Das Altpapier am 21. Dezember 2018 Schön sagen, was ist

Nach dem ersten Schock ist das Ausmaß des Betrugsfalls Relotius noch immer kaum abzusehen. Viele Fragen sind offen: Welche Rolle spielen Preise, Reporterkult und Schönschreiberei? Folgt jetzt eine große Aufräumaktion wie nach dem Guttenberg-Plagiat? Und wie sehr kann man dem Spiegel bei seiner Aufklärung vertrauen? Ein Altpapier von Ralf Heimann.

Nach und nach lüftet sich alles ein bisschen. Der Vorhang ist nun einen Spalt breit offen. Man erkennt sehr deutlich den Flächenbrand dahinter, aber noch nicht das ganze Ausmaß. Mit jedem weiteren Zentimeter, der zu sehen ist, wird deutlich: Es ist alles noch etwas größer, als man dachte. Aber machen wir nicht den gleichen Fehler wie Ullrich Fichtner in seinem Melodrama, das vorgestern bei Spiegel Online erschien. Bleiben wir erst mal bei den Fakten.

Inzwischen haben die Medien, die Claas Relotius in den vergangenen Jahren mit Kurzgeschichten beliefert hat, angefangen, ihm hinterher zu recherchieren und sind dabei – anders er selbst – sehr oft auf Berichtenswertes gestoßen.

Lorenz Maroldt schreibt in seinem Newsletter Checkpoint, der Tagesspiegel habe zwei Texte von Relotius veröffentlicht. In einem Fall habe er sich mit dem Protagonisten nicht getroffen. Im anderen Fall, einem Interview mit dem Regisseur Werner Herzog, hat Relotius noch ein bisschen was dazugelogen. Bezeichnenderweise trägt der Text auch noch die Überschrift: "Es gibt keine Formel für Wahrheit."

Bei Zeit Online haben sie ebenfalls Hinweise darauf gefunden, dass in den sechs Texten, die Relotius für sie zusammengeschludert hat, nicht alles, was dort beschrieben ist, so auch tatsächlich gesagt worden und passiert ist. Am Ende weiß man gar nicht, ob es Galgenhumor ist oder einfach vollkommen notwendig, jetzt auch so was zu überprüfen: Über eine CD-Rezension, die Relotius verfasst hat, schreiben Markus Horeld, Karsten Polke-Majewski und Holger Stark in ihrem Text: "Die rezensierte CD gibt es, (…)"

Na ja, immerhin etwas.

Es ist keine große Überraschung, dass auch das SZ-Magazin in den beiden dort erschienenen Relotius-Texten Ungereimtheiten gefunden hat, wie heute auf der SZ-Medienseite zu lesen ist. Relotius scheint sich im Laufe der Woche in so gut wie allen Redaktionen, für die er gedichtet hat, per SMS gemeldet zu haben, um Hinweise zu geben.

Dass man sich auch auf die Informationen, die er selbst zur Aufklärung beiträgt, nicht unbedingt verlassen sollte, zeigt etwa das Beispiel des Spiegel-Interviews mit Traute Lafrenz, der letzten Überlebenden der Widerstandsgruppe "Weiße Rose", die den erschienenen Text laut Spiegel-Protokoll "miserabel" nennt. Und nicht nur der Inhalt ist in Teilen ausgedacht, auch über die Umstände hat Relotius nicht die Wahrheit gesagt. Im Text heißt es:

"Die Schwiegertochter sagte, Relotius habe das Gespräch mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet - er selbst sagte dem SPIEGEL dagegen in seinem Geständnis, von dem Gespräch mit Lafrenz gebe es keine Tonaufnahme."

Hätte Relotius die Aufzeichnung vorgelegt, wäre damit eine weitere Lüge aufgeflogen – nämlich die, dass er fünf Stunden im Haus von Traute Lafrenz verbracht hat, wie der Spiegel in seiner Hausmitteilung gemeldet hatte. Lafrenz’ Schwiegertochter sagte dem Spiegel nun:

"Das Gespräch habe zwischen 45 Minuten und einer Stunde gedauert, nicht länger, anschließend habe sie ihn über das Grundstück geführt und verabschiedet."

