#plötzlichundunerwartet Wie Impfgegner prominente Todesfälle im Internet instrumentalisieren
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Obgleich immer mehr Corona-Maßnahmen beendet werden und auch eine Impfpflicht längst vom Tisch ist, machen Impfgegner immer noch Stimmung in den Sozialen Netzwerken. Mit dem zynischen Hashtag #plötzlichundunerwartet bringen sie den Tod von prominenten, meist jungen Menschen in einen Zusammenhang mit der Corona-Schutzimpfung. Und das, ohne einen Beleg dafür zu haben.

Der Fall Jeremy Ruehlemann
Das US-Model Jeremy Ruehlemann starb im Januar 2023 mit nur 27 Jahren. Ein gefundenes Fressen für viele Impfgegner. Sie mischten sich auf den Sozialen Plattformen unter die trauernden Fans und Freunde. Auf Twitter kommentierten sie unter dem Hashtag #plötzlichundunerwartet. Der soll zynisch zu verstehen geben, dass der Tod eben nicht plötzlich und unerwartet kam, sondern die Folge der Corona-Impfung sei.
Dabei sprach der Vater des toten Models längst mit der "Daily Mail" über die Todesursache. Sein Sohn sei an einer tödlichen Überdosis infolge seiner Medikamentenabhänigkeit gestorben. Für die Impfgegner spielte dieser Umstand keine Rolle. Ihr Beweis: ein Foto, das Jeremy Ruehlemann in New York bei seiner Corona-Impfung zeigt. Er postete das Bild 2021 auf seinem Instagram-Kanal.
Weitere Promi-Todesfälle #plötzlichundunerwartet
Nicht nur Jeremy Ruehlemanns Tod wurde als Folge der Corona-Impfung gesehen. In den vergangenen Wochen tauchte der Hashtag bei zahlreichen verstorbenenen Promis auf. Auch bei Sängerin Lisa Marie Presley und Skifahrerin Rosi Mittermaier. Woran die beiden Frauen gestorben sind, ist bis heute nicht offiziell bestätigt. Auf einen Zusammenhang mit der Corona-Impfung deutet allerdings nichts hin.
Hashtag folgt typischem Muster von Verschwörungstheorien
Die Hamburger Journalistikprofessorin Katharina Kleinen-von Königslöw forscht zu sozialen Netzwerken und Verhaltensweisen von Nutzerinnen und Nutzern. Sie sagt:
Der Impf-Gegner-Hashtag folgt einem ganz typischen Muster von Verschwörungstheorien. Deren Reiz besteht ja darin, spielerisch Hinweise zu finden für ein größeres Muster dahinter.
Der Hashtag mache es leicht, etwas zu den vermeintlichen Impf-Todesfällen beizutragen. Generell seien aber verschiedene Gruppen, die sich daran beteiligen, zu unterscheiden.
Neben den überzeugten Impfgegnern seien da auch Menschen, "die vielleicht einfach Fan waren oder die verstorbene Person interessant fanden", sagt Kleinen-von Königslöw. Bei ihnen bestehe die Gefahr, dass sie sich in die Verschwörungstheorien mit reinziehen lassen. Die Wirkung des Hashtags bestehe darin, dass er zu einer eingeschränkten Wahrnehmung führe.
Wenn man einmal auf diesen vermeintlichen Trend aufmerksam gemacht wurde, fällt es viel stärker auf.
Aus vielen Einzelfällen entstehe so der Eindruck, dass sich die Todesfälle häufen und der Grund dafür nur die Impfung sein könne.
Wie wahrscheinlich sind schwere Nebenwirkungen durch eine Corona-Impung?
Schwere Nebenwirkungen durch die Corona-Impfung sind tatsächlich sehr selten. In Deutschland führt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Statistiken über die Sicherheit der Impfungen. Auch Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen werden ausgewertet.
Beispielsweise wurde entdeckt, dass in seltenen Fällen nach der Impfung eine Herzmuskelentzündung auftreten kann. Daraufhin wurden die Impfempfehlungen angepasst. Todesfälle, bei denen tatsächlich ein "ursächlicher Zusammenhang mit der Corona-Impfung als möglich oder wahrscheinlich" eingestuft wurde, gab es dem PEI zufolge Anfang 2022 85. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 150 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Die Impfung wird weiter empfohlen.
BRISANT/dpa
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 14. Februar 2023 | 17:15 Uhr