Das Altpapier am 21. April 2023: Porträt der Altpapier-Autorin Johanna Bernklau
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 21. April 2023 Alles gesagt?

21. April 2023, 10:13 Uhr

Über 50 Texte sind in der vergangenen Woche rund um Springer, seinen Chef und dessen ehemaligen Kumpel Stuckrad-Barre erschienen. Einer davon verdient auch heute nochmal unsere Aufmerksamkeit. Und auch ein anderes Medien-Dauerbrenner-Thema möchte beachtet werden. Die heutige Medienberichterstattung kommentiert Johanna Bernklau.

Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Der übertrieben gehypte Medien-Liebling der Woche

Ganz ohne das Thema Axel Springer kommt auch das heutige Altpapier leider nicht aus. Wer darüber schon nichts mehr hören oder lesen will – ich verstehe es.

Sechs Artikel auf "Zeit Online", sieben Artikel auf "faz.net", 18 Artikel auf "Spiegel.de" und 19 Artikel auf "sueddeutsche.de". Das ist das Ergebnis, wenn man am gestrigen Donnerstagabend auf diesen Seiten nach dem Stichwort "Springer" sucht.

50 Texte sind dort in der vergangenen Woche rund um das Verlagshaus, seinen Chef und dessen ehemaligen Kumpel Benjamin von Stuckrad-Barre erschienen. Anlässe dazu gab es auch zu Genüge:

Erst die von der "Zeit" geleakten Chats von Mathias Döpfner (Altpapier), dann der Start des Podcasts "Boys Club" (Altpapier) und als i-Tüpfelchen noch der übertrieben gehypte Liebling der deutschen Medienmenschen: Der neue Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre, in den gerade möglichst schnell und möglichst viel hineininterpretiert wird.

Dabei provoziert "Noch wach?" vor allem Missverständnisse und lässt angedeutete Wahrheiten bewusst mit Fiktion verschwimmen, wie mein Altpapier-Kollege Ralf Heimann gestern hier sehr treffend eingeordnet hat.

Axel Springer und seine Medienmänner

Auf einen dieser 50 Artikel lohnt sich allerdings nochmal ein genauerer Blick: Samira El Ouassil schreibt in ihrer Spiegel-Kolumne über "Die unsichtbaren Frauen", um die es – zumindest in zwei von drei Teilen in der Springer-Debatte – eigentlich geht.

Über bzw. mit diesen Frauen wird aber leider eher wenig gesprochen und noch weniger geschrieben. Es sind vor allem die Männer – Döpfner, Reichelt, Stuckrad-Barre – die den Diskurs um #MeToo in den Medien dominieren.

"Sosehr man gewillt ist, an das Positive zu glauben: Ich kann keinen Fortschritt entdecken, wenn sich betroffene Frauen und Überlebende immer noch in der Namen- und Gesichtslosigkeit verstecken müssen, wenn sie über Übergriffe sprechen wollen, aber weiterhin Männer dafür die meiste Aufmerksamkeit bekommen",

schreibt El Ouassil in ihrer Kolumne.

Auch Miriam Zeh betont in ihrer Rezension zum neuen Roman die große Heldenhaftigkeit und Absolution des Erzählers (der Stuckrad-Barre in vielem sehr ähnlich ist), der sich den Geschichten der Frauen annimmt und ihnen helfen will:

"Die große zusammenhängende Erzählung […] auch unabhängig davon, welche Rolle der echte Mensch, Benjamin von Stuckrad-Barre, in diesem ganzen echten Vorgang in der echten Welt gehabt hat, […] geht von einer männlichen Hauptfigur [aus], die hier eine Lesart sehr medienwirksam platziert, die ihn von ziemlich viel Mitschuld freispricht."

Mal wieder ein KI-Fail im "Journalismus"

Auf eine "besonders bemerkenswerte Frechheit" in der Illustrierten "Die Aktuelle" machte "Übermedien" diese Woche aufmerksam: Auf der Titelseite der Funke-Zeitschrift prangte das Gesicht des ehemaligen Formel-1-Rennfahrers Michael Schumacher, der dem Magazin Jahre nach seinem schweren Skiunfall und seiner darauf folgenden Medienabwesenheit angeblich ein Interview gegeben haben soll.

"Welt-Sensation – Das erste Interview! – Es klingt täuschend echt", prophezeit die Schlagzeile. Blättert man auf die entsprechende Seite, findet man, allerdings bemüht versteckt, den Hinweis darauf, dass eine Künstliche Intelligenz dem Klatschblatt ein Interview gegeben hat – und nicht Michael Schumacher.

Übermedien-Autor Boris Rosenkranz schreibt dazu:

"Die Quellenangabe ist dann sensationell, auch in ihrer Präzision: 'Das Interview war im Internet. Auf einer Seite, die mit Künstlicher Intelligenz, kurz KI genannt, zu tun hat.'"

Viel sensationeller ist allerdings die Dreistigkeit der Redaktion, die auf derselben Seite auf "Lügen-Bilder mittels KI" (z.B. Papst in Riesenjacke) verweist, während sie drei Zentimeter darunter selbst versucht, ein Lügen-Interview als ein richtiges zu verkaufen. Oder soll das eine Art Wiedergutmachungs-Versuch sein, ganz à la "Wir haben hiermit darauf hingewiesen, dass man KI auch problematisch einsetzen kann"?

Wenig überraschend wird die Familie von Michael Schumacher nun juristische Schritte gegen "Die Aktuelle" einleiten.


Altpapierkorb (World Press Photo, ein gefaktes prämiertes Foto, neu gewählter RBB-Verwaltungsrat)

+++ Die Gewinner des World Press Photo Awards stehen fest: Die vier besten internationalen Fotografien aus dem Journalismus thematisieren unter anderem den Krieg in der Ukraine und die Klimakrise.  

+++ Mal wieder ein gefaktes Foto, das auch noch einen Preis gewonnen hat: Der deutsche Fotograf Boris Eldagsen hat den Sony World Photography Award in der Kategorie "Creative" erhalten und gleich wieder zurückgegeben. Sein prämiertes Foto war gar keines, sondern war mit Künstlicher Intelligenz erstellt worden. "Die Einreichung war seiner Aussage nach ein Test, um zu sehen, wie Fotografiepreise mit KI-generierten Bildern umgehen", schreibt verdi in seinem Medienmagazin.

+++ Der RBB hat einen frisch gewählten Verwaltungsrat, der sich jetzt vor allem um die finanziellen Entscheidungen des Senders kümmern darf. +++

Das Altpapier am Montag schreibt Christian Bartels. Schönes Wochenende!

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