Und dass Relotius selbst seine Lügen auch nach dem Geständnis noch zu beschönigen versucht, wird zum Beispiel darin deutlich, dass er in seinen Kurznachrichten an die Redaktionen von "Verdichtungen" spricht.

Ein guter Ratschlag scheint in jedem Fall zu sein, auf die Formulierung "preisgekrönter Reporter" erst mal zu verzichten, denn das könnte schon bald eine Korrektur notwendig machen. Seine Reporterpreise hat Relotius bereits zurückgegeben.

Man muss auch dem Spiegel misstrauen

Es ist nicht ganz leicht, den Überblick zu behalten über all das, was die Enthüllung nun aufwirbelt und deutlich macht. Aber wahrscheinlich ist es ratsam, nicht den gleichen Fehler zu machen wie die Spiegel-Dokumentation und sich von Vertrauen blenden zu lassen. Man muss auch der Deutung misstrauen, die der Spiegel nun anbietet, denn dort geht es nicht nur um Aufklärung, sondern natürlich auch in erheblichem Maße um Schadensbegrenzung.

Der Spiegel hat zwar angekündigt, eine Kommission einzusetzen, die auch aus externen Fachleuten besteht. Doch einige der Menschen, die an der bisherigen Aufklärung beteiligt waren, tragen auch die Verantwortung dafür, dass es überhaupt so weit kommen konnte.

Deutlich wird das zum Beispiel dann, wenn es um die Rolle Ullrich Fichtners selbst geht. Erinnern wird uns. Im ersten Text, der bei Spiegel Online erschien, hatte Fichtner geschrieben:

"Im Streit mit und über Relotius riskiert Moreno seinen eigenen Job, zwischenzeitlich recherchiert er dem Kollegen, verzweifelt, auf eigene Kosten hinterher. Drei, vier Wochen lang geht Moreno durch die Hölle, weil Kolleginnen und Vorgesetzte in Hamburg seine Vorwürfe anfangs gar nicht glauben können."

Das klingt so, als würde Fichtner in der dritten Person über andere schreiben. Im Interview mit Ralf Wiegand für die heutige SZ-Medienseite beschreibt Juan Moreno, wie er Fichtner selbst eine gefälschte Mail schrieb, um zu zeigen, wie einfach so etwas ist. Musste er also auch Fichtner überzeugen?

"Ich bin ins Auto gestiegen, habe bei Yahoo eine Mailadresse angelegt, die so ähnlich klang wie die von Relotius' angeblichem Protagonisten, und Ullrich Fichtner (gehört künftig zum Team der Chefredaktion des Spiegel, d. Red.) eine Mail geschrieben, auf Englisch: 'Hallo, mein Name ist Luger, ich schwöre, dass Claas Relotius die Wahrheit sagt. Wir haben heute drei Mexikaner erschossen, es war ein großer Tag für Amerika.' Luger nannte sich einer der Bürgerwehrler.“

Doch auch das blieb wirkungslos:

"Relotius hat auch eine Mail der Bürgerwehr-Sprecherin gefälscht. Diese E-Mails standen gegen meine Videos. Die Reportage erschien, ohne dass meine Warnungen irgendwie berücksichtigt wurden."

Und hier muss man festhalten: Dass der Text erschienen ist, obwohl ein eigener Reporter erhebliche Zweifel an seiner Richtigkeit hatte, ist keine Verfehlung von Claas Relotius.

Ressortleiter in der Gesellschaft ist Matthias Geyer. Über seine Rolle schreibt Fichtner sehr zurückhaltend. An dieser Stelle wird deutlich, warum der Spiegel allein zwar gern die Deutungshoheit in dieser Sache behalten würde, man sie ihm aber besser nicht überlassen sollte.

