchte sie an den Hof des dänischen Königs zu gelangen. Als sich die Lage unerwartet beruhigte, kehrte sie 1547 nach Wittenberg zurück.

Wer wollt nicht betrübt und bekümmert sein um einen solchen teuren Mann, als mein lieber Herr gewesen ist, der nicht allein der Stadt, oder nur einem einzigen Land, sondern der ganzen Welt viel gedienet hat. Mein Herzeleid ist so groß, dass ich es keinem Menschen sagen kann. Ich kann weder essen, noch trinken, auch dazu nicht schlafen.

Katharina von Bora (Den einzigen überlieferten privaten Brief schreibt sie an ihre Schwägerin.)

Ein Ende in Armut

Sie fand Ställe, Felder und Gärten leer und verwüstet, das Haus hingegen unversehrt. Doch mit dem Schmalkaldischen Krieg wurde auch die Universität weitgehend aufgelöst, die Pension, die Studenten beherbergt hatte, war keine Lebensgrundlage mehr. Sie schlug sich die nächsten Jahre mit Spenden und fremder Hilfe durch. Dann brach im Sommer 1552 in Wittenberg erneut die Pest aus. Diesmal beschloss Katharina von Bora, vor der Seuche nach Torgau zu fliehen. Auf der Fahrt kam es zu einem schweren Unfall, von den Verletzungen sollte sie sich nicht mehr erholen. Zwei Monate voller furchtbarer Schmerzen rang die inzwischen 53-Jährige mit dem Tod. Am 20. Dezember 1552 starb sie. Ihre Beisetzung in der Marienkirche fand unter großer Anteilnahme der Gemeinde statt.