Hände an Milchglasscheibe
Depressionen sollen auch mit Hilfe von Apps verbessert werden können. (Archiv) Bildrechte: IMAGO / Shotshop

Auf Rezept Online-Kurse und Apps als Hilfsmittel bei einer Depression?

04. März 2024, 18:14 Uhr

Die Wartezeiten für einen Therapieplatz bei einer Depression oder anderen psychischen Erkrankungen sind lang. Aus diesem Grund gibt es immer mehr Apps auf Rezept, die Betroffenen bei der Behandlung helfen sollen. Wofür die Anwendungen genau gedacht sind, und was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.

Mehr als jeder vierte Erwachsene in Deutschland erfüllt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) innerhalb eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Eines der häufigsten Krankheitsbilder ist dabei die Depression.

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Brisant Mo 04.03.2024 17:15Uhr 03:58 min

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Problem: Lange Wartezeiten für Therapieplatz

Für Betroffene und ihre Angehörigen ist die Erkrankung mit massivem Leid verbunden und führt im Alltag häufig zu schwerwiegenden Einschränkungen. Zudem werden Depressionen oft mit einem Gefühl der Hilflosigkeit verbunden, was eine professionelle Begleitung und Unterstützung enorm wichtig macht. Das Problem: Menschen mit Depressionen müssen oft viele Monate auf einen Therapieplatz warten. Hier setzen Ärzte mit speziellen Apps an, um trotzdem helfen zu können.

Apps als Begleiter und zur Überbrückung der Wartezeit

Zur Überbrückung der Wartezeiten, zur Unterstützung einer laufenden Therapie oder auch für die persönliche Anwendung bei psychischen Erkrankungen gibt es inzwischen zahlreiche sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Diese sind meist sehr teuer, seit Mai 2020 ist es in Deutschland aber möglich, eine DiGA von einem Arzt oder Psychotherapeuten auf Rezept verschrieben und somit von Krankenkassen finanziert zu bekommen.

Inszeniertes Porträt einer Frau, die besorgt schaut.
Apps können während des Wartens auf eine Therapie unterstützen. Bildrechte: Colourbox.de

DiGA - Sicher auch beim Datenschutz

Einen Überblick der DiGAs gibt es beim Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Bei den dort registrierten Anwendungen kann man zudem sicher sein, dass sie den Datenschutzrichtlinien der EU entsprechen - die sensiblen Daten geistern also nicht vogelwild durchs Netz. Bei kostenfreien Apps, die immer häufiger in den App-Stores auftauchen, gibt es diese Sicherheitsgarantie meist nicht.

Erst- und Überbrückungshelfer "Selfapy"

Wie funktionieren DiGAs? Eine App, die bei leichten bis mittelgradigen Fällen einer Depression als erste Hilfe und zur Überbrückung bis zum Therpiebeginn empfohlen und verschrieben wird, ist Selfapy. Die Anwendung wurde von Medizinern mitentwickelt und bietet Betroffenen einen individuellen Online-Kurs, der auf Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie basiert.

Thematisch geht es vor allem um den Umgang mit negativen Gedanken, der Erstellung einer positiven Tagesstruktur, Entspannungstechniken, den Umgang mit Schlafproblemen sowie Strategien zur Rückfallprävention. 

Die Inhalte werden mit Hilfe von Audio- und Videoclips, Texten und Übungen online oder per App vermittelt. Unabhängige Studien zeigen, dass "Selfapy" tatsächlich helfen kann. So hat eine Untersuchung der Charité mit mehr als 400 Teilnehmern ergeben, dass Depressions-Symptome nach drei Monaten Anwendung erheblich reduziert werden konnten - ein guter Einstieg für eine Therapie.

"Deprexis" - auch für schwere Fälle

In schweren Fällen können sich Betroffene die App "Deprexis" verschreiben lassen. Sie ist ein onlinebasiertes Selbsthilfeprogramm zur Unterstützung einer Therapie. "Deprexis" orientiert sich stärker an der aktuellen Stimmung der Betroffenen und kann zum Beispiel auch motivierende Textnachrichten versenden.

Es wird meist für drei Monate verschrieben und hat nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gezeigt, dass Patienten, die "Deprexis" zusätzlich zu einer üblichen medizinischen Versorgung nutzten, deutlich weniger depressive Beschwerden hatten als Patienten, die nur eine übliche medizinische Versorgung erhielten.

Eine junge Frau mit Händen in den Haaren.
"Deprexis" wird auch bei schweren Fällen verschrieben. (Archiv) Bildrechte: PantherMedia / Viktor Cap

Gang zum Arzt bleibt unerlässlich

Bei allen DiGAs ist der Vorteil, dass sie am Computer oder per App selbstständig genutzt werden können - einige allerdings nur mit einem Zugang von der Krankenkasse. Zudem sind sie wirksam, leicht zugänglich und erfordern kein großes technisches Know-how. Was aber nötig ist: Die Bereitschaft zur Veränderung und eine aktive Mitarbeit. Außerdem gilt immer, dass die Apps eine Therapie nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können. Bei Beschwerden bleibt der Gang zum Arzt unerlässlich.

(Der Artikel wurde am 19.10.2023 erstmals veröffentlicht.)


BRISANT/dgppn

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 08. November 2022 | 17:15 Uhr

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