Das Altpapier am 4. Januar 2018 Höherer Klatsch

Geht es im Politikjournalismus eigentlich um Politik? Oder allzu oft eher um Befindlichkeitskram oder sonstwie Telenovela-Kompatibles? Außerdem: Twitter gegen die Titanic bzw. das Grundgesetz. Buzzfeed hat mal wieder recherchiert, dass viele Journalisten Äußerungen von Behörden und sogenannten Polizeigewerkschaftern nicht überprüfen. Ein Altpapier von René Martens.

Michael Hanfeld, Sascha Lobo, Frank Überall sind drei recht unterschiedliche meinungsfreudige Menschen. Es kommt eher selten vor, dass sie sich ungefähr inhaltsgleich zum selben Thema äußern. Derzeit können sie sich aber einigen, es hat mit einer Löschmaßnahme eines Netzwerks zu tun, das "in Deutschland eigentlich ziemlich unbedeutend ist" (Patrick Beuth bei Spiegel Online aus gegebenem Anlass) und was diese mit dem NetzDG zu tun hat oder zu tun haben könnte. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nicht wissen, was gelöscht wurde:

"Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen? Ich wehl doch nicht 110, wen die Barbarenhorden mich vergewaltigen wollen! (bvs)",

lautet einer von zwei Tweets, mit der die Titanic die Verhaltensauffälligkeiten einer braunen Adligen parodiert hat. Weil, um eine Äußerung aus Lobos aktueller Spiegel-Online-Kolumne abzuwandeln, bei Twitter fürs rechtliche Prüfen möglicherweise Staubsaugerroboter zuständig sind, hat das Netzwerk diesen (und einen anderen) Tweet des Satiremagazins gelöscht. Außerdem kann die Zeitschrift derzeit (Stand: 9 Uhr) nicht auf ihren Account zugreifen.

"Die Schreibfehler hatte die Titanic, der Deutlichkeit wegen, gleich eingebaut. Doch all das nutzt gegen den Automatismus, mit dem Twitter löscht, nichts",

bemerkt Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite, der die Sache zum Anlass nimmt, auf das "Maassche Kuckuckseigesetz" zu schimpfen, das, "wie Sascha Lobo bei Spiegel Online treffend schreibt, seine ganze 'stumpfe Pracht' entfaltet".

Der lobend zitierte Lobo ist wiederum derart auf Zinne, dass der Redakteur in ihm vorm Abschicken der Kolumne vergessen hat, ein paar bekloppte Fußball-Metaphern rauszustreichen (die man sonst eher in altväterlichen Kommentaren findet):

"Wenn Donald Trump nicht gerade einen Atomkrieg herbeitwittert, steht eine Großeskalation gegen das Team Merkel-Maas bevor. Und es handelt sich um einen Debattenelfmeter. Mit Rückenwind. Auf abschüssigem Spielfeld. Ohne Torwart."

Der Journalistengewerkschaftsboss Überall schließlich meint:

"Ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit Sitz in den USA bestimmt darüber, wie weit Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland reicht. Das ist der Ausverkauf von Grundrechten!"

Zitiert haben’s unter anderem der Tagesspiegel und tagesschau.de.

Mit Titanic-Chefredakteur Tim Wolff hat unter anderem Christoph Sterz von "mediasres" gesprochen. Ihm gegenüber sagt Wolff: Dass Twitter eingegriffen habe, sei ein "allgemeines Problem, weil diese Plattformen natürlich eine Macht auf sich konzentrieren, die es bei Print und Funk in der Form vorher nicht gab".

Und:

"Dass man komplett abgeschaltet werden kann, ist etwas Neues."

"Die elende Personalisierung politischer Sachverhalte"

Wir sind ja noch am Anfang des Jahres, insofern bietet es sich an, grundsätzliche Bestandsaufnahmen vorzunehmen, verknüpft mit der Hoffnung, dass zumindest eine leichte Besserung noch möglich ist. Um konkret zu werden: Reden wir doch mal über Politikjournalismus.

