"Ötzi,der Mann aus dem Eis" - Plakat an einer Hauswand
Bozen feiert das 30-jährige Jubiläum des Ötzi-Fundes. Bildrechte: imago images/Udo Gottschalk

Steinzeit-Mumie 30 Jahre Ötzi-Fund - der Mann aus dem Eis

19. September 2021, 18:59 Uhr

Vor 30 Jahren wurde er durch Zufall von zwei deutschen Bergsteigern entdeckt: Ötzi, die Steinzeit-Mumie aus dem Ötztal. Ein Sensationsfund, der bis heute die Wissenschaft beschäftigt.

Es war ein Sensationsfund, als die deutschen Bergwanderer Erika und Helmut Simon aus Nürnberg am 19. September 1991 am 3.208 m hohen Tisenjoch in den Ötztaler Alpen durch Zufall auf eine Gletschermumie stießen. Der ungewöhnlich heiße Sommer 1991 hatte die bis dahin von Gletschereis bedeckte Fundstelle freigelegt. Zum Vorschein kam ein bestens konservierter Leichnam.

Ötzi-Fund wird erst nach einer Woche zur Sensation

Doch das Besondere an diesem Fund war zu diesem Zeitpunkt noch keinem der Beteiligten bewusst. Man vermutete einen im Grenzgebiet verunglückten Bergsteiger. Mit teils brachialen Methoden lösten die alarmierten Bergungskräfte die Leiche aus dem Eis. Ein abgewinkelter Arm des Mannes wurde gebrochen.

Erst wenige Tage später löste die Einschätzung eines Experten für Ur- und Frühgeschichte in der Innsbrucker Gerichtsmedizin eine archäologische Sensation aus. Er stellte fest, dass die Leiche mindestens 4.000 Jahre alt sei. Heute weiß man: Sie ist sogar rund 5.300 Jahre alt. Der Mann aus dem Eis lebte in der Steinzeit.

Trotz Kühlkammer ist Ötzi endlich

Der "Ötzi", wie die Mumie nach dem Fundort in den Ötztaler Alpen heute genannt wird, liegt seit 1998 in einer Kühlkammer im Bozener Archäologiemuseum in Südtirol. Besucher können ihn durch ein kleines Fenster hindurch betrachten. Dort werden mit einer Temperatur von minus sechs Grad und einer Luftfeuchtigkeit von knapp 99 Prozent Bedingungen wie im Gletscher simuliert.

Der Körper lagert auf einer Präzisionswaage, um Gewichtsveränderungen durch Verdunstung umgehend feststellen zu können. Um einem möglichen Feuchtigkeitsverlust entgegenzuwirken, wird die Mumie regelmäßig mit sterilem Wasser besprüht.

Dennoch gilt Ötzi als endlich. Forscher und Forscherinnen unterschiedlichster Wissenschaftszweige haben nur dann Zugang zum Mann aus dem Eis, wenn ihr Projekt strengen Kriterien genügt.

Gletscher-Mumie im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen - Ötzi in der Kältekammer
Heute wird Ötzi in einer Kühlkammer des Archäologiemuseums Bozen aufbewahrt. Besucher können ihn nur durch ein Fenster betrachten. Bildrechte: imago/MiS

Mumienfund samt Zubehör

Der Wissenschaft ermöglicht der Ötzis-Fund eine "Zeitreise in die Steinzeit". Als Glücksfall für die Forschung stellte sich bei der Bergung heraus, dass nicht nur die Leiche und die aufwändig gefertigte Kleidung erstaunlich gut erhalten waren.

Auch zahlreiche Ausrüstungsgegenstände wie ein Kupferbeil, ein noch nicht fertig gearbeiteter Bogen, ein Köcher und ein abgebrochener Feuersteindolch fanden sich in der Nähe der Gletschermumie.

Mordopfer mit schlechten Zähnen

Mittlerweile hat die Wissenschaft viel über Ötzi herausgefunden. Zum Beispiel, dass er als Hirte gearbeitet hat und keines natürlichen Todes starb. Der 1,60 Meter große Ötzi wurde durch einen Bogenschuss in die Schulter getötet. Profiler vermuten einen Mord aus Heimtücke. Denn bestohlen wurde Ötzi nicht.

Kurz vor seinem Tod soll der Mann aus dem Eis noch Steinbock- und Hirschfleisch mit viel Fett sowie frühe Getreidesorten wie Einkorn, Emmer und Gerste gegessen haben. Das geht aus Untersuchungen seines Mageninhalts hervor. Mit Adlerfarn habe er auch eine eher giftige Pflanze zu sich genommen, möglicherweise, um Darmparasiten zu bekämpfen. Und: Um Ötzis Zähne war es nicht zum besten bestellt. Selbst in der Steinzeit konnte man schon an Karies und Paradontitis leiden.

Gletscher-Mumie im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen - Ausstellungsraum mit Ötzi-Nachbildung
Wie könnte Ötzi ausgesehen haben? Mittlerweile gibt es mehrere Nachbildungen des Steinzeitmenschen. Bildrechte: imago/MiS

30 Jahre nach Ötzi-Fund - die Forschung geht weiter

Überrascht waren die Forschenden, als sie bei gentechnischen Untersuchungen auf eine starke Veranlagung für Herz- und Gefäßkrankheiten stießen. Der Mann aus dem Eis litt zu Lebzeiten an Arteriosklerose. Die hatte bis dahin als Folge von wenig Bewegung und Übergewicht gegolten. All das konnte auf Ötzi allerdings nicht zutreffen.

Auch 30 Jahre nach dem Fund verspricht sich die Wissenschaft noch weitere Erkenntnisse von Ötzi. Denn im Unterschied zu anderen erhaltenen Toten aus Ägypten und Europa handelt es sich um eine auf natürliche Weise im Gletscher mumifizierte Feuchtmumie, der keine Organe entnommen und die nicht einbalsamiert wurde.

Jahrelanger Rechtsstreit für die Finder des Ötzi

Wenig Glück gebracht hat Ötzis Fund ihren eigentlichen Entdeckern Helmut und Erika Simon. Ein mehr als fünf Jahre andauernder Rechtsstreit mit der Provinz Bozen war nötig, bis sich das Ehepaar als "Finder des Ötzi" bezeichnen durfte. Erst im Juni 2010 stimmte die Südtiroler Landesregierung einem Finderlohn von 175.000 Euro zu.

Helmut Simon hat diese Einigung nicht mehr erlebt. Er starb am 15. Oktober 2004, als er bei einer Wanderung am Gamskarkogel im Gasteinertal abstürzte. Er ist in Bad Hofgastein begraben.

epd/dpa/BRISANT

(Dieser Beitrag wurde am 19.09.2021 erstmals veröffentlicht.)

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Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 19. September 2021 | 17:00 Uhr

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