Arielle, die Meerjungfrau
In der Neuverfilmung von "Arielle" sieht die kleine Meerjungfrau ein bisschen anders aus. Bildrechte: IMAGO/United Archives

Neuverfilmung Kinostart in London: Schwarze Arielle sorgte für Diskussionen im Netz

06. Juni 2023, 17:21 Uhr

Mehr als 30 Jahre nach dem Original kommt "Arielle, die Meerjungfrau" wieder ins Kino. Die Realverfilmung sorgte für Diskussionen im Netz, denn die Hauptdarstellerin des Films ist die Schwarze Schauspielerin Halle Bailey. Auch sie beschäftigen die Kommentare. Denn es geht dabei um viel mehr als nur einen neuen Film.

1989 kam ein absoluter Kinderfilm-Klassiker ins Kino: Arielle, die Meerjungfrau. Der Zeichentrickfilm prägte die Kindheit vieler. Jetzt ist die Realverfilmung von Disney in den europäischen Kinos angelaufen. Schon der Trailer hatte für Diskussionen gesorgt, denn zur Überraschung vieler Fans ist die kleine Meerjungfrau nicht mehr so blass und rothaarig wie vor mehr als 30 Jahren.

Reaktionen Schwarzer Kinder

Halle Bailey schlüpft in die Rolle der Arielle und ist damit die erste POC-Schauspielerin, die eine Hauptrolle in einem Disney-Film bekommen hat. Wie wichtig sie damit als Vorbild für Kinder wird, zeigen zahlreiche Videos in den Sozialen Netzwerken, die die Reaktionen Schwarzer Kinder auf den Trailer zum Film zeigen.

POC ist die Abkürzung für "Person of Color" oder "People of Color", also wörtlich übersetzt "Mensch(en) von Farbe". Der Begriff ist eine Selbstbezeichnung von Schwarzen Menschen. Häufig wird dafür auch "BPOC" verwendet, also "Black Person of Color".
BIPOC steht für "Black Indigenous Person (oder People) of Color" und schließt auch indigene Menschen mit ein.

Diskussionen im Netz

In den sozialen Netzwerken werden der Trailer und die Reaktionen darauf kontrovers diskutiert. Während die einen sich freuen, dass Halle Bailey als Arielle wunderschön aussieht, kritisieren andere die Entscheidung des Filmkonzerns. Von kultureller Aneignung ist die Rede und dass eine "originalgetreue" Meerjungfrau schöner gewesen wäre.

Reaktionen verletzen Schauspielerin

Dass solche Kommentare verletzen können, verwundert nicht. Auf der Premiere des Films in London erzählt Hauptdarstellerin Halle Bailey, was die Reaktionen mit ihr machen: "Wenn man das liest, tut es ein bisschen weh." Eine Sache habe ihr aber geholfen: "Dann habe ich den Kopf hochgenommen und mich auf die positiven Reaktionen vieler Kinder konzentriert, die denken: Ich bin eine Meerjungfrau."

Jonah Hauer-King, der Prinz Eric spielt, findet seine Schauspielkollegin nämlich bestens geeignet: "Zu sehen, dass jemand solche Nachrichten bekommt, ist schwer zu ertragen. Ich weiß es wirklich nicht. Für mich ist sie perfekt für die Rolle."

Halle Bailey und Jonah Hauer-King
Findet Halle Bailey perfekt in der Rolle der Arielle: Jonah Hauer-King. Bildrechte: IMAGO/Cover-Images

Warum eine Schwarze Disney-Prinzessin keine kulturelle Aneignung ist

Kulturelle Aneignung bedeutet, dass Elemente einer anderen Kultur in die eigene aufgenommen werden. Das können indigene Muster sein, die ein Modeunternehmen in die eigene Kollektion aufnimmt oder Dreadlocks, getragen von einer weißen Klimaschutzaktivistin. Die Kritik daran erklärt auch, was kulturelle Aneignung genau meint: Mitglieder einer privilegierten Gesellschaftsgruppe übernehmen Sitten, Bräuche oder Traditionen einer unterdrückten Minderheit - ohne dabei auch die negativen Erfahrungen der Minderheit zu machen.