Im am Dienstag hier ausführlich zitierten Jahresauftakt-Interview, das Hachmeister dem Deutschlandfunk gegeben hat, hat dieser unter anderem gesagt, das "TV-Duell" im vergangenen Jahr sei "eine Blamage für den Journalismus, für alle, die daran teilgenommen haben". Man könnte aber auch die These vertreten, dass es sich bei der Politikberichterstattung in vielen aktuellen TV-Formaten und auch in superseriösen Printmedien um eine Dauer-Blamage handelt. Jedenfalls legt das ein Artikel Kay Sokolowskys aus der am Mittwoch erschienenen Januar-Ausgabe von konkret (Seite 16/17) nahe. Vorrangig geht es in seinem Text um die Rolle der Politikwissenschaftler in den Medien, der Artikel zeigt aber auch die generellen Schwächen eines ganzen Genres auf:

"Ein Politologe, der das Personalgeschiebe der Parteien und die Gemütsverfassung der Regierenden für bestenfalls drittrangig erachtet, hat wenig Aussichten, nach seinen Ansichten befragt zu werden. Die elende Personalisierung politischer Sachverhalte, die Beschreibung der Macht und ihrer Organisation als großes, um das Dummwort des Jahrzehnts auch mal zu gebrauchen, Narrativ, besser: als endlose Telenovela – diese Trivialisierung dominiert das tägliche Nachrichtenwesen."

Journalisten und "Experten" aus der Politikwissenschaft seien 

"sich einig, die Politik als Drama 'erzählen' zu wollen (…) Alles Politische wird zu einer Sache der Gefühle, Stimmungen, 'Chemie'. Irgendeiner lauert im Hintergrund, irgendeine probt den Aufstand, jemand spielt auf Zeit, alle verlieren die Geduld, 'hinter den Kulissen' tobt ein 'Krach', 'auf der Bildfläche' sind plötzlich allerlei Figuren 'aus der zweiten Reihe', doch beim 'Showdown' auf der 'Berliner Bühne' siegen stets der Rechtsstaat und ein unsichtbarer Dritter, 'der Wähler'." 

Auf drei "wahre Kapazitäten des Politgeschnatters" geht Sokolowsky ausführlich ein, einer der Schnatterer ist Jürgen W. Falter, der das Bundesverdienstkreuz im Trophäenschrank liegen hat. Im folgenden Beispiel geht es um eine Sendung des BR:

"Am 4. Dezember 2017 ist der Experte wieder zu Gast im 'Rundschau-Magazin', und der (Moderator) (…) stellt ihm erneut eine Frage, deren strahlende Beklopptheit dem medienaffinen Gelehrten vielleicht gar nicht aufgefallen ist: 'Diese beiden Machtmenschen – Seehofer und Söder –, glauben Sie, dass die jetzt ganz einfach umschalten können auf Teamarbeit, von heute auf morgen?' Falter antwortet wie einst der Ratgeberonkel in der Illustrierten: 'Man muss sich ja nicht lieben, um miteinander arbeiten zu können.'

Tatsächlich unterscheiden sich die "Experten" aus der Politikwissenschaft ja oft nicht von solchen, die etwa in Frauenzeitschriften zu Wort kommen.

Nicht wenige Politikjournalisten und Feuilletonisten haben sich in den vergangenen Monaten als Fans der Autoren Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel Pascal Zorn bzw. ihres Buchs "Mit Rechten reden. Ein Leitfaden" zu erkennen gegeben. In einem Blogbeitrag in der Gegend von 60.000 Zeichen zehn Kapitel plus "Gegenentwurf" - bezieht Floris Biskamp eine Gegenposition:

"Wie ein- und abseitig die im Buch präsentierte Perspektive ist, wird deutlich, wenn man das Weltbild rekonstruiert, das die Autoren zeichnen. In dessen Kern steht eine Unterteilung der Öffentlichkeit in drei verschiedene Gruppen. Erstens trennen sie die Gesellschaft in Rechte und Nicht-Rechte, zweitens dann die Nicht-Rechten in die Linken einerseits und diejenigen Nicht-Rechten, die auch keine Linken sind, andererseits (…) Dies sind diejenigen, die nicht opfer- und arschlochmäßig sprechen, sich aber auch nicht gegen Ungleichheit engagieren und nicht immer gleich in moralistischer Empörung explodieren, wenn ihnen etwas nicht passt. Die drei einzigen Repräsentanten dieser Gruppe, die im Buch eine relevante Rolle spielen, heißen Leo, Steinbeis und Zorn. Und diese Gruppe weist all die positiven Attribute auf, die Rechten und Linken abgehen: Wo die Linken bei jeder Dissonanz in moralistische Empörung ausbrechen und die Rechten arschlochmäßig provozieren, sind die nicht-rechten Autoren fähig und willens, rationale Diskurse zu führen. Während Linke nur moralisieren und Rechte nur provozieren, haben die Autoren Humor. Sie sind bestens vertraut mit Dialektik, welche die Linken längst vergessen haben und welche nur die Klügsten unter den Rechten überhaupt je kannten. Und ebenso wie die Klügsten unter den Rechten haben sie im Gegensatz zu den Linken Nietzsche gelesen."