Falls auch Fichtner selbst zu denen gehörte, die Moreno nicht geglaubt haben, steht jedenfalls kaum übersehbar die Frage im Raum: Hätte nicht vielleicht doch besser jemand anders diesen Text schreiben sollen – jemand, der an der ganzen Sache nicht ganz so sehr beteiligt war?

Die Nachricht, dass Relotius mit seinen Lügen aufgeflogen ist, übermittelte laut SZ-Interview zwar Fichtner an Juan Moreno ("Das System Claas R. bricht zusammen"). Aber wer Zweifel hatte, ob Fichtner auch selbst das war, ist bislang nicht dokumentiert, falls ich nichts übersehen habe.

In seinem eigenen Text schreibt Fichtner, letztlich habe das Misstrauen der stellvertretenden Redaktionsleiterin Özlem Gezer zum Geständnis geführt.

Eine Zäsur in vielerlei Hinsicht

Auch die Rolle der Spiegel-Dokumentation muss man sich sicher noch einmal genauer ansehen. Natürlich hat Relotius erhebliche kriminelle Energie aufgewendet, um die Dokumentare zu täuschen. Aber darf es möglich sein, dass diese Instanz sich so komplett ausschalten lässt wie im Fall des im Altpapier gestern schon erwähnten Textes über das amerikanische Dorf Fergus Falls?

Der Spiegel hat die Vorwürfe aus dem bei medium.com erschienenen Text zweier Bewohner der Stadt inzwischen auf Deutsch aufbereitet. Und eines lässt sich ganz sicher sagen: Viele der falschen Behauptungen hätten sich sehr leicht überprüfen lassen.

Vermutlich wird in den folgenden Tagen noch viel mehr nach oben gespült werden. Es werden weitere Fragen auftauchen. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass der Fall in vielerlei Hinsicht eine Zäsur darstellt. Vielleicht war Relotius nur der erste Dominostein.

Was eine solche Enthüllung nach sich ziehen kann, haben wir bereits nach dem Plagiatsfall Guttenberg gesehen. Das Wiki VroniPlag hat laut Wikipedia bis Ende Mai 184 Dissertationen und 13 Habilitationsschriften untersucht. Möglicherweise steht dem Journalismus eine ähnliche Aufräumaktion bevor.

Auch um die Umstände wird es gehen. Welche Rolle spielen die Ansprüche der Redaktionen an Geschichten? Welche Rolle spielt der Starkult um Reporter, von dem etwa David Denk auf der SZ-Medienseite schreibt:

"Relotius hat bis zu seiner Kündigung am Montag in der 'Gesellschaft' gearbeitet, die in der 'Kleinstaaterei' der Spiegel-Ressorts eine Sonderstellung einnimmt, andere sprechen von 'einer Art Paralleluniversum innerhalb der Redaktion' – und meinen das Gleiche: Dort werde ein Reporterkult und ein Anspruchsdenken gepflegt, das nicht wenige für den Fall Relotius zumindest mitverantwortlich machen."

Und welche Rolle spielen Journalistenpreise?

Noch einmal David Denk:

"Auch Ullrich Fichtner, 53, hat lange in der 'Gesellschaft' gearbeitet, davon zwei Jahre als Ressortleiter, der auch den damals noch freien Mitarbeiter Relotius beauftragte. Fichtner sei 'einer der am häufigsten ausgezeichneten deutschen Journalisten', heißt es in der Autoren-Kurzbio auf der Website seines Verlags, was den Blick lenkt auf die Bedeutung, die Journalistenpreisen in Hamburg beigemessen wird. Es ist keine Entschuldigung zu schreiben, dass der alleine viermal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnete Relotius seinen journalistischen Vorbildern nacheiferte, aber ein Stück weit liegt die Erklärung für seine Grenzüberschreitungen wohl in dem 'Höher, schneller, weiter', das ihm offenbar zumindest in Teilen der Spiegel-Redaktion vorgelebt wurde."

