Einigung im Streit um Kostüm-Show Bundesgartenschau lässt Seniorinnen-Tanzgruppe nun doch auftreten
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Der Ärger bei der Buga in Mannheim mit einer Senioren-Tanzgruppe hat ein Ende. Die Tänzerinnen dürfen auftreten - unter bestimmten Bedingungen. Die Bundesgartenschau kritisierte zuvor einige Kostüme und hatte der Gruppe eine Stereotypisierung vorgeworfen. Doch was bedeutet das eigentlich?

Bei der Bundesgartenschau (Buga) in Mannheim wird den Besuchern neben blühenden Gartenlandschaften auch ein Unterhaltungsprogramm geboten. Darunter ist auch eine Seniorinnen-Tanzgruppe der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die erstmals mit ihrem Programm "Weltreise mit dem Traumschiff" auftreten sollte.
Buga kritisierte Kostüme
Geplant waren gleich mehrere Auftritte der Tanzgruppe mit insgesamt 14 Kostümvarianten. Doch sechs der 14 Kostüme stießen bei der Buga auf Kritik. Wie die Tageszeitung "Mannheimer Morgen" berichtet, habe die Bundesgartenschau insgesamt sechs teils selbst genähte Kostüme abgelehnt. Der Grund: Bei einigen Kostümen könnte der Eindruck entstehen, "es würden kulturelle und religiöse Stereotype zur Unterhaltung ausgeschlachtet werden".
Mexikaner als Menschen mit Sombrerohut oder klischeebesetzter asiatischer Kostümierung – das sind Bilder, die wir nicht auf der Mannheimer Buga sehen wollen.
Was ist Stereotypisierung? Im Allgemeinen ist eine Stereotypisierung eine voreingenommene Verallgemeinerung einer Gruppe von Menschen. Sie schreibt allen Mitgliedern einer Gruppe, Ethnie, Religion etc. die gleichen Eigenschaften zu, ohne auf die individuellen Personen bzw. Unterschiede zu achten. Dadurch wird oftmals eine falsche Vorstellung einer Personengruppe vermittelt, die teils diskriminierend oder sogar rassistisch ist.
Einigung im Streit um Kostüm-Show
Um der Tanzgruppe die geplanten Auftritte doch noch zu ermöglichen, haben sich die Veranstalter der Bundesgartenschau und das AWO Ballett am Montagabend zusammengesetzt und sind zu einer Einigung gekommen. Die Tänzerinnen dürfen wie geplant tanzen, müssen allerdings drei Kostüme anpassen, "um dem kulturellen Anspruch des jeweils betroffenen Landes zu entsprechen", heißt es in einer Mitteilung der Buga. Das Bühnenprogramm soll weitgehend erhalten bleiben und die Auftritte im Nachgang durch Diskussionen begleitet werden.
Geplant ist bei der Kostümshow also, dass aus den "Pharaonen" nun ägyptische Arbeiter werden, die "Mexikaner" nur mit Poncho tanzen und die Asiatinnen moderner werden. Vor der Einigung am Montagabend hatte sich die Gründerin der AWO-Tanzgruppe, Erika Schmaltz, enttäuscht über die Kritik der Buga gezeigt. Die Show habe "nichts mit Rassismus zu tun", die Gruppe wolle mit den Kostümen lediglich "Freude schenken", so die 75-Jährige gegenüber "BILD".
Rassismus-Kritik beim Karnevalsempfang
Bereits im Februar gab es einen ähnlichen Fall, bei dem die 1. Ober-Mörler Karnevalsgesellschaft "Mörlau" viel Gegenwind für ihren Auftritt bekam. Ministerpräsident Boris Rhein hatte im Schloss Biebrich Repräsentanten der hessischen Fastnachtsvereine empfangen. Der besagte Karnevalsclub entsandte dafür unter anderem einen schwarz angemalten Mann.
Die vom Verein als "Mohr" bezeichnete Figur gilt als Symbol der Ober-Mörlener Fastnacht und findet sich sowohl im Wappen der Karnevalsgesellschaft als auch in dem der Wetterau-Gemeinde Ober-Mörlen.
Entschuldigung nach "Blackfacing"-Auftritt
Bereits einen Tag nach dem Empfang ruderte die Karnevalsgesellschaft nach "Blackfacing"-Vorwürfen zurück und ließ durch eine Sprecherin mitteilen: Man entschuldige sich "ausdrücklich bei allen Menschen, die wir verletzt haben könnten".