Wie viele Rettungskräfte Silvester wirklich verletzt wurden

Rainer Wendt überhaupt zu erwähnen, ist immer ambivalent, außerdem kam der Mann, der kommunikationspolitisch schon wie Donald Trump agierte, als die meisten Deutschen noch nicht wussten, wer Donald Trump ist, gerade erst im Altpapier von Dienstag vor, aber es muss wohl sein, denn auch in einem neuen Fake-News-Fall spielt der Bursche wieder eine Rolle:

"Nach der Silvesternacht hatten Gewerkschaftler und Politiker bundesweit einen besseren Schutz von Einsatzkräften gefordert. Eine Google-Abfrage zeigt: dutzende Redaktionen griffen das Thema auf und verbreiteten Zitate von Gewerkschaftern und Innenpolitikern, ohne Zahlen oder Statistiken als Grundlage zu haben (…) Die Welt zitierte Rainer Wendt, den umstrittenen Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (die halb so viele Polizisten vertritt wie die GdP), mit der Aussage, Attacken gegen Einsatzkräfte hätten angeblich "lebensbedrohliche Ausmaße”. Der Rhein-Neckar-Zeitung sagte Wendt, die Vorfälle seien 'Tötungsversuche' gewesen."

Dies rekapituliert Marcus Engert für Buzzfeed. Er kam auf die altmodische Idee, am Telefon einfach mal ein paar Zahlen abzufragen. Ergebnis:

"In den 20 größten deutschen Städten gab es zu Silvester nur 6 verletzte Rettungskräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst (…) Zwei der Verletzungen entstanden bei Einsätzen, die nichts mit Silvester zu tun haben."

Engerts Fazit:

"Der Vorgang erinnert an den G20-Gipfel in Hamburg. Auch hier war im Nachgang von einer enormen Zahl verletzter Beamter die Rede. Auch diese Zahlen erwiesen sich damals nach Recherchen von BuzzFeed News als deutlich übertrieben."

Kandel, die Fortsetzung

Dass bei der Berichterstattung über den Mord an einer 15-Jährigen in Kandel (siehe Altpapier von Dienstag und Mittwoch) die Dimensionen verrutscht sind, findet Peter Weissenburger (taz):

"Spielen wir das Ganze an einem anderen Fall durch: Zwei Tage nach Kandel, am 29. Dezember, ersticht ein 49-jähriger Mann in einem Einkaufszentrum in Halle seine 40-jährige Frau. Auch dieses Ereignis geht als Polizeimeldung raus, wieder tickert die Deutsche Presseagentur. Und doch bleibt es bei simplen Meldungen in der Regionalberichterstattung. Man hätte hingegen auch darüber schreiben können, dass hier ein Russe eine Ukrainerin ermordet hat. Dass es sich womöglich um das tragische Ende einer ostdeutschen Migrationsgeschichte handelt. Könnte ja sein. Kann aber auch nicht sein. Klar ist: Der Fall hat überregional null Relevanz."

Ein zentraler Satz aus Weissenburgers Text, der aus dem Kontext gerissen möglicherweise hart klingen mag, lautet:

"Das Betrauern Einzelner ist nicht Aufgabe der Presse."

Mehr Werbung für Dokumentarfilme!

Die Perspektiven des Dokumentarfilms waren zuletzt vor rund einem Monat ausführlich Thema im Altpapier. Die AG dok hat nun ein Interview, das in der Januar-Ausgabe der Zeitschrift Promedia erschienen ist, als PDF zugänglich gemacht. Das Fachblatt hat unter dem Titel "Wir reden nicht über irgendein Nischenprogramm" AG-dok-Geschäftsführer Thomas Frickel und Grimme-Instituts-Direktorin Frauke Gerlach interviewt. Frickel sagt:

"Es kann doch nicht sein, dass für Sportberichterstattung – also für ganze 8 Prozent der Sendezeit im Ersten, über 23 Prozent des Budgets draufgehen, während zwei Drittel der dokumentarischen Sendungen, die man in den öffentlich-rechtlichen Kanälen zu sehen bekommt, von den Sendern nicht voll finanziert werden. Keinem 'Tatort'-Produzenten würde man abverlangen, 40, 60 oder 80 Prozent seines Budgets selbst mitzubringen – bei Dokumentarfilmen hält man das offenbar für selbstverständlich."