Um die Preise wie auch um die Redaktionskultur geht es auch im FAZ-Interview mit dem ehemaligen Leiter des Spiegel-Gesellschaftsressorts, Cordt Schnibben, einem der Gründer des Reporterforums, das auch den Reporterpreis vergibt (für 45 Cent bei Blendle):

Schnibben sagt zwar: "Auch ohne den Deutschen Reporterpreis hätte Relotius nicht anders gearbeitet." Er macht aber den Vorschlag, dass jeder Reporter den Preis nur einmal gewinnen können soll, was an der grundsätzlichen Anreizsituation allerdings nichts ändert. Es gibt ja auch noch viele andere Preise.

Schnibben hält auch nicht die Erzählform für problematisch:

"Nicht der Ton ist problematisch bei Relotius, sondern die Erfindung und Fälschung."

Und er relativiert die Vermutung, dass der Druck, mit einer guten Geschichte zurückzukommen, beim Spiegel schon sehr enorm sei.

"Als ich Ressortleiter war, kam jeden zweiten Monat ein Reporter zurück, der gesagt hat, dass sich eine Geschichte nicht so bewahrheitet hat, wie er sich das vorgestellt hat. Da habe ich ihn dann höchstens mal ermahnt, das nächste Mal bei der Vorrecherche gründlicher zu sein."

Die Währung der Journalistenpreise

Möglicherweise ist Schnibbens Perspektive dabei aber eine andere als die der Reporter, die ohne Geschichte zurückkommen. Lina Timm, Leiterin des Media Labs Bayern der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, schreibt bei Twitter:

"Nein, Spiegel, es ist bei euch eben nicht 'okay', wenn man ohne Geschichte wiederkommt. Das Problem sind nicht Autor oder Dok, sondern eure Kultur."

Anne Fromm und Altpapier-Kollege René Martens weisen darauf hin, dass das Problem schon in der Journalistenausbildung beginnt. Für die taz schreiben sie:

"Man muss sich einmal anschauen, welche Kriterien heute für journalistische Brillanz gelten, was an Journalistenschulen gelehrt wird und welchen Stellenwert Journalistenpreise haben. Das Portal journalistenpreise.de listet rund 500 Preise auf, die aktuell vergeben werden. Nicht alle sind gleichermaßen angesehen. Aber die Zahl zeigt, dass sie heute eine Währung darstellen. Und die Redaktionen – auch die taz – bejubeln sich gern selbst." 

Auch Jörg Thadeusz, der in der Vergangenheit immer wieder Preise verliehen hat, nun aber erklärt, dass er das in Zukunft erst mal nicht mehr machen will, sieht in den zahllosen Journalistenpreisen eine Wurzel des Übels. In einer Erklärung, die er bei Twitter veröffentlicht hat, schreibt er:

"Insgesamt gibt es insgesamt 500 verschiedene Journalistenpreise. Ich werde in Deutschland erst dann wieder einen vergeben, wenn Verkehrspiloten auch für jede zehnte geglückte Landung prämiert werden. Also auch dafür, dass sie lediglich ihren Job machen."

Allerdings vergleicht er hier Äpfel und Birnen miteinander, die dazu auch noch hinken. Es sind ja nicht nur die Journalisten, die sich selbst Preise verleihen. Das geschieht aus ganz unterschiedlichen Gründen – und meistens nicht, weil Journalisten sich so gern selbst feiern, sondern weil sie anders als Verkehrspiloten etwas zu vergeben haben, das andere gerne hätten: größere Aufmerksamkeit.

Das Problem tut uns nicht den Gefallen, so einfach zu sein, wie wir es gern hätten. Viele Preise sind Köder, ein Journalistenpreis ist nichts anderes als ein Marketing-Instrument. Wer einen Preis zu einem bestimmten Thema ausschreibt, kann sich ziemlich sicher sein, dass in der Folge über dieses Thema berichtet werden wird.