Schwarz ist eine Eigenbezeichnung von BPOC. Um die politische Bedeutung des Begriffs deutlich zu machen, wird "Schwarz" oft groß geschrieben - und "weiß" dagegen klein und kursiv. Dabei geht es nicht um die Hautfarbe, sondern um Machtverhältnisse und gesellschaftspolitische Normen.

Ein weißer Mann mit Dreadlocks
Dreadlocks bei weißen Personen stehen immer wieder in der Kritik. Bildrechte: IMAGO/Müller-Stauffenberg

Wenn etwa eine weiße Person Dreadlocks trägt, muss sie aufgrund ihrer Herkunft und gesellschaftlichen Position nicht damit rechnen, benachteiligt zu werden - etwa bei der Job- oder Wohnungssuche. Eine BPOC muss das aber schon. Sie kann zwar ebenfalls die Frisur ändern, aber die Diskriminierung nicht ablegen. Ein weiterer Kritikpunkt an kultureller Aneignung ist, dass Firmen, zum Beispiel wenn sie bestimmte Muster von Minderheiten übernehmen, Geld damit verdienen. Das heißt, weiße Firmen verdienen Geld, das Minderheiten nicht verdienen. Entweder weil sie gar nicht die Aufmerksamkeit bekämen wie große, meist weiße, Firmen oder weil sie durch ihre gesellschaftliche Position gar nicht so viel Geld verdienen könnten wie eine etablierte Firma.

Deshalb ist es auch keine kulturelle Aneignung, wenn Halle Bailey die Rolle einer im Ursprung weißen (Märchen-)figur übernimmt. Als BPOC gehört sie keiner dominanten Gruppe an, was aber Bedingung für kulturelle Aneignung ist. Da weiße Menschen nicht von strukturellem Rassismus betroffen sind, werden sie auch nicht ausgenutzt.

Statement der Filmfirma

Die Diskussionen um die Besetzung der Arielle laufen im Netz schon seit bekannt wurde, dass Halle Bailey die Rolle übernehmen wird. Damals gab es sogar eine Kampagne gegen die Besetzung unter dem Hashtag "#notmyariel". Die Firma, die den Film für Disney produziert, hatte daraufhin ein eigenes Statement dazu herausgegeben - und den Rassismus im Netz verurteilt. Der ursprüngliche Autor von "Die kleine Meerjungfrau", Hans Christian Andersen, war Däne. Muss Arielle deshalb weiß sein?

Aber nehmen wir der Argumentation halber an, dass Ariel auch Dänin ist. Dänische Meerjungfrauen können schwarz sein, weil dänische Menschen schwarz sein können.

Dass viele Menschen dennoch einfach nicht glauben könnten, dass die "unglaubliche, sensationelle, hochtalentierte, hinreißende" Halle Bailey die Rolle bekommen hat - so heißt es weiter im Statement -, weil sie im Casting überzeugt habe, sage mehr über diese Menschen aus als über die Entscheidungen der Produktionsfirma.

Arielle, die Meerjungfrau
Wie darf eine erfundene Figur aussehen? Darüber wird bei Arielle diskutiert. Bildrechte: imago/United Archives

Positive Reaktionen

Natürlich gibt es auch im Netz jede Menge positive Reaktionen. Christopher schreibt unter unserem Facebook-Post etwa "Die Hautfarbe, Religion, Sexualität etc. ist doch völlig Lachs. Wenn ein Film gut gemacht ist, dann ist mir der Rest egal." Und Conny bringt die unterschiedlichen Positionen gut auf einen Punkt: "Nur, weil etwas neu verfilmt wird, wird uns doch das Alte nicht weggenommen. [...] Man kann alte, fehlerhafte, unpädagogische Aussagen oder Handlungen verändern und uns bleiben trotzdem die alten vorhandenen." Und so könne jeder selbst entscheiden, welchen der Filme er künftig sehen möchte, kommentiert sie auf Facebook.

BRISANT/Neue Deutsche Medienmacher*Innen/Amnesty International/Deutschlandfunk/Freeform

(Dieser Artikel wurde am 20.09.2022 erstmals veröffentlicht.)

Dieses Thema im Programm: Brisant | 16. Mai 2023 | 17:15 Uhr

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