Die Sängerin Vanessa Mai
Lässt sich nicht mehr fremdbestimmen: Die ARD-Doku "MAI Time is Now" begleitete Vanessa Mai bei ihrer Suche nach sich selbst. Bildrechte: picture alliance/dpa | Henning Kaiser

Die Schattenseite des Schlagerruhms So befreite sich Vanessa Mai vom "Schlager-Korsett"

13. Juni 2023, 17:43 Uhr

Plötzlich Shootingstar: Vanessa Mai wird mit Anfang 20 an die Spitze der Schlager-Charts katapultiert. Doch oben angekommen ist nicht alles Gold, was glänzt. In ihrem neuen Buch "I Do It Mai way" und in der ARD-Doku "MAI Time is Now" berichtet die Sängerin über Höhen und Tiefen sowie über ihre ganz persönliche Künstler-Metamorphose.

Vanessa Mai hatte schon zu Beginn ihrer Karriere einen ganz eigenen Kopf. Beim "SWR4 Festival" sagte sie: "Ich wollte das alles machen. Aber ich wollte es frei machen, ohne die ganzen Einschränkungen." Trotzdem wurde sie mit Anfang 20 in eine Schublade gesteckt. Genauer: in die Schlager-Schublade. 

Es dauerte lange, bis sie diesen Stempel wieder loswurde und genreübergreifend als Musikerin ernst genommen wurde. Die dreiteilige ARD-Doku "MAI Time is Now" zeigt Vanessa Mais Emanzipation von der "Schublade Schlager". Seit 2018 wurde die Künstlerin dafür von Filmemachern mit der Kamera begleitet.

Die Doku-Serie gewährt exklusive Einblicke und lässt dabei auch Höhen und Tiefen ihrer Karriere nicht aus. "Es waren so viele Dinge nicht ausgesprochen", so Mai. "Ich bin sehr aufgeregt, weil ihr mich so noch nicht gesehen habt."

Vanessa Mai spricht über die Schattenseiten des Schlager-Geschäfts

An der Spitze der Charts warteten auf Vanessa Mai nicht nur Ruhm und Glamour: Erwartungsdruck und permanente Vergleiche mit anderen Musikerinnen forderten irgendwann ihren Tribut, 2018 sagte Vanessa erstmals ein Konzert in Rostock ab. "Wir haben so viel abgerissen damals, ich war körperlich einfach durch. […] Meine ganze Muskulatur hat einfach zu gemacht. Es war so ein Schmerz, ich konnte mich nicht mehr bewegen." Die Ärzte rieten ihr, alles hinzuschmeißen und aufzuhören. Doch Vanessa machte weiter, bis sie ein Jahr später auch die "Schlager-2019"-Arena-Tour absagte.

Ich habe die Notbremse gezogen. Bin ausgestiegen, habe mich 'in die Sonne gesetzt', zurückgelehnt, über alles nachgedacht. Ich saß einfach eine Weile im falschen Zug.

Vanessa Mai

Denn auch eine nach außen hin perfekte Vanessa Mai kommt irgendwann einmal an ihre Grenzen. Und die Schlagerbranche kann besonders hart sein: "Es gibt ein System, System bedeutet Regeln, und Regeln bedeuten ein Korsett. Über die Jahre wurde dieses Korsett immer enger geschnürt", so Vanessa. 

Nein zur Schlager-Schublade

Was folgt war ein radikaler Image-Wandel: Sie produzierte Features mit den Rappern Sido ("Happy End") und Olexesh ("Wir 2 immer 1"), präsentierte sich auf der Bühne betont rockig. "Schlager ist nicht mehr das, was es früher war. Selbst bei mir ist er noch mit ganz vielen negativen Dingen im Kopf verknüpft. Ich wollte damit einfach aufräumen."

Vanessa Mai veröffentlicht erstes Buch

Ihre Erfahrungen und persönlichen Tiefschläge verarbeitete Vanessa Mai auch in ihrem ersten Buch "I Do It Mai Way".

Mein Leben, meine Kämpfe, meine Lektionen auf 243 Seiten. Ich hab geheult, gelacht und noch mal so viel über mich selbst gelernt in dieser Buchphase, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte.

Vanessa Mai Instagram

Darin berichtet sie auch über ihre Erfahrungen mit einigen Größen der deutschen Musikszene. Nicht immer sind die Erinnerungen daran gut. So habe Vanessa Mai vor allem unter Dieter Bohlen gelitten, neben dem sie 2016 in der "Deutschland sucht den Superstar"-Jury saß. 

Vanessa Mai: Wegen Dieter Bohlen schloss sie sich "heulend" auf dem Klo ein

Zunächst sei sie total "überwältigt" gewesen, mit Dieter Bohlen arbeiten zu können. "Ich freute mich wahnsinnig auf unser erstes Treffen, aber mit graute es gleichzeitig auch davor." 

Ihr Bauchgefühl sollte sie nicht täuschen. "Dieter war nicht unhöflich, aber er schien einem direkt klarzumachen, wer hier der Boss ist. Für mich strahlte er eine Autorität aus, die aber auch etwas Einschüchterndes hatte", erinnert sich Vanessa Mai. Bereits während der ersten Drehtage gab es Spannungen zwischen den beiden, irgendwann gingen die Nerven mit der Sängerin durch. "Als mich wieder irgendeine von Dieters Spitzen traf, schloss ich mich im Klo ein und heulte."


BRISANT/dpa/"I Do It Mai Way" (Knaur-Verlag)/"Mai Time is Now"/SWR

(Dieser Artikel wurde am 22.10.2022 zum ersten Mal veröffentlicht.)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 22. Oktober 2022 | 17:15 Uhr

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