Journalisten, die ihre Chancen auf die oft gut dotierten Preise vergrößern wollen, werden sich diese nicht mit unappetitlichen Investigativberichten kaputtmachen. Dabei gibt es viele Gewinner und oft nur einen Verlierer: den Adressaten der Beiträge, dem die Berichterstattung untergejubelt wurde und der davon ausging, dass über das Thema nur deshalb berichtet wurde, weil es eine gewisse Relevanz hat.

Auch unter den Preisen gibt es natürlich Unterschiede. Der Reporterpreis, den Claas Relotius vier Mal gewann, ist so ein Preis nicht. Hier geht es lediglich um Renommee, das eine schöne Belohnung für viel Arbeit ist, den Marktwert steigert, gute Jobs verspricht und die Anerkennung von Kollegen.

Andere Preise eignen sich nicht so gut, um darüber in sozialen Medien zu berichten. Mit ihnen bessern freie Reporter eher die lausigen Honorare auf. Im Fall Relotius scheint das kein Problem gewesen zu sein. Aber auch diese Preise verzerren die Anreize, und über einige Umwege könnte die Diskussion auch bei ihnen landen.

Für Ambivalenz fehlt das Erzählformat

Allein der Umfang des Materials, das in den vergangenen zwei Tagen erschienen ist, zeigt, wie sehr der Betrugsfall die Branche erschüttert. Einen sehr lesenswerten Text zu ganz grundsätzlichen Fragen des Geschichtenerzählens hat Jonas Schaible geschrieben.

Darin weist er zum Beispiel darauf hin, dass die Wirklichkeit oft gar nicht in die Erzählformen passt, die der Journalismus uns anbietet:

"Eine Geschichte, wie wir sie verstehen, hat dagegen eine klare Aussage. 'Du musst dich entscheiden, welche Geschichte du erzählen willst', sagen wir, wenn es mehrere Erzählstränge gibt. Außerdem tauchen so wenige Namen wie möglich auf, im besten Fall nur einer, des Protagonisten. Sie ist persönlich, nicht strukturell, auf Einzelne fokussiert. Sie enthält im besten Fall einen Konflikt. Eine Geschichte folgt im Kern klassischen Erzählmustern: Tragödie, Aufstieg und Fall, die Heldenreise, die Vorbereitung auf den großen Kampf, der verlorene Sohn, der Verrat. Es gibt kein klassisches Erzählmuster für Ambivalenz, eine Geschichte hält Ambivalenz nur aus, solange sie den Verlauf der Handlung nicht stört."

Und er bringt sehr schön das Problem mit dem überstrapazierten Spiegel-Credo "Sagen, was ist" auf den Punkt:

"Wenn man einfach nur erzählt, was ist, wird daraus selten eine preiswürdige Geschichte."

Also, wenn man beim Spiegel tatsächlich sagen wollte, was ist, müsste man vielleicht noch ein Wörtchen ergänzen: "Schön sagen, was ist."

Man könnte hier noch Stunden über die Probleme und Fragen weiterschreiben, die der Betrugsfall Relotius mit sich bringt. Aber mir geht hier leider langsam die Zeit aus. Das Altpapier soll ja möglichst heute noch erscheinen. Daher nur noch schnell zwei Lesetipps: Stefan Winterbauer hat für Meedia einen lesenswerten Text geschrieben, in dem er sich mit der Frage beschäftigt, was die Enthüllungen für die Branche bedeuten und in dem er unter anderem auf einen Text von Claudius Seidl hinweist, den Stefan Niggemeier gestern Morgen bei Twitter empfohlen hatte.

Schon der Teaser liest sich, als hätte Seidl beim Schreiben an Claas Relotius gedacht.

"Die Reportage wird gerne für eine Form der Literatur gehalten. Oft ist sie aber nicht einmal seriöser Journalismus."

