Gestelltes Bild zur Symbolisierung von Gewalt und Cbyermobbing unter Jugendlichen
Die Kriminalstatistik 2022 zeigt: Die durch Minderjährige begangenen Straftaten haben im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Bildrechte: Colourbox.de

Kriminalstatistik 2022 Gewalt unter Kindern: Weshalb Minderjährige zu Tätern werden

12. April 2024, 11:24 Uhr

Ob in Freudenberg, Heide oder Erfurt - die Fälle von brutaler Gewalt unter Minderjährigen scheinen zuzunehmen. Die Kriminalstatistik für das Jahr 2022, die nun vom Bundeskriminalamt veröffentlicht worden ist, zeigt: Durch Kinder und Jugendliche begangene Straftaten haben im Vergleich zum Vorjahr tatsächlich zugenommen. Wie sehen die aktuellen Zahlen aus - und was sind die Ursachen für ihren Anstieg?

Dass die Polizei im Jahr 2022 generell deutlich mehr Straftaten registriert hat als im Vorjahr, ist nicht weiter verwunderlich. Ein Teil des Anstiegs der Straftaten hat mit gesetzlichen Änderungen zu tun. Auch der Wegfall der Corona-Maßnahmen spielt eine Rolle.

Kinder als Täter: Sprunghafter Anstieg minderjähriger Tatverdächtiger

Anlass zur Sorge bereitet allerdings der gestiegene Anteil von Kindern an der Zahl der Tatverdächtigen. Zwar lebten 2022 - unter anderem bedingt durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine - mehr Minderjährige im Deutschland als im Jahr zuvor. Doch das alleine erklärt den Trend nicht.

Mit dem Anstieg um 35,5 Prozent auf 93.095 tatverdächtige Kinder wurde das Niveau des noch stark von Corona geprägten Vorjahres deutlich überschritten. Die Zahl lag auch um 16,3 Prozent höher als im Jahr 2019.

Welche Straftaten begehen Kinder?

Bei den von Kindern verübten Taten handelt es sich überwiegend um Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung oder leichte Körperverletzung.

Auch Zahl jugendlicher Straftäter nimmt zu

Nicht ganz so stark, aber dennoch deutlich stieg die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr: nämlich um rund 22 Prozent auf rund 189.000 Verdächtige.

Bei den ausländischen Tatverdächtigen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren waren es sogar rund 50 Prozent mehr als 2021. Einen ähnlichen Anstieg von Straftaten bei nicht-deutschen Jugendlichen gab es bereits im Zusammenhang mit der sogenannten Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016.

Damals gingen die Zahlen nach einigen Jahren dann wieder auf das Niveau vor der Flüchtlingswelle zurück. Das sei auch jetzt "denkbar und eher wahrscheinlich", erläutert BKA-Präsident Holger Münch.

Verbreitung pornografischer Schriften

Dass der Anteil der minderjährigen Tatverdächtigen bei der "Verbreitung pornografischer Schriften" mit rund 41 Prozent sehr hoch ist, hängt nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes damit zusammen, dass Kinder und Jugendliche oft ohne zu wissen, dass das strafbar ist, in Gruppenchats bei Whatsapp, Instagram oder Snapchat unangemessene Bilder teilen.

2021 ist das Gesetz gegen sogenannte Kinderpornografie verschärft worden. Damals waren Verbreitung, Besitz und Erwerb von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen zum Verbrechen hochgestuft worden. Das hat in der Praxis dazu geführt, dass sich nun auch Schüler strafbar machen, wenn sie ein entsprechendes Bild erhalten und nicht gleich löschen.

Gleiches gilt übrigens auch für Eltern, die eine solche Aufnahme an eine Lehrkraft weiterleiten, um diese auf den unangemessenen Inhalt im Schüler-Chat hinzuweisen.

Durch die breit aufgestellten Beine einer Person, sieht man ein Kind mit einem Kuscheltier im Arm mit Blickrichtung zur Wand auf dem Boden sitzen.
Wer selbst Gewalt erfahren musste, hat eine niedrigere Hemmschwelle, Anderen Gewalt anzutun. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Warum werden Kinder und Jugendliche häufiger zu Tätern?

Die Gründe, weshalb bereits Kinder und Jugendliche zu Tätern werden, sind zahlreich.

Einen Grund sieht Holger Münch in wirtschaftlichen Aspekten. Viele Familien leiden infolge der Inflation an Geldknappheit. Dennoch haben Kinder und Jugendliche Wünsche und Bedürfnisse, die sie sich erfüllen wollen.

Und: Bedingt durch die Zuwanderung von Flüchtlingen leben derzeit viele Kinder und Jugendliche in Deutschland, die in jungen Jahren in Kriegsgebieten Gewalt erleben mussten. Dadurch ist die Hemmschwelle niedriger, anderen Menschen Gewalt zuzufügen.

Auch Stress sei ein Faktor, der die Bereitschaft, Straftaten zu begehen, befördere. Dem waren Minderjährige während der Corona-Pandemie ganz besonders ausgesetzt. Nun suchen sie sich ein Ventil, um damit umzugehen.

Ebenso eine wichtige Rolle spielen das soziale Umfeld, in dem sich Kinder und Jugendliche bewegen. Wie sind die Machtgefüge im Freundeskreis? Werden gemeinsam Drogen und Alkohol konsumiert? Und wie groß sind der Einfluss von Medien und Internet auf den Heranwachsenden?

Kein Täter werden - wie kann man Kinder und Jugendliche schützen?

Kinder müssen gewaltfrei und in einem Umfeld aufwachsen, "in dem sie sich auch entwickeln können und eine reelle Chance haben, in der Leistungsgesellschaft anzukommen", erläutert BKA-Chef Münch.

Eltern sollten darum bemüht sein, den Anschluss zum eigenen Kind nicht zu verlieren. Mit wem umgibt sich der eigene Nachwuchs - welche Themen treiben ihn um?

(Dieser Beitrag wurde am 04.04.2023 erstmals veröffentlicht.)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 26. September 2023 | 17:15 Uhr

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