Der deutsche Schlagersänger Roland Kaiser
Rassismus und Fremdenfeindlicheit erteilt Roland Kaiser normalerweise eine klare Absage. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Wirklich "Alles O.K."? Roland Kaiser verwendet wieder rassistischen Begriff

15. September 2023, 19:33 Uhr

Presseberichte der letzten Tage werfen unbequeme Fragen auf: Roland Kaiser soll in seinem Udo-Jürgens-Medley wider besseres Wissen das rassistische M-Wort verwendet haben.

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus kommen Roland Kaiser eigentlich nicht auf die Bühne. Wie kaum ein anderer Künstler der Schlagerbranche hat der Sänger klare Kante gezeigt: gegen Pegida, gegen Rassismus - und für Weltoffenheit, Toleranz und Dialog.

Wie man sich politisch korrekt ausdrückt, das muss Roland Kaiser sicherlich niemand erklären. Wie konnte es dennoch zu diesem Fauxpas kommen?

Ein Medley zu Ehren von Schlagerstar Udo Jürgens

Für Schlagerstar Udo Jürgens und sein musikalisches Vermächtnis empfindet "der Kaiser" großen Respekt. Ganze vierzig Jahre sollen sich die beiden Künstler gekannt haben. Ihm zu Ehren gibt Roland Kaiser auf seiner aktuellen "Alles O.K.!"-Tour ein Medley der größten Jürgens-Hits zum Besten. Darin enthalten ist auch eine Textzeile des Schlagers "Aber bitte mit Sahne". Und die lautet:

Sie pusten und prusten, fast geht nichts mehr rein, nur ein Mohrenkopf höchstens, denn Ordnung muss sein.

"Aber bitte mit Sahne"

Der deutsche Schlagersänger Roland Kaiser
Zollt dem 2014 gestorbenen Schlagerstar Udo Jürgens mit einem Medley seiner größten Hits Respekt: Roland Kaiser. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild-POOL | Jan Woitas

Warum wir den Begriff an dieser Stelle nennen Wir haben uns an dieser Stelle dazu entschieden, den Begriff zu nennen, um den Text auch für diejenigen verständlich zu machen, die sich mit der Problematik, die das M-Wort mit sich bringt, noch nicht auseinander gesetzt haben.

Giovanni Zarella Show verzichtet auf M-Wort

Auch in einer "Giovanni Zarrella Show" Ende Februar wurde Schlager-Ikone Udo Jürgens gedacht. Mit seinen Kindern Jenny und John im Publikum - und Roland Kaiser und Giovanni Zarrella auf der Bühne. Von dem problematischen Begriff war in dem Jürgens-Medley dieses Mal nichts zu hören. Das Naschwerk wurde in der Show nämlich so benannt, wie es heute üblich ist: als Schokokuss.

Jürgens Kinder sollen die Textänderung abgesegnet haben. Einige Schlagerfans konnten sich damit allerdings weniger gut arrangieren. Der Fall wurde in den sozialen Medien hitzig diskutiert.

Auf Roland-Kaiser-Tour wieder im Gepäck: das M-Wort

Doch auf Roland Kaiser scheint die mutmaßlich vom ZDF angeordnete Textänderung wenig Eindruck gemacht zu haben. Denn auf seiner "Alles O.K.!"-Tour ist der Begriff im Jürgens-Medley wieder zu hören. Das zeigen verschiedene Konzert-Mitschnitte, die auf YouTube zu finden sind.

Was Roland Kaiser zu dieser sicherlich bewussten Entscheidung für den heute offensichtlich rassistischen Begriff bewegt hat? Musikalisch wäre der Schokokuss kein Problem gewesen - beide Worte setzen sich aus drei Silben zusammen.

Die Vermutung liegt nahe, dass Roland Kaiser das künstlerische Werk Udo Jürgens' genau so bewahren möchte, wie dieser es hinterlassen hat. Doch einen Beleg dafür gibt es nicht. Eine Anfrage von BRISANT ließ Roland Kaiser bislang unbeantwortet.

Verkaufsregal mit Schokoküssen
In der Schweiz noch im Handel: "Mohrenköpfe". Bildrechte: imago images/Pius Koller

M-Wort und N-Wort - woher kommen diese Begriffe?

Rund eine Milliarde Schokoküsse werden allein in Deutschland jedes Jahr verzehrt. Kein Wunder, dass verschiedenste Seiten die Erfindung der Leckerei für sich beanspruchen. Die ersten Schokoküsse haben vermutlich Ende des 19. Jahrhunderts den Weg von Frankreich nach Deutschland gefunden - als "Tête de nègre" (auf Deutsch: "Negerköpfe"). Nachahmungen - Naschereien wie Begriffe dafür - gab es hierzulande schnell.

Doch sowohl das M-Wort als auch das N-Wort sind problematisch. Das N-Wort ist seit dem 18. Jahrhundert ein abwertender Begriff mit verletzendem Charakter, der laut Bundeszentrale für politische Bildung "durchaus strategisch genutzt wurde, um das Gefühl von Verlust, Minderwertigkeit und die Unterwerfung unter weiße koloniale Herrschaft zu implementieren. Also wenn 'N.' gesagt wird, wird nicht nur über die (Haut-) Farbe 'Schwarz' gesprochen, sondern auch über: Animalität – Primitivität – Unwissenheit – Chaos – Faulheit – Schmutz. Diese Reihe von Entsprechungen charakterisiert Rassismus."

Das M-Wort ist ebenfalls eine jahrhundertealte Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen und wurde zunächst mit dem Bild einer Person verbunden, die weiße Menschen bedient und aus Marokko oder Mauretanien stammt. Später tauchte das Wort in der Rassenlehre, zum Beispiel unter den Nationalsozialisten, auf.

Warum der Begriff problematisch ist

Seit Ende der 1970er-Jahre stehen diese Begriffe in der Kritik, weil sie als rassistisch bzw. diskriminierend empfunden werden können. Ihre Herkunft geht auf Unterdrückung, Sklavenhandel und eine Mehrklassengesellschaft zurück. Die Verwendung der Begriffe halten "eine rassistisch-romantisierte koloniale Erinnerungskultur am Leben, mit der Fantasie des Schwarzen Dieners als Eigentum von weißen Menschen", erklärt das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

Trotzdem hielten sich die Begriffe bis Ende der 90er-Jahre hartnäckig - auch in den Medien. Erst danach fand ein Umdenken statt. Bis heute enthalten die Namen von Apotheken oder Gaststätten, aber auch Markenlogos das M-Wort. Darüber wird immer wieder diskutiert.

BRISANT, Bundeszentrale für politische Bildung, Neue Deutsche Medienmacher*innen: Glossar, wikipedia.de, Webseite Roland Kaiser

(Dieser Beitrag wurde am 11.06.23 erstmals veröffentlicht.)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 08. Juni 2023 | 17:15 Uhr

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