Hat er aber nicht. Der Text ist aus dem Jahr 2010.

Altpapierkorb (Amtsblätter dürfen keine Zeitungen sein, Spex lebt weiter, das ZDF schlägt mal wieder alle)

+++ Es sind nicht so viele, aber ein paar weitere Mediennachrichten gibt es dann doch noch heute. Zum Bespiel: Amtsblätter dürfen keine Zeitungen sein. Das hat der Bundesgerichtshof nun in einem Urteil festgehalten, wie Christian Rath für die taz berichtet. Die Begründung des Gerichts: "Die im Grundgesetz geschützte Pressefreiheit enthalte eine Garantie für den Bestand einer freien Presse, betonte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Diese sei zur Sicherung der Meinungsvielfalt erforderlich. Eine vom Staat gelenkte Presse sei keine freie Presse. Der Staat dürfe auch bei vermeintlichen 'Informationsdefiziten' nicht die Rolle der allgemeinen Berichterstattung übernehmen."

+++ Der Prozess gegen Deniz Yücel in der Türkei ist vertagt worden, berichtet unter anderem die Welt. Der nächste Verhandlungstermin wird am 11. April sein.

+++ Für die taz schreibt Anne Fromm über die achte Folge von Olli Dittrichs Fernsehpersiflage, in der es um Trixie Dörfel geht, einen gefallenen Schlagerstar, der seit Kurzem nicht mehr in einer Villa zu Hause ist, sondern in einem Plattenbau: "Der tiefe Fall der Trixie Dörfel" lief schon gestern Abend in der ARD, ist aber auch über die Weihnachtstage noch in der Mediathek zu finden.

+++ Das ZDF hat nicht nur das "erfolgreichste Senderangebot im Netz", wie hier gestern schon zu lesen war. Der Sender ist mit einem Marktanteil von 14 Prozent zum siebten Mal in Folge der meistgesehene Sender in Deutschland. Danach folgen ARD (11,5 Prozent), RTL (8,4) und Sat1 (6,2). Die Zahlen stammen von der ARD-Medienforschung, der Bericht darüber vom Tagesspiegel. Und unter dem Text fragt der Tagesspiegel: In einer Umfrage: "Wird das klassische Fernsehen bald aussterben?" Immerhin 36 Prozent haben sich für die Antwort "Nein, das Fernsehen wird jeden Trend überdauern" entschieden. Und nur der Vollständigkeit halber: etwa 55 für die Antwort: Ja, Netflix und Co. sind auf dem Vormarsch. Teilnehmer bislang: 2.141. (Stand Donnerstagabend um 22.14 Uhr).

+++ Was viele ehe schon befürchtet hatten, jetzt der Vollständigkeit halber dann jetzt auch noch tatsächlich passiert ist: Amazon hat Sprachdateien, die ein Sprachassistent aufgezeichnet hat, an andere Kunden verschickt – in einem Fall, über den unter anderem Jonas Jansen für die FAZ berichtet, an einen Kunden, der wissen wollte, welche Daten Amazon von ihm gespeichert hat, der aber selbst gar keinen Sprachassistenten besaß. Wer lustige Überraschungen erleben möchte, der möge sich also so einen Sprachassistenten bestellen. Und um ganz ehrlich zu sein: Meiner ist vorgestern angekommen.

+++ Und zum Ende noch eine gute Nachricht: Die Musikzeitschrift Spex wird nun doch nicht komplett eingestellt, sondern macht ab Februar als Online-Magazin weiter, schreibt Jan Kedves für die Süddeutsche.

Das war das letzte reguläre Altpapier im Jahr 2018. In den nächsten Tagen folgen unsere thematisch sortierten Jahresrückblicke. Neues Altpapier gibt es dann wieder am 2. Januar. Aber nun erst einmal: Schöne Weihnachten und hoffentlich ein paar ruhige Tage!