Außerdem, so Frickel weiter,

"wäre es wichtig, dass die Sender den Dokumentarfilm als ergebnisoffenen, differenzierten Blick auf die Wirklichkeit nicht länger in den entlegensten Winkeln ihres Programmangebots verstecken, sondern dass sie ihn so präsentieren, wie es einem Premium-Produkt gebührt: zu akzeptablen Sendezeiten, und mit dem gleichen Werbeaufwand, mit dem Tag für Tag die Krimiflut im Ersten beworben wird. Das breite Publikum, über Jahre hinweg dem Genre systematisch entwöhnt, muss die Besonderheiten des dokumentarischen Blicks erst wieder neu entdecken. Das kommt nicht von alleine."

Wilhelminist Siebenhaar

Was wohl Ulrich Wilhelm, der neue Vorsitzende der ARD, von den Vorschlägen Frickels hält? Vielleicht ein bisschen was, denn immerhin macht er, so die SZ neulich, "kein Geheimnis daraus (…), dass es für seinen Geschmack im öffentlich-rechtlichen Programm (…) zu viele Krimis gibt" - woraus sich auch schließen ließe, dass Wilhelm einer anderer Gewichtung bei der Eigenwerbung etwas abgewinnen kann.

Die Vergangenheit Wilhelms in Regierungsmilieus haben wir am Dienstag an dieser Stelle bereits erwähnt, allerdings nicht mit einer solchen, tja, Sensibilität wie Hans-Peter Siebenhaar im Handelsblatt:

"Der neue ARD-Vorsitzende und Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR), Ulrich Wilhelm, weiß um die Wichtigkeit des Dialogs mit den Bürgern (…) Schon in der Bayerischen Staatskanzlei unter dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und später als Regierungssprecher unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat er seine Sensibilität für Themen und Probleme in der Gesellschaft demonstriert."

Siebenhaar, ein Anhänger des Wilhelminismus - wer hätte das gedacht? Anders gefragt: Wer hätte gedacht, dass jemand, der Jahre lang den Eindruck erweckte, dass er sogar beim Shavasana über die Schurkereien bzw. vermeintlichen Schurkereien von ARD und ZDF sinniert, eine Eloge auf den neuen Großen Vorsitzenden anstimmt? Eine tendenziell eher kontraproduktive Eloge zudem, denn: Was die ARD am wenigsten braucht, ist ein Vorsitzender, der agiert, als wäre er noch im operativen Politikgeschäft zugange.

Altpapierkorb (Spotify vor Gericht, Dieter Wedel, das Modewörtchen Disruption, das Auge der Weimarer Republik)

+++ Die taz hat anlässlich des Vorgehens der iranischen Regierung gegen den Messenger-Dienst Telegram (Altpapier von Dienstag) mit zwei Betreibern der Telegram-Gruppe Amad-News gesprochen, in der unter anderem "Dokumente des iranischen Regimes geleaket" wurden. Frage: "Warum benutzt ihr Telegram noch, obwohl eure Gruppen geschlossen wurden? Es gäbe doch auch alternative Messenger." Roohola Zam antwortet darauf: "Telegram ist schwer zu ersetzen: Erstens, in einer Gruppe können Millionen Menschen Mitglied werden. Die anderen Dienste lassen nur deutlich kleinere Gruppen zu. Zweitens, die Iraner vertrauen Telegram, es ist nicht einfach, umzustellen."

+++ Das Zeit-Magazin (€) hat mit verschiedenen Schauspielerinnen und Ex-Schauspielerinnnen gesprochen, die dem TV-Regisseur Dieter Wedel sexuelle Übergriffe vorwerfen. Jany Tempel etwa, die in Wedels Mehrteiler "Der König von St. Pauli" mitwirkte, bezichtigt ihn der Vergewaltigung. Wedel weist die Vorwürfe zurück. Eine Zusammenfassung steht unter anderem bei Spiegel Online. "Mein Mandant wird sich gegen diese Veröffentlichung mit allen juristisch zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen", sagt Wedels Rechtsanwalt Michael Philippi laut tagesschau.de.

+++ Eine Geschichte aus der Kategorie "Gute Freunde kann niemand trennen" hat Hans-Martin Tillack für den Stern aufgeschrieben. Er dröselt auf, warum es ein Geschmäckle hat, dass das Bundespresseamt der Mediaagentur Carat einen 60-Millionen-Euro-Auftrag zugeschanzt hat.