Der Vorstand nehme die Angelegenheit sehr ernst, erklärte die Sprecherin. "Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, die entsprechenden Bilder und Inhalte auf unseren Social-Media-Seiten zu entfernen und öffentliche Auftritte des Mohren ab sofort abzusagen, da wir niemanden kränken wollen."
Was bedeutet "Blackfacing"?
Die als "Blackfacing" bezeichnete Praxis, sich schwarz zu schminken, wird aufgrund ihrer Historie als rassistisch kritisiert.
Vor allem in den USA nutzten weiße Darsteller die Aufmachung in den sogenannten "Minstrel Shows" des 18. und 19. Jahrhunderts - zu Zeiten von Sklaverei und Kolonialherrschaft - um sich über Schwarze lustig zu machen. Weiße Menschen malten sich schwarz an, um Menschen mit schwarzer Hautfarbe abzuwerten und als faul darzustellen.
Dadurch wurden Stereotype und Klischees reproduziert und in den Köpfen der Menschen verstärkt. Unterdrückung und Gewalt gingen mit dieser Diskriminierung einher.
Tradition in der Kritik
Andererseits: Die Geschichte und Tradition des Gesichtschwärzens in den USA und in Deutschland sind unterschiedlich. Auch bei den Sternsingern am 6. Januar wird vielerorts einem der drei Könige das Gesicht schwarz angemalt - und das seit Jahrhunderten. Hintergrund soll nicht Diskriminierung, sondern eine Aufgeschlossenheit gegenüber Afrika sein.
Allerdings bekommt diese Tradition in Zeiten von steigendem Rassismus und der Black Lives Matter Bewegung einen faden Beigeschmack. Das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" und der Bund deutscher katholischer Jugend (BDKJ) sprechen sich heute klar dagegen aus, Kinder und Jugendliche fürs Sternsingen zu schminken.
Kulturelle Aneignung im Karneval
Sich als Winnetou verkleiden, auf der Faschingsparty mit Pocahontas tanzen und dem Mann mit der Rastazopfperücke zuprosten - ist das okay? Ein Thema, das rund um die Karnevalszeit immer wieder diskutiert wird, ist die Debatte um kulturelle Aneignung.
Auch wenn im Fasching Narrenfreiheit herrscht, und es zuweilen an politischer Korrektheit mangelt, gibt es eine neue Sensibilität bei der Kostümwahl. Denn für viele Menschen sind gewisse Verkleidungen eben nicht mehr okay.
Was bedeutet kulturelle Aneignung?
Für viele Minderheiten kommt das Übernehmen kultureller Praktiken - etwa das Tragen afrikanischer Flechtfrisuren, wie Dreadlocks oder Braids - einem Diebstahl gleich. Sie unterscheiden zwischen kulturellem Austausch, der auf Augenhöhe stattfindet, und kultureller Aneignung, bei der sich Menschen aus einer dominanten Kultur bei einer "Minderheitskultur" bedienen und sie beispielsweise für kommerzielle Zwecke nutzen. Das kann auch ganz schnell in der Zeit des Karnevals passieren.
Weitere Beispiele für kulturelle Aneignung sind beispielsweise das Tragen von Schmuck oder Mode mit religiösen Symbolen, ohne dass die Träger an diese Religionen glauben. Insbesondere die Verwendung von Symbolen nicht-europäischer Kulturen in der Hippie-Bewegung wird als kulturelle Aneignung kritisiert.
Beispiele für kulturelle Aneignung in der Kultur- und Musikszene
- Der Sänger Pharell Williams posierte 2014 in einem Warbonnet (Kopfbedeckung, die ausschließlich von Männern einiger nordamerikanischer indigener Völker getragen wird) auf der Titelseite der britischen "Elle".
- Sängerin Avril Lavigne verwendete japanische Kultur im Musikvideo zu ihrem Lied "Hello Kitty": Das Video zeigt Asiatinnen in entsprechenden Kostümen und sie selber in einem pinken Tutu gekleidet.
- Der Ravensburger Verlag nahm im August 2022 zwei Kinder- und Jugendbücher aus dem Programm. Die "Winnetou"-Titel erhielten auf Social-Media-Plattformen negative Rückmeldungen, wonach der Karl-May-Stoff "kolonialistische" und "rassistische" Vorurteile schüre.
- Der Sänger Peter Fox wurde im Dezember 2022 von Malcolm Ohanwe für sein Stück "Zukunft Pink" kritisiert, da dieses sich das südafrikanische Genre Amapiano aneigne.
BRISANT/dpa/rnd/1.Ober-Mörler Karnevalsgesellschaft "Mörlau" e.V.
Dieser Artikel wurde am 18.04.2023 aktualisiert.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 17. April 2023 | 17:15 Uhr