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Steht mit den Affenpocken die nächste Pandemie vor der Tür? Bildrechte: IMAGO/McPHOTO

Neue Virus-Welle Immer mehr Fälle von Affenpocken - Jetzt kommt die Pocken-Impfung zurück

09. Juni 2022, 15:06 Uhr

Die Affenpocken breiten sich immer weiter in Europa aus. Ein Grund zur Sorge ist das Experten zufolge noch nicht. Vorsichtig sein sollte man dennoch. Wie werden die Pocken-Viren übertragen, wie kann man sich davor schützen - und wem emfpiehlt die Stiko eine Impfung? Ein Überblick.

Die wachsende Zahl von Infektionen mit Affenpocken in Europa und Nordamerika alarmiert Regierungen und Experten. In Großbritannien sollen Behördenangaben zufolge "täglich neue" Fälle registriert werden. US-Präsident Joe Biden warnte am Sonntag vor "schwerwiegenden Folgen", sollte sich die Krankheit weiter ausbreiten.

Mittlerweile sind auch in Deutschland mehrere Infektionsfälle nachgewiesen worden. Das RKI geht davon aus, dass noch weitere dazu kommen. Aufgrund der umfangreichen Kontakte der Infizierten sei mit weiteren Fällen zu rechnen. Die betroffenen Männern sollen sich auf Partys in Berlin und auf Gran Canaria angesteckt haben, bei denen es zu sexuellen Kontakten kam.

Auch in Spanien, Portugal, Frankreich und Italien wurden Betroffene gemeldet, ebenso in Nordamerika, Lateinamerika und Australien. Nach WHO-Angaben wurden bis zum vergangenen Samstag mehr als 90 Infektionen in Ländern bestätigt, in denen das in West- und Zentralafrika heimische Virus normalerweise nicht auftritt.

München Klinik Schwabing, hier wird der erste Patient mit Affenpocken in Deutschland behandelt,
Die München Klinik in Schwabing: Hier wird der erste Affenpocken-Patient in Deutschland behandelt. Bildrechte: IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Vorwiegend schwule und bisexuelle Männer betroffen

Betroffen sind der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, schwule und bisexuelle Männer. In der Regel waren sie zuvor nicht nach West- oder Zentralafrika gereist.

Safer Sex: Wie kann man sich vor einer Ansteckung schützen?

Nach aktuellem Forschungsstand ist für eine Übertragung des Affenpocken-Virus ein enger Körperkontakt erforderlich. Da die Ansteckung vermutlich über Schleimhautkontakt erfolgt, sollten enge körperliche und sexuelle Kontakte mit wechselnden bzw. fremden Personen möglichst vermieden werden. In jedem Fall beachten sollte man die Regeln des "safer sex", etwa durch den Gebrauch von Kondomen.

Im Vergleich zum Covid-19-Erreger Sars-CoV-2 wird das Affenpocken-Virus weniger leicht von Mensch zu Mensch weitergegeben. 

Stiko empfiehlt Impfung für Risikogruppen

Bislang gibt es keine spezifische Behandlung gegen Affenpocken. Allerdings soll die normale Pockenimpfung zu 85 Prozent vorbeugend wirken. In der Bundesrepublik war die Pockenimpfung bis 1975 für Einjährige Pflicht. In der DDR wurde die Impfpflicht 1982 aufgehoben.

Angesichts der zunehmenden Zahl von Fällen in Deutschland hält die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Impfung für bestimmte Risikogruppen für sinnvoll. Die Impfung wird Menschen nach einem engen körperlichen Kontakt zu Infizierten, Personal in Laboren mit ungeschütztem Kontakt zu Proben und homosexuellen Männern mit wechselnden Partnern empfohlen, wie die Stiko am Donnerstag (09.06.) mitteilte.

Laut dem Stiko-Beschlussentwurf sollen Menschen ab 18 Jahren, die engen körperlichen Kontakt mit einem Infizierten, beispielsweise durch Sex, hatten, so früh wie möglich in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen mit dem Pockenimpfstoff behandelt werden. Gleiches gilt für Laborpersonal nach ungeschütztem Kontakt zu kontaminierten Proben.

Für die Impfung stehe der in der EU zugelassene Pockenimpfstoff Imvanex zur Verfügung.

Abgeschwächter Pocken-Impfstoff Imvanex

Seit 2013 ist in der EU der Impfstoff Imvanex zugelassen. Das ist ein Lebendimpfstoff, der aus einer abgeschwächten Form des Pocken-Impfstoffs hergestellt wird. Die Erreger darin sind so schwach, dass sie sich nicht vermehren können. Deshalb dürfen auch immungeschwächte Patienten damit geimpft werden.

