Teasergrafik Altpapier vom 28. August 2020: Porträt Autorin Nora Frerichmann
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Das Altpapier am 28. August 2020 Mehr Nachrichten-Macht für Facebook?

20. August 2020, 12:58 Uhr

Facebook will seine neue Nachrichten-Sektion jetzt auch in Deutschland einführen – und Medienhäuser für Inhalte bezahlen. Der Deal hat aber erwartungsgemäß einige Mängel beim Thema Transparenz. Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt außerdem, von Facebook eine “Medienpartnerschaft“ auf Augenhöhe zu erwarten, geht nicht immer gut. Ein Altpapier von Nora Frerichmann.

Kontroverse Medienpartner

Da haben wir's wieder, eines dieser blumig als Win-Win-Situation präsentierten Angebote eines US-Techunternehmens an (deutsche) Medienhäuser. Facebook hat angekündigt, seine News-Sektion international auszuweiten. Facebook News, ein Bereich der Plattform ausschließlich für journalistische Inhalte, wird in den kommenden sechs bis 12 Monaten neben Deutschland auch für Großbritannien, Frankreich, Indien und Brasilien angepeilt. Auch Heise und Golem berichten. Der für viele Häuser grade in der Corona-Krise verlockende Teil der Ankündigung:

“In jedem dieser Länder werden wir die teilnehmenden Verlage dafür vergüten, dass ihre Inhalte im speziellen Angebot von Facebook News verfügbar sind.“

Wie viel Geld da genau fließen soll und mit welchen Häusern der Konzern bereits im Gespräch ist, kommuniziert Facebook erwartungsgemäß nicht. Bei Golem heißt es allerdings in einer dpa-Meldung:

“In Medienberichten zu dem Facebook-News-Angebot in den USA war von 'bis zu drei Millionen Dollar pro Jahr‘ die Rede. Dort kooperieren unter anderen die Washington Post, der Finanzdienst Bloomberg, die Los Angeles Times, das Wall Street Journal sowie CBS News mit Facebook.“

Zusätzlich zu diesem Geld lockt Facebook auch mit nicht zu verachtender Reichweitensteigerung. Durch Facebook News hätten sich die Zugriffe auf  über die Plattform in den USA nahezu verdoppelt (plus 95 Prozent), gibt der Konzern an.

Man könnte diesen Schritt von Facebook auch als Reaktion auf eine Google-Ankündigung aus dem Juni werten (siehe Altpapier), um im News-Game der großen Plattformen nicht abgehängt zu werden. Nach ewigem Leistungsschutzrechts-Clinch kündigte der Konzern vor etwa zwei Monaten an, ausgewählten Medienhäusern Geld für bestimmte Inhalte zahlen zu wollen. Nutzern soll damit Zugriff auf kostenpflichtige Artikel auf den Websites einzelner Verlage gewährt werden.

Facebook setzt hingegen bei den Zahlungen an die Medienhäuser mit seiner News Sektion nicht auf einzelne Premium-Inhalte, sondern auf ein breites Nachrichtenangebot. Auf der Medienseite der Süddeutschen schreibt Simon Hurtz dazu:

“die Auswahl der Medienpartner in den USA hat Kontroversen ausgelöst. Facebook kooperiert unter anderem mit dem Rechtsaußen-Portal Breitbart, das Lügen verbreitet, gegen Minderheiten hetzt und in der Wikipedia aus gutem Grund nicht als Quelle zitiert werden darf.“

Abhängigkeitsverhältnisse

Das wäre also der eine weniger rosige Punkt: In welchem Umfeld die Nachrichten-Inhalte angezeigt werden, bestimmt eben Facebook. Wobei das im normalen Facebook Feed, bei Google, Youtube oder Twitter ja auch nicht viel anders aussieht. Welche Kriterien für die Auswahl der “Medienpartner“ für Facebook News in Deutschland angelegt werden, ist laut Hurtz unklar.

“Facebook verweist nur auf den sogenannten Nachrichtenseiten-Index, der Voraussetzung für eine Aufnahme in Facebook News sei. Wer eine Facebook-Seite betreibt und bestimmte inhaltliche Kriterien erfüllt, kann sie als journalistisches Angebot registrieren. Teilt man wiederholt Fehlinformationen oder betreibt Werbung, fliegt die Seite aus dem Index. Welche Anbieter in Deutschland dafür freigeschaltet sind, weiß nur Facebook.“

Womit wir beim nächsten Punkt wären: Transparenz bzw. deren Abwesenheit. Wer Geld und Reichweite will, muss sich auf Facebooks Spielregeln einlassen, wirft Jörg Schieb beim WDR-Blog Digitalistan ein:

