Teasergrafik Altpapier vom 7. Januar 2020: Australische Feuerwehrmänner beim Löscheinsatz während eines Buschfeuers
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Das Altpapier am 7. Januar 2020 Wo es wirklich brennt

07. Januar 2020, 11:30 Uhr

Sind der 88-jährige Rupert Murdoch und das deutsche RTL-Fernsehen Umwelt-, äh, -sünder? Oder können Einnahmequellen helfen, "tragische Buschfeuer" zu löschen? Außerdem gibt es nun eine Rücktrittsforderung an Tom Buhrow und beim WDR jetzt auch noch externen Sachverstand. Ein Altpapier von Christian Bartels.

Gibt's Neues zur Oma-/"Umweltsau"-Debatte bis -Affäre (zuletzt Altpapier gestern), die aus Perspektive des deutschsprachigen Auslands dermaßen wichtig ist, dass der österreichische Standard, der über die Medien des großen Nachbarlandes gut informiert, seinen bislang jüngsten Beitrag mit dem Stichwort "Buhrow" am 29. Dezember veröffentlicht hat? Einen treffenden Kommentar übrigens; Tenor: "Einen Kinderchor über 'Umweltsau Oma' singen zu lassen, ist nicht sehr lustig und auch nicht klug. Löschen muss man einen solchen Beitrag aber nicht".

Klar gibt's Neues, aus Nischeninnensicht sogar so Brisantes wie eine Art Rücktrittsforderung an den gerade erst zum ARD-Vorsitzenden aufgerückten WDR-Intendanten. Überdies läuft am heutigen Dienstagmorgen im WDR eine außerordentliche Redakteursversammlung. Weiter unten mehr zum Thema. Erst mal dorthin, wo es wirklich brennt.

Brandkatastrophe, Murdoch-Medien, "Dschungelcamp"

Mit den "Bildern, die uns seit Tagen aus Australien erreichen" beginnt dieser nur zu hörende, nicht zu lesende Beitrag aus Deutschlandfunks "@mediasres". Es ist sozusagen ein Eigeninterview, da der DLF seine eigene Mitarbeiterin Brigitte Baetz in der Rolle als langjährige Murdoch-Beobachterin befragt. Es ist aber hörenswert, da der 88-jährige Medienmogul Rupert Murdoch mit seinen sehr einflussreichen Medien die Politik wichtiger englischsprachiger Länder ja nachweislich und entscheidend beeinflusst hat. Das tat und tut er offenbar auch in seinem Geburtsland Australien. Dass die Zeitung  The Australian "systematisch die Klimakrise herunterspielt", wird da etwa der Klimaforscher Stefan Rahmsdorf zitiert. Baetz bezieht sich u.a. auf diese New York Times-Recherche.

Die Binse, dass Australien weit weg ist, trifft aus deutscher Sicht natürlich auch zu. Immer im Januar allerdings erreichen uns in Deutschland deutlich mehr Bilder aus Australien. Bald ist wieder Dschungelcamp, und dieses relative, ähm, Lagerfeuer deutscher Mediennutzer interessiert natürlich die einschlägigen Medienmedien. Die Frage "Bedrohen Buschbrände das Dschungelcamp?", die Springers Bild Ende Dezember stellte, war der Auftakt zur rituellen Dschungelcamp-Berichte-/-"Berichte"-Orgie.

"Die Gefahr, dass sich die Buschbrände auf diese Region ausbreiten, ist wohl eher unwahrscheinlich", formuliert die Funke-Presse wortgewandt die Antwort. Die engen Fernsehfreunde von dwdl.de sorgen sich allerdings, nachdem dann auch bekannt wurde, dass das physische "Lagerfeuer diesmal einer Gaskochstelle weichen muss", ums "Storytelling" der RTL-Sendung. "Schließlich ist das nächtliche Beisammensein in der Vergangenheit stets für manche Lästereien gut gewesen." Dann wird noch ausführlich aus einer RTL-Mitteilung zitiert, die vor allem ausführlich den einheimischen Mitwirkenden "Dr. Bob" ("bürgerlich Robert MacCarron und eigentlich kein Arzt", wissen die Funkes) zitiert:

"Trotzdem stand es für Dr. Bob außer Frage, nicht bei 'Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!' dabei zu sein. 'Ich musste mein Haus evakuieren und meine Heimat verlassen. Es ist zu gefährlich, vor Ort zu bleiben. Ich kann nichts mehr tun, nur warten. Daher bin ich sehr froh, dass ich hier arbeiten kann und den Job machen darf, den ich so liebe. Ich finde es auch richtig, dass das Dschungelcamp gesendet wird. Die Brände sind hunderte Kilometer entfernt, wir sind hier sicher. Außerdem ist die Arbeit vor Ort für viele meiner australischen Kollegen eine wichtige Einnahmequelle.'"