Britische Gesundheitsbehörden haben seit dem vermehrten Auftreten von Affenpocken-Fällen bereits mehr als 1.000 Dosen des Pockenimpfstoffs Imvanex an Kontaktpersonen verabreicht.

Was sind die Symptome einer Affenpocken-Infektion?

Zu den Symptomen von Affenpocken gehören Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und ein Ausschlag, der oft im Gesicht beginnt und dann auf andere Körperteile übergreift. Die meisten Menschen erholen sich innerhalb weniger Wochen davon.

Zentralafrikanische Virusvarianten sind laut Robert Koch-Institut (RKI) allerdings deutlich ansteckender als die westafrikanischen.

Grund zur Vorsicht, aber nicht zur Panik: Keine neue Pandemie

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) erklärte nach dem Nachweis von zwei Fällen von Affenpocken in ihrer Stadt, es bestehe "kein Grund zur Panik, aber Grund zur Vorsicht, da viele wissenschaftliche Erkenntnisse über die Krankheit noch vorläufig sind (...)".

Expertinnen und Experten befürchten aktuell keine neue Pandemie, fordern jedoch ein konsequentes Handeln. Dazu zählt etwa das Bereitstellen von ausreichend Pocken-Impfstoff. Denn für Menschen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem kann das Virus durchaus gefährlich werden.

So bewertet die WHO das Affenpocken-Virus

Auch aus Sicht der WHO sind Reisebeschränkungen oder Absagen von Veranstaltungen in betroffenen Ländern derzeit nicht notwendig. Die Organisation wies zwar darauf hin, dass es bei Massenveranstaltungen zu Ansteckungen kommen kann, betonte aber auch, dass Vorsichtsmaßnahmen gegen Covid-19 auch gegen Affenpocken wirken.

Im Moment erarbeitet die Weltgesundheitsorganisation Leitlinien zur Eindämmung der Ausbreitung von Affenpocken. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Fälle in den Sommermonaten weiter ansteigen könnte.

Zunächst sei es wichtig, das Bewusstsein für die Viruserkrankung zu erhöhen. Außerdem müssten Krankheitsfälle umfassend ausfindig gemacht und isoliert sowie Ansteckungswege rückverfolgt werden.

21 Tage Quarantäne: Belgien schickt Infizierte in Isolation

In Belgien sind bereits Konsequenzen gefolgt. Als erstes Land hat der Benelux-Staat eine verpflichtende Affenpocken-Quarantäne eingeführt. Infizierte müssen sich für 21 Tage in Isolation begeben. Für Kontaktpersonen gilt diese Pflicht nicht. Bislang sind in Belgien drei Fälle von Affenpocken entdeckt worden.

Großbritannien empfiehlt auch engen Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten eine dreiwöchige Quarantäne. Als Person mit hohem Infektionsrisiko gilt, wer im selben Haushalt mit einer erkrankten Person lebt, mit einer solchen Geschlechtsverkehr gehabt oder deren Bettwäsche ohne Schutzkleidung gewechselt hat. Diese Gruppe soll neben der Empfehlung zur Quarantäne auch die schützende Pockenimpfung erhalten.

Für Deutschland empfiehlt das RKI eine Isolierung Erkrankter bis zum Abfall der Krusten, aber mindestens von 21 Tagen. Auch für enge Kontakte sehe man eine Quarantäne von 21 Tagen. Dem hat sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach angeschlossen.

Woher kommen Affenpocken?

Affenpocken werden durch ein vergleichsweise großes Virus ausgelöst, das nah verwandt mit dem Variola-Virus ist. Das war der Erreger der echten Pocken, die seit 1980 als ausgerottet gelten.

Im Gegensatz zu den echten Pocken können die Affenpocken viele Tierarten befallen, darunter auch Nagetiere oder Affen. Die meisten Fälle von Affenpocken-Infektionen beim Menschen sind sogenannte Zoonosen. Das bedeutet: Die Viren werden von Tieren auf den Menschen übertragen. Am häufigsten treten diese Übertragungen des Virus in bewaldeten Gebieten in Zentral- und Westafrika auf.

Die Affenpocken zählen laut RKI zu den "re-emerging diseases". Das heißt, dass die Krankheit sich wieder ausbreitet, nachdem sie bereits auf dem Rückzug war. In den letzten Jahrzehnten konnte man eine Zunahme an Ausbrüchen erkennen, vor allem in West- und Zentralafrika. Laut der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union habe es während der Corona-Pandemie mehrere Ausbrüche von Affenpocken-Infektionen gegeben. Die hätten während der Pandemie aber kaum für Aufsehen gesorgt und seien zudem unter Kontrolle.


BRISANT/dpa/AFP/Reuters

(Dieser Beitrag wurde am 22.05.2022 erstmals veröffentlicht.)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 23. Mai 2022 | 17:15 Uhr

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