“Am Ende muss klar sein: Facebook bestimmt, wer dabei ist und wer nicht. Facebook weitet seine Macht damit aus: Die Algorithmen bestimmen ohnehin schon, was wir zu sehen bekommen – und jetzt legt das Unternehmen auch noch fest, welche Info-Angebote auf Facebook mehr Sichtbarkeit bekommen. Es ist nicht die Qualität, die sich durchsetzt. Entschieden wird nach Kriterien, die nur Facebook kennt.“

Und sich auf Facebooks Ansagen und Kriterien vollends zu verlassen, hat bisher nicht immer 1A funktioniert. Drollig ist in dem Zusammenhang das Wort “Medienpartnerschaft“, das Facebook in seiner Mitteilung bemüht:

“Wir werden Facebook News gemeinsam mit unseren Medienpartnern international weiterentwickeln, damit sich das neue Produkt langfristig als verlässliche Nachrichtenquelle etabliert“,

gelobt der Konzern. In der Vergangenheit sei es aber oft kein Verhältnis auf Augenhöhe gewesen, kritisiert Hurtz:

Facebook wies etwa die Zugriffe auf Videos falsch aus und brachte Verlage dazu, sinnlos in die Produktion von Videos zu investieren. Oder schraubte ohne Vorwarnung am Algorithmus, der die Inhalte des Newsfeeds auswählt. Der Traffic vieler Nachrichtenseiten brach ein, und einige Medien, die ihr Geschäftsmodell zu einseitig auf Facebook ausgerichtet hatten, gingen Pleite.“

Nun sollte man sein Geschäftsmodell natürlich ohnehin nicht einseitig auf eine Plattform ausrichten, wenn man eine einigermaßen stabile Grundlage haben möchte. Allerdings sind viele Medienhäuser an dieser Stelle schon längst in Abhängigkeitsverhältnisse geraten, seitdem Facebook und Google ihnen einen großen Teil der Werbeerlöse abgegraben haben. Unter dem dadurch entstandenen Druck können Unternehmen wie Google und Facebook solche Deals mit Transparenzmängeln als Win-Win-Situation verkaufen – und Abhängigkeiten weiter verstärken.

Altpapierkorb (Herausgabe von Twitternachrichten bei Behörden, die Bafin, Scholz und die Pressefreiheit )

+++ Das Innenministerium muss Twitter-Direktnachrichten herausgeben, hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden. Nach eine Klage von Frag den Staat entschied das Gericht, dass auch Private Nachrichten auf Plattformen wie Twitter zu den Daten gehören, die Behörden nach dem  Informationsfreiheitsgesetz herausgeben müssen. Konkret geht es um Nachrichten aus den Jahren 2016 bis 2018, berichtet t3n. Laut Netzpolitik könnte “weitreichende Folgen“ dafür haben, welche Informationen Behörden zugänglich machen müssen.

+++ In seiner “Medienmacher“-Kolumne nimmt Kai-Hinrich Renner bei der Berliner Zeitung die Anzeige der Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) gegen die Financial Times-Redakteure Stefania Palma und Dan McCrum in den Blick. “Die beiden hatten zu einem Zeitpunkt über Unregelmäßigkeiten beim Finanzdienstleister Wirecard berichtet, als Politik und Wirtschaftsprüfer das Unternehmen noch für hoch seriös hielten. Längst ist klar, dass die Journalisten recht hatten. (…) Dennoch ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft – auch aufgrund der Bafin-Anzeige – munter weiter gegen Palma und McCrum, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigt“, schreibt Renner und sinniert über Olaf Scholz‘ Einstellung zur Pressefreiheit.

+++ Auf der Medienseite der FAZ (€) widmet sich Thomas Herrig einem Streit zwischen dem Youtuber Holger Kreymeier (Massengeschmack-TV) und Radio Bremen. Es geht um Kritik an der Funk-Doku “#Infokrieg – Wie die neuen Rechten die Medien 'hacken‘“. Kreymeier habe dabei  Originalmaterial aus dem Beitrag verwendet, Radio Bremen halte das urheberrechtlich für unzulässig. Eine Verhandlung soll im November in Berlin stattfinden.

+++ Ebenfalls in der FAZ: Kerstin Holm beschreibt, wie Aleksandr Lukaschenko und Wladimir Putin die Krise in Belarus nutzen, um die Pressefreiheit in ihren Ländern weiter einzuschränken. Bei Netzpolitik geht Charlotte Pekel auf Einschränkungen im Netz und Gewalt gegen Journalisten ein.

+++ Die Streaming-Nutzung in Deutschland steigt weiter und hat bei Nutzer:innen unter 30 mittlerweile das lineare TV überholt, berichten Horizont und Meedia über die Bewegtbildstudie 2020.

+++ TikTok-Chef Kevin Mayer tritt wegen des politischen Druck in den USA zurück, berichtet t3n via dpa.

Neues Altpapier gibt‘s wieder am Montag. Ein schönes Wochenende!

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