Die RTLs Top-Formulierung lautet: "Die tragischen Buschfeuer" und würde von Rupert Murdoch und Sohn sicher sogleich unterschrieben. Dschungelcamp-Mitwirkende, die kritischer mitdenken und schärfer formulieren, gibt es aber – vielleicht, weil eine gewisse Formulierungsschärfe zu den Casting-Voraussetzungen gehört:

"Aus gegebenem Anlass ist es tatsächlich paradox, dass wir für eine Unterhaltungsshow in ein Land fliegen, in dem gerade Menschen um ihr Leben kämpfen und viele, viele Tiere diesen Kampf bereits verloren haben",

zitiert Springers Bild "TV-Star Raúl Richter (32)" aus seinem Instagram-Auftritt und fügt dann noch hinzu, dass "vielen Öko-Kämpfern gerade der Luftverkehr als besonders klimaschädlich" gilt. Wobei ins Gewicht fallen könnte, dass die ganz enge alte Verbandelung von Bild-Zeitung und RTL-"Dschungelcamp" sich ja gelöst hat, seitdem das Springer-Medium und der Bertelsmann-Sender beide konkurrierende Unterhaltungsportale mit Journalismusanteilen etablieren wollen. Wenn so etwas dazu beiträgt, dass nicht jeder PR-Bullshit mehr ins Redaktionelle durchrutscht, ist das zu begrüßen.

Bundesliga, Streaming, Stromverbrauch

Ein paar harte Nachrichten förderte die Bild am Sonntag gerade per Interview (€) mit dem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, Christian Seifert, zutage. Die DFL versteigert gerade ihre Medienrechte für drei Saisons ab 2021. "DFL will mehr Spiele im Free TV", schürt die Tagesspiegel-Überschrift Spannung auf die frei zugängliche Zusammenfassung. "Drei Spiele mehr pro Jahr sollen ins Free-TV", lässt der Standard in seiner Überschrift wieder Luft raus. Schließlich ist diese Zahl "angesichts von 612 regulären Saisonspielen in den obersten beiden Spielklassen allerdings eine geringe".

Was mehr Aufmerksamkeit verdient: Seiferts nur im Tsp. zitierte Andeutung,

"dass die Bundesligarechte (...) stärker bei Streamingdiensten landen könnten: Die 'Qualitätsverbesserung' bei Serien und Filmen durch Netflix und Amazon Prime sei 'außergewöhnlich' und 'in den deutschen Medien äußerst positiv besprochen'".

Wieviele 100 Spiele die boomenden Streamingdienste ersteigern, ist das Spannende. Und Netflix, Amazon sowie auch DAZN hochjubeln tun viele Medienmedien gerne – da hat Seifert recht. Eine differenziertere Berichterstattung, die etwa Aspekte wie den Stromverbrauch durch Streaming (von dem sich die erwähnte Funke-Presse ja bereits im Dezember von EU-Kommissarin Margrethe Vestager hatte erzählen lassen) mit berücksichtigt, wäre schön. "Ist Streamen das neue Fliegen?" lautete übrigens in einer gedruckten Zeit zwischen den Jahren die Überschrift über diesem (kostenpflichtigen) Beitrag, der mit Blick auf die Klimabilanz des im Geschäft mit sog. Cloud-Diensten marktführenden Amazon-Konzerns interessant ist. Aber vorläufig stellt für Fernsehentertainment nach Australien zu jetten ja noch gar kein Problem dar.

Rücktritts- und Herausforderungen für Tom Buhrow

Jetzt aber zum Themenkomplex "Umweltsau", Buhrow und WDR.

Neu ist vor allem: eine Solidaritätserklärung "mit WDR-MitarbeiterInnen". Zu lesen ist sie im Internetauftrtt von Stefan Stuckmann, seines Zeichens Showrunner der ZDF-Serie "Eichwald, MdB", und unterzeichnet wurde sie von (in der PDF-Fassung) 50 Fernseh-AutorInnen zwischen Paco d'Amant und Markus Zimmer (in alphabetischer Reihenfolge, nicht gegendert). Darunter sind "Autoren von Sendungen wie 'Neo Magazin Royale', 'Dark' oder der 'heute Show'" (SPON), also primär lustig orientierte. Sie haben in ihrer Argumentation auch gleich eine Pointe um einen Rolling Stones-Oldie versteckt. Wobei Markus Braucks Einstigesfrage im Spiegel-Interview (€), "Herr Buhrow, werden Sie im WDR demnächst auch das Ärzte-Lied 'Männer sind Schweine' verbieten?", ein paar Ticks lustiger war. Am Ende der (kurzen) Autoren-Erklärung aber geht's zur Sache:

"Tom Buhrow ist mit seiner Reaktion auf den künstlich erzeugten Skandal in eine Falle getappt, aus der er ohne massiven Glaubwürdigkeitsverlust nicht mehr heraus kommt. Ein Medienmanager, dessen Umgang mit moderner, rechter Propaganda von so viel Naivität und Ungeschicktheit zeugt und der nicht in der Lage ist, sich in einfachsten Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit vor seine MitarbeiterInnen zu stellen, gefährdet eben diese Freiheiten. Er sollte die Konsequenzen ziehen."

Da bemerkt dwdl.de mit Recht, dass die Autoren da "nicht klar formulieren, welche Konsequenzen das aus ihrer Sicht sind", aber wohl "einen Rücktritt des WDR-Intendanten erwarten", der ja seit wenigen Tagen erst auch ARD-Vorsitzender ist. An weiteren deutschen Debattenbeiträgen mangelt es nicht. Unvollständiger Überblick: "Es war nicht sonderlich klug, ein Satire-Video auf einem Kanal wie WDR2 zu veröffentlichen, statt in einem Satire-Channel. Grob gesagt: Es hat seinen Grund, warum es @heuteshow neben @ZDFheute gibt", twitterte Daniel Bouhs.

Wiederum zur Contra-Buhrow-Seite gesellen sich Friedrich Küppersbusch in der taz (der Buhrow rät, "sich hinter Mutter Beimer auf den Sozius zu schwingen und ein cooles Hühnerstall-Pressefoto rauszuhauen") sowie Samira El Ouassil in ihrer uebermedien.de-Kolumne mit Rückblicken in die WDR- und sonstige ARD-Geschichte. Sie fordert:

"Die Arbeit der Sender muss es sein, den Ursprung eines Shitstorms zu erkennen und dessen Agenda zu bewerten, um sich bei künstlicher Empörung nicht instrumentalisieren zu lassen und bei echter sinnvoller Empörung Einsicht zeigen zu können."

Ob solche "echte sinnvolle Empörung" besser algorithmisch bestimmt werden kann oder durch eine aus Vertreterinnen und Vertretern von Kirchen, Gewerkschaften und weiteren gesellschaftlich relevanten Gruppen gebildete Kommission, müsste noch diskutiert werden. Oder gibt es da spezialisierte Agenturen? Damit zur vielleicht ein bisschen positiven Nachricht in der frühzeitig hoch verflixten Gemengelage (zu der ja auch Ministerpräsident Laschets wertvoller Beitrag gehört – wertvoll nicht unbedingt für die engere "Umweltsau"-Debatte, aber zumindest für alle künftigen Debatten über Staats- und Regierungsnähe der Öffentlich-Rechtlichen): Der WDR hat sich für die Herausforderungen des ARD-Vorsitzes in dieser schwierigen Zeit frühzeitig gewappnet!

Die spezialisierte Agentur Media 5, die nach eigenen Angaben "stets größtes Engagement, höchste Kompetenz und absolute Diskretion" beweist, hat "nach einer öffentlichen europaweiten Ausschreibung" schon "im Herbst 2019 den Zuschlag bekommen", für den WDR als externer Dienstleister "umfangreiche zusätzliche Kommunikationsmaßnahmen" im Zusammenhang mit dem ARD-Vorsitz zu übernehmen. Vor allem "wegen der erwarteten Erhöhung des Rundfunkbeitrags" erwarte der WDR "kritische Berichterstattung", heißt es in der dpa-Meldung auf welt.de mit Rückbezug auf diesen kostenpflichtigen Welt-Artikel. Darin wird auch gerne erwähnt, dass mit Media 5-Geschäftsführer Andreas Fünfgeld ein ehemaliger RTL2-Pressesprecher und mit Wolfram Winter "der langjährige Kommunikationschef des Bezahlsenders Sky" mit im Boot sind. Andere ARD-Anstalten hatten in vielleicht vergleichbaren Situationen ein bisschen anders reagiert, ließe sich hier im MDR-Internetauftritt hinzufügen (und mit Svenja Siegert zählt ja auch eine profilierte Medienjournalistin zum nicht sehr kleinen "ARD-Kommunikationsteam beim WDR"). Aber der WDR ist halt der WDR und hat immerhin frühzeitig große Herausforderungen antizipiert.

