Deutschlandticket auf einem Smartphone
Seit einem Jahr gibt es das Deutschland-Ticket, das derzeit fast überall, 49 Euro kostet. Rabatte gibt es teilweise auch, etwa für Studierende und/oder Senioren. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Rolf Poss

Bilanz nach einem Jahr Deutschland-Ticket auch in Sachsen (fast) ein Erfolgsmodell

01. Mai 2024, 10:00 Uhr

Ein Ticket für den ÖPNV, bundesweit? Wo früher kleinteilige Tarifsysteme galten und den Ticketpreis bestimmten, gibt es seit einem Jahr das Deutschlandticket. Die Abo-Zahlen haben sich seither in Sachsen in einigen Regionen nahezu verdoppelt, vor allem in den Städten. Doch die Verkehrsverbünde bremsen die Begeisterung.

Die Verkehrsverbünde in Sachsen und die Deutsche Bahn ziehen zum ersten Geburtstag des Deutschland-Tickets in Sachsen eine weitgehend positive Bilanz. Das hat eine Umfrage von MDR SACHSEN bei den betroffenen Unternehmen ergeben. Danach haben sich die Ticket-Zahlen in einigen Regionen innerhalb eines Jahres verdoppelt. Allein beim Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) in Dresden werden aktuell 155.000 Deutschland-Tickets im Monat ausgegeben. Zum Start im Mai 2023 seien es 74.000 gewesen, so der VVO.

Das Deutschlandticket gibt es seit dem 1. Mai 2023. Bus- und Bahnfahrer können damit bundesweit den Nah- und Regionalverkehr nutzen. Das Ticket ist monatlich kündbar und kostet derzeit fast überall 49 Euro.

Senioren auf Reisen
Mit dem Deutschlandticket kann man bundesweit im Regionalverkehr unterwegs sein. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Wer profitiert vom Deutschland-Ticket?

Ähnlich wie in Dresden ist die Entwicklung beim Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) in Leipzig: Im Februar hat das Unternehmen, das auch Teile von Sachsen-Anhalt und Thüringen umfasst, 211.000 Tickets gezählt. Doch die Zahlen täuschen ein wenig. Wie beim VVO in Dresden sind auch hier viele Abo-Kunden zum bundesweit gültigen Ticket gewechselt. "In Leipzig und Halle nutzen gut die Hälfte aller Abonnenten mittlerweile das Deutschlandticket, in den Landkreisen mit längeren Wegstrecken sogar um die 80 Prozent."

Ihr Vorteil: Laut VVO sparen Pendler verglichen mit den regulären Monatskarten teilweise über 150 Euro im Monat. "Auch viele Azubis nutzen das Angebot, da es für viele günstiger ist als das Azubi-Ticket." Nach Angaben der Deutschen Bahn wird das Ticket neben den Alltagsfahrten auch zunehmend für Ausflüge in der Freizeit und am Wochenende genutzt.

Deutschlandticket
Die Zahlen für das Deutschland-Ticket sind nicht für alle abgebildeten Regionen vergleichbar. So sind unter anderem beim ZVON und dem Verkehrsverbund Vogtland keine Tickets berücksichtigt, die über die Vertriebswege anderer Anbieter wie der Bahn bezogen wurden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Welche Strecken sind besonders nachgefragt?

Die beliebtesten Strecken sachsenweit, auf denen laut Deutscher Bahn Fahrgäste im Regionalverkehr mit dem Deutschlandticket unterwegs sind:

  • Dresden-Leipzig, die überwiegend von Freizeitreisenden genutzt werde
  • Glauchau – Göttingen, überwiegend von Pendlern genutzt.

Auch beim VVO ist die Strecke Dresden – Leipzig stark nachgefragt, außerdem die Strecken ab Dresden nach Zittau und Görlitz. Im Busverkehr betreffe dies vor allem die PlusBus-Linien wie die 360 Dresden – Altenberg oder 477 Dresden – Moritzburg – Großenhain. Hier seien die Kapazitäten aufgestockt worden. "Dennoch sind viele Fahrten sehr voll," teilte VVO-Sprecher Christian Schlemper auf Anfrage von MDR SACHSEN mit.

Bei den kleineren Verkehrsverbünden Mittelsachsen oder Vogland gibt es dagegen wenig Veränderungen bei der Nutzung der Strecken. "Stark genutzt werden jedoch generell Schülerfahrten. Geringe Nachfrage, ist erwartungsgemäß in den Verkehrsnebenzeiten und auf Rufbusfahrten zu verzeichnen", teilte der Verbund im Vogtland mit.

Wie haben sich die Fahrgastzahlen entwickelt?

