Notlage nach Erdbeben-Katastrophe FAQ - warum kommt kaum Unterstützung im Nordwesten Syriens an?

Nach der Erdbebenkatastrophe in der syrisch-türkischen Grenzregion sind bislang mehr als 46.000 Todesopfer geborgen worden. Allein in Syrien sind 8,8 Millionen Menschen von den Folgen betroffen und benötigen dringend Hilfe. Allein dort starben etwa 5.900 Menschen. Das Problem: Die Unterstützung kommt hier nicht an.

Ein nach einem Erdbeben eingestürztes Hochhaus in Antakya
Die Not in Syrien ist groß, doch auf Hilfe warten viele vergebens. Bildrechte: dpa

Es sind Bilder, die betroffen machen: zertstörte Städte, obdachlose Menschen, überfüllte Krankenhäuser. Weder die Türkei noch Syrien können der Erdbeben-Katastrophe alleine Herr werden. Doch während die Hilfe in der Türkei vorangeht, erhalten die Opfer im Nordwesten Syriens auch zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben kaum Hilfe.

Doch warum? Grund sind vor allem logistische und politische Hindernisse in dem vom Bürgerkrieg geplagten Land. Dabei werden Hilfsgüter im Nordwesten besonders dringend gebraucht. 90 Prozent der Einwohner waren schon vor der Naturkatastrophe auf Unterstützung angewiesen.

Lage in Syrien unübersichtlich

Das seit zwölf Jahren vom Bürgerkrieg gezeichnete Syrien wurde besonders schwer vom Erdbeben verwüstet. Hilfsgüter und Einsatzkräfte gelangen schwer in das von Machthaber Baschar al-Assad abgeschirmte Land hinein.

"Wir stehen noch am Anfang und haben das Schlimmste noch nicht gesehen", sagte der für Syrien zuständige UN-Nothilfekoordinator Muhannad Hadi der Deutschen Nachrichten-Agentur. Bislang seien 60.000 Menschen mit Wasser und rund 13.000 Erdbebenopfer mit Zelten versorgt worden. Nach UN-Angaben sind derzeit aber rund 40.000 Haushalte ohne Obdach.

Syrien: Wie hilft die UNO?

Die von der syrischen Regierung kontrollierten Erdbebengebiete werden von der Hauptstadt Damaskus aus gut versorgt. Doch die Hilfe gelangt kaum in den Nordwesten des Landes, denn die Regionen dort werden von Rebellen beherrscht.

Hilfe gelangte hier bisher einzig und allein über die türkisch-syrische Grenze. Der Übergang Bab al-Hawa war zum Zeitpunkt des Bebens der einzige, den die Vereinten Nationen ohne Genehmigung der syrischen Regierung nutzen konnten.

Das Problem: Die Zufahrt zum Grenzposten wurde durch das Beben beschädigt. Auch das Transportpersonal war von der Katastrophe betroffen, sodass der erste UN-Konvoi erst drei Tage später passieren konnte. Kürzlich wurden weitere Grenzübergänge geöffnet: Bab al-Salama und Al Rai.

Laut den Vereinten Nationen sind bisher fast 200 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Nordwesten Syriens geschickt worden. Am Montag (20.02.) passierten aber gerade einmal zehn LKW erstmals den Übergang Al Rai. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen durchschnittlich 145 Lastwagen pro Woche.

Wer kontrolliert den Nordwesten?

Die islamistische Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (kurz: HTS) beherrscht mehr als die Hälfte der Provinz Idlib, der letzten großen Rebellenhochburg in Syrien. HTS kontrolliert den Grenzübergang Bab al-Hawa und wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer von HTS, Abu Mohammed al-Dscholani, lehnte Hilfe aus dem Regierungsgebiet ab.

Rund 30 pro-türkische syrische Gruppierungen teilen sich hingegen die Kontrolle über das weiter östlich gelegene Grenzgebiet, das sich von Dscharablus bis Afrin erstreckt. Dort leben etwa 1,1 Millionen Menschen. Viele Dörfer im syrischen Erdbebengebiet sind für ausländische Helfer nicht erreichbar.

Wie helfen Nicht-Regierungsorganisationen?

Im Gegensatz zur UNO können Nicht-Regierungsorganisationen Hilfsgüter mit Genehmigung der Türkei auch über andere Grenzübergänge schicken. 

Viele internationale Organisationen stellen den Helfern im Nordwesten Syriens auch Geld zur Verfügung, damit sie das Wichtigste vor Ort kaufen können. Da jedoch Millionen Menschen seit dem Beben obdachlos sind, wurden Decken, Zelte und Lebensmittel knapp und die Preise schossen in die Höhe. 


Brisant/AFP/Tagesschau

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 22. Februar 2023 | 17:15 Uhr

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