Der Wermutstropfen: Die Kosten sind bislang vertraulich, wurden von der Welt aber schon mal beraunt ("Kolportiert wird ein maximales Budget oberhalb einer halben Million Euro") und werden vermutlich nicht von Sponsoren übernommen, sondern ebenfalls aus Rundfunkbeitrags-Einnahmen beglichen – und insofern genau die Diskussionen, um die es gehen soll, weiter anheizen.

Viele Teile der Lösung sind in komplizierten Zeiten eben auch Teile des Problems, und die jeweiligen Anteile wenigstens halbwegs im Lot zu halten, ist oft auch schon eine Herausforderung. Das würde vermutlich sogar das renommierte Hamburger Berkeley Institute ähnlich sehen...


Altpapierkorb (Cambridge Analytica, Ernst Hess alias Peter Brügge, National Zeitung, "Geröllhalde" Medienstaatsvertrag, Bertelsmann Rezo?, Lutz Marmor, Drucker)

+++ Fotos der derzeit scharf kritisierten Intendanten Buhrow und Ulrich Wilhelm zieren online Wolfgang Janischs SZ-Beitrag über "die rechtlichen Schwierigkeiten, namentlich im Umgang mit Bedrohungen" gegen Journalisten.

+++ Die FAZ-Medienseite macht auf den Twitter-Account @HindsightFiles aufmerksam, der zeigen will, dass Cambridge Analytica "in gezielte Wahlmanipulationen in 68 Ländern verstrickt" gewesen sei. +++ Und berichtet von der Golden Globes-Verleihung: "Bester Hauptdarsteller in einer Miniserie wurde der Australier Russell Crowe als Produzent des rechtskonservativen Fernsehsenders Fox News, Roger Ailes, in 'The Loudest Voice', der wegen der Buschbrände in seiner Heimat blieb und in seiner Dankesbotschaft mehr wirksame Klimapolitik forderte." Fox News ist weiterhin ein Murdoch-Medium.

+++ "Ein Jahr nach der Entlarvung von Claas Relotius hat der Spiegel seinen besten Reporter verloren" leitet Willi Winkler seinen Nachruf auf den Anfang Dezember mit 91 Jahren verstorbenen Ernst Hess bzw. "Peter Brügge" ein.

+++ "Nach übereinstimmenden Meldungen mehrerer deutscher Pressegroßhändler" wird die einst von Gerhard Frey verlegt National Zeitung eingestellt, die zumindest vom bayerischen Verfassungsschutz noch gelesen wurde (pressenews-in-deutschland.de).

+++ Was hält Lutz Hachmeister vom neuen Medienstaatsvertrag? Der sei "eine einzige Geröllhalde von Begriffen, die niemand mehr versteht" (sagt er hier im DLF, und um "infantile Petitessen", zu denen Tom Buhrow sich besser nicht geäußert hätte, geht es da auch).

+++ Der WDR-Blog Digitalistan meldet, dass die Federal Trade Commission "ernsthaft" erwäge, "Facebook in seine Bestandtteile zu zerschlagen".

+++ Dass Bertelsmann bei der Kölner Beeinflusser-Agentur Tube One nicht bloß einsteigen, sondern sie wohl komplett übernehmen will, berichtete als erster wohl new-business.de. Was interessant ist, weil dann Bertelsmann den Star-Influencer Rezo vermarkten würde.

+++ "Ich glaube, dass ich mein Ziel, als Intendant möglichst viel möglich zu machen, weitestgehend erreicht habe", sagt der in Kürze in den Ruhestand tretende Lutz Marmor im großen Abschiedsinterview mit epd medien.

+++ Die taz hat 'ne neue Medienkolumne und "behält weiter ihr gedrucktes Fernsehprogramm. Wir wollen ja niemanden verschrecken."

+++ Und "früher waren die Drucker stolz darauf, den Menschen die Nachrichten zu bringen. Heute verbreiten diese sich über ganz andere Kanäle. Wie viele andere industrielle Berufe ist der Drucker durch die Digitalisierung vom Aussterben bedroht", berichtete die FAZ in einer eindrucksvollen Multimedia-Reportage aus der Frankfurter Societäts-Druckerei.

Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.

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