Die Fahrgastzahlen haben sich bei den großen Verkehrsverbünden VVO und MDV in Dresden und Leipzig insgesamt nach oben entwickelt. "Daher zeigen sich die Wachstumseffekte des Deutschlandtickets zwar in der Fahrgastentwicklung, nicht jedoch in der Einnahmeentwicklung der Verbundunternehmen", teilte der MDV dazu mit.

Auf dem Land bei den kleineren Verbünden gibt es laut Verkehrsunternehmen dagegen wenig Zuwachs bei den Fahrgästen, dafür aber einen negativen Effekt: "Die Umsätze an Fahrkarten über größere Entfernungen sind massiv zurückgegangen," teilte der Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) mit.

Der ZVON geht von etwa 15 Prozent weniger Einnahmen im Vergleich zum Jahr 2019 aus. "Genauer lässt sich das erst beziffern, wenn wir wissen, ob und wie viel von den Einnahmen aus dem DB-Navigator bei uns ankommen."

Auch andere Verkehrsverbünde rechnen mit geringeren Einnahmen. Diese Verluste sollen nach der Vereinbarung mit Bund und Ländern aber abgedeckt werden, wenn die dafür bereitgestellten drei Milliarden Euro ausreichen. "Für die Nahverkehrsunternehmen und die Aufgabenträger ist dies mit einem aktuell nicht zu kalkulierenden Risiko verbunden," so der MDV in Leipzig.

Wie zukunftstauglich wird das Deutschland-Ticket in Sachsen bewertet?

Auch hier zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. "Für die Fahrgäste ist das Ticket ein Gewinn," so der VVO in Dresden. "Um das Angebot dauerhaft zu erhalten, ist es wichtig, dass die Zuschüsse von Bund und Land erhöht werden, um die Fahrpläne von Bahn und Bus auszubauen und die Kapazitäten zu erweitern."

Ähnlich äußert sich der Mitteldeutsche Verkehrsverbund, verweist aber auf die Lücken des ÖPNV auf dem Land: "Zusätzlich weckt das preiswerte Deutschlandticket bei den Menschen Erwartungen an ein Verkehrsangebot, das die Nutzung des Deutschlandtickets insbesondere auch in den ländlichen Räumen ermöglicht." Hierzu seien dringend Lösungen des Bundes und der Länder gefordert, "den Erhalt und Ausbau des Nahverkehrsangebotes ausreichend zu finanzieren".

Der ZVON in Bautzen ist eher skeptisch. Es stelle sich die Frage, "ob der finanzielle Aufwand für die Subventionierung eines Angebotes und ohne, dass das ÖPNV-Angebot in irgendeiner Form verbessert wurde, tatsächlich angemessen ist."

 

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 01. Mai 2024 | 14:00 Uhr

3 Kommentare

Sonnenanbeter vor 2 Wochen

Ein voller Erfolg im Sinne von vielen, vielen überfüllten Zügen (der MDV mit seinen Bombardier-Sardinenbüchsen ist hier ein Paradebeispiel), insbesondere im Berufsverkehr und zu Ferienzeiten, ohne ausreichende Gegenfinanzierung, das trifft es da doch wohl eher. Die mit den stark gestiegenen Fahrgastzahlen einhergehenden zusätzlichen Stressfaktoren haben für das Bahnpersonal auch Folgen. Eine Ursache für den Personalstand, für die vielen krankheitsbedingten Ausfälle ist definitiv das Deutschlandticket. Das lässt sich nicht leugnen. Ich kann diese einseitige Lobhudelei daher auch nicht gutheißen, selbst wenn ich persönlich ungemein vom Deutschlandticket profitiere.

Thomas73 vor 2 Wochen

Kurz gesagt: Es sind fast ausnahmslos Mitnahmeeffekte von denen, die ohnehin bereits den ÖPNV genutzt haben und es jetzt lediglich bequemer haben, weil sie alle Verkehrsverbünde über die Tarifgrenzen hinweg nutzen können. Ich habe an derer Stelle gelesen, dass der Anteil derer die vom Auto auf den ÖPNV umgestiegen sind, lediglich bei unter 10 Prozent liegt. Ein Erfolg - ein hochsubventionierter noch dazu - sieht anders aus.

steka vor 2 Wochen

Ist eine gute Sache, nur wer nicht täglich fährt, muß schon überlegen ob es sich lohnt, noch dazu wenn es personenbogen ist und Kinder oder eine andere Person nicht darauf mitfahren künnen wie damals bei dem
9€ -Ticket. Bei einer weiteren Preissteigerung würde ich wieder darauf verzichten, noch dazu wenn ich weite Strecken eh mit IC/ICE fahre.

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