+++ "In a story that touches on recent media history and current concerns about government leak investigations, longtime New York Times reporter James Risen has a personal account of his struggles to publish significant stories involving national security, and how both the government and top editors at The New York Times suppressed that reporting." Mit diesen Worten fasst das Columbia Journalism Review einen 15.000 Wörter starken Text zusammen, den der Pulitzer-Preisträger Risen bei The Intercept veröffentlicht hat. The New Republic geht ebenfalls auf den Artikel ein.

+++ "Neu ist der Vorwurf nicht, dass Spotify nur mit unzureichenden Lizenzen operiert und bei den Nutzungsverhandlungen mit Plattenfirmen regelmäßig die Musikverlage vergisst oder übergeht", schreibt Jan Kedves in der SZ. Anlass: Der Streaminganbieter sieht sich mit einer Klage konfrontiert. Der Musikverlag Wixen Music Publishing ist vor ein kalifornisches Bundesgericht gezogen und verlangt 1,6 Milliarden Dollar Schadenersatz. Die NZZ berichtet ebenfalls.

+++ In der heute bereits erwähnten Januar-Ausgabe von konkret empfiehlt Veronika Kracher Angela Nagles Buch "Kill All Normies: Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right" ."Aus kulturhistorischer und sozialpsychologischer Sicht beschreibt Nagle die Bedingungen, unter denen (…) diese ultra-aggressive und maskulinistische Subkultur (…) eine derart große öffentliche Wirkung entfalten konnte. Wer die moderne amerikanische Rechte und das Internet als Brutstätte solcher Subkulturen verstehen möchte, sollte Nagles Buch lesen."

+++ Noch ein Blick ins aktuelle Zeitschriftenangebot: In der neuen Ausgabe des Philosophie Magazins, die heute erscheint, kritisiert der Wissenschaftshistoriker David Edgerton in einem Interview unter der Überschrift "Die Ideen des Silicon Valley sind uralt" unter anderem die falsche Verwendung des Modewörtchens "Disruption". Frage: "Warum glauben wir heute an einen zerstörerischen Fortschritt, in dem Innovation vor allem durch 'Disruption' entsteht?" Edgerton dazu: "Über Disruption wird in der Tat sehr viel geredet. Manchmal entsteht aus Zerstörung tatsächlich etwas Neues. Aber (…) in Wirklichkeit ist technische Innovation häufig sehr konservativ. Vergessen Sie nicht, wer deren Träger sind: Das sind bis heute typischerweise etablierte, mächtige Organisationen wie Staaten, Militärapparate oder große Konzerne, die sämtliche vermeintlichen Disruptionen gut überstanden haben" (Seite 53).

+++ Kritik am Altpapier vom Dienstag: Welt-Medienredakteur Christian Meier bezieht sich bei Twitter unter anderem auf eine Lutz-Hachmeister-Äußerung paraphrasierende Passage, es gebe "'keine empirische Studie, keine Daten', die die allgegenwärtige Behauptung stützt, die Online-Textproduktion der Öffentlichen-Rechtlichen tangiere in nennenswertem Umfang das Geschäft der Verleger". Meier fragt: "Weil es keine 'empirischen Daten' gibt, heißt das gleichzeitig, dass es keinen Effekt der Substitution geben kann?"

+++ Die Berliner Zeitung würdigt Willy Römer, "das Auge der Weimarer Republik". Seine Aufnahmen bildeten "noch heute den Grundstock unseres politischen Bildgedächtnisses jener Zeit", schreibt Manuel Wischnewski

+++ Heike Hupertz rät auf der FAZ-Medienseite in für ihre Verhältnisse harschen Worten davon ab, sich heute in der ARD die Verfilmung des Charlotte-Link-Romans "Die Betrogene" anzutun: "Das Personal wirkt in der Drehbuchfassung von Stefan Wild wie aus dem Holzbaukasten des Britenkrimis, die Szenerie x-beliebig. Die Motivation der handelnden Personen, um von Psychologie nicht zu sprechen, bleibt in der Inszenierung von Andreas Linke im Dunkeln (…) Verzichtet wurde auf Plausibilität, subtilere Anschaulichkeit und jede Spannung (…) Die Quotenerwartung wird sicher erfüllt werden. Ein neues Jahr, ein neuer Anlauf zur messbaren Marktführerschaft zwischen ARD und ZDF: Angesichts solcher Filme sind das sehr trübe Aussichten."

Neues Altpapier gibt es